„CDU und FDP biedern sich bei den Grünen an“
Freie Wähler wollen flächendeckend zur Landtagswahl antreten – Parteichef Wirthwein zielt auf „bürgerliche Mitte“
RAVENSBURG
- Die Landesvereinigung der Freien Wähler will bei der Landtagswahl 2021 erstmals flächendeckend in Baden-Württemberg antreten. Sieben Prozent der Stimmen hält der Landesvorsitzende Klaus Wirthwein für ein realistisches Ziel, nachdem seine Partei es in Bayern bereits in die Staatsregierung geschafft hat und in Hubert Aiwanger den Wirtschaftsminister stellt. Im Südwesten allerdings sind die Freien Wähler noch immer gespalten zwischen Wirthweins Partei, die in den Landtag strebt, und dem Landesverband der Freien Wähler, der jegliche Aktivität oberhalb der kommunalen Ebene strikt ablehnt. Ulrich Mendelin hat Wirthwein, der auch als Gemeinderat in Achberg (Landkreis Ravensburg) aktiv ist, befragt.
Herr Wirthwein, die Freien Wähler wollen bei der Landtagswahl 2021 erstmals in allen 70 Wahlkreisen Kandidaten aufstellen. Wie weit sind Sie schon?
Ungefähr die Hälfte haben wir. Einen weißen Fleck gibt es noch nördlich von Ulm, entlang der bayerischschwäbisch-fränkischen Grenze. Da helfen uns die Landtagsabgeordneten aus der bayerischen Nachbarschaft bei der Arbeit. Alle 70 Wahlkreise zu besetzen, ist ein Versprechen. Und sieben Prozent bei der Wahl sind unsere große Hoffnung.
In Bayern koaliert Ihre Partei mit der CSU. Gibt Ihnen die Regierungsbeteiligung auch für BadenWürttemberg Auftrieb?
Als Hubert Aiwanger in die bayerische Regierung eingezogen ist mit seiner Mannschaft, bin ich gefragt worden, ob ich jetzt mit Neid nach Bayern schaue. Ich habe geantwortet: nein, mit Stolz! In Bayern läuft es doch prima. Und auch in BadenWürttemberg wird die CDU uns als Koalitionspartner noch gut gebrauchen können.
Sie wollen mit den Freien Wählern für eine Mehrheit in der „bürgerlich-liberalen Mitte“kämpfen. Das könnte auch im Programm von CDU oder FDP stehen. Wie soll es die bürgerliche Mitte stärken, wenn nun auch noch die Freien Wähler um dieselbe Wählergruppe werben?
Wir müssen die Leute auffangen, denen die CDU zu weit links steht – bevor sie zur AfD abwandern oder gar nicht wählen. Die CDU wird es jedenfalls nicht mehr schaffen, hier in Baden-Württemberg allein zu regieren. Die schaffen das ja jetzt schon nicht, nur noch als Juniorpartner. CDU und FDP biedern sich bei den Grünen an, das finde ich wirklich schlimm.
Viele Wähler nehmen auch die Kretschmann-Grünen als bürgerliche Kraft wahr. Was stört Sie an denen?
Nehmen Sie das Thema Tierwohl. Hier im württembergischen Allgäu gibt es eine Metzgerei. Der Besitzer wollte einen Schlachthof bauen, direkt neben der Biogasanlage eines Landwirts, in die er sämtliche Schlachtabfälle hätte geben können. Er schlachtet für alle umliegenden Metzger von Wangen bis Lindau. Dieser Schlachthof wurde ihm verwehrt, mit dem Argument der Versiegelung von Flächen. Jetzt müssen die Bauern ihre Schweine 80 Kilometer weit nach Mengen oder Biberach fahren, obwohl doch eigentlich alle für Tierwohl sind. Das schreibe ich den Grünen zu. Die Grünen tun so, als wäre mit diesem Schlachthof die letzte grüne Wiese in Baden-Württemberg versiegelt worden. Und das ist nur ein Beispiel.
Was ist das Alleinstellungsmerkmal der Freien Wähler in BadenWürttemberg?
Wir unterstützen als einzige Partei die Elterninitiative G 9 für eine vollständige Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium. Und diese Eltern werden uns auch unterstützen, vielleicht sogar für uns kandidieren. In Bayern hatten wir Erfolg damit, dort haben wir die Umstellung von G 9 auf G 8 wieder zurückgedreht.
Mit Ihrer Landesvereinigung der Partei Freie Wähler konkurrieren Sie gegen den deutlich größeren Landesverband Freie Wähler, der ausdrücklich keine Kandidaten für Landtags-, Bundestags- und Europawahlen aufstellt. Wie gehen Sie damit um?
Der Landesverband Freie Wähler vertritt etwa 100 Ortsgruppen. In fast tausend Kommunen sind Wählergruppen nicht verbandsmäßig organisiert ...
... aber bei Ihnen ja auch nicht ...
... bei uns auch nicht, aber wir suchen den Dialog mit ihnen. Wir sagen: Ihr müsst gar nicht zu uns in die Partei. Aber unterstützt uns und kämpft nicht gegen uns, dann können wir gemeinsam etwas erreichen.