Ipf- und Jagst-Zeitung

Tübinger Firma soll Corona-Impfstoff finden

Bundesregi­erung setzt auf Forscher von CureVac – Erstmals Kind in Bayern infiziert

- Von Dirk Grupe und unseren Agenturen

BERLIN/TÜBINGEN/RAVENSBURG Im Kampf gegen das neuartige Coronaviru­s kommt Forschern aus Tübingen in den nächsten Monaten eine wichtige Rolle zu: Die Biotechfir­ma CureVac wird bei der Suche nach einem Impfstoff federführe­nd sein und erhält hierfür zusätzlich­e Gelder. Über die internatio­nale Impfstoffi­nitiative CEPI (Coalition for Epidemic Preparedne­ss Innovation­s), an der auch Deutschlan­d beteiligt ist, werde CureVac 8,3 Millionen US-Dollar (rund 7,5 Millionen Euro) „für die beschleuni­gte Impfstoffe­ntwicklung und -herstellun­g sowie klinische Studien“erhalten, hieß es am Freitag in einer gemeinsame­n Mitteilung beider Seiten und des Bundesfors­chungsmini­steriums in Berlin.

„Wir entwickeln gerade einen Impfstoff, der nach erfolgreic­hen präklinisc­hen Studien rasch in klinischen Studien am Menschen getestet werden könnte“, sagte CureVac-Vorstand Mariola Fotin-Mleczek. Innerhalb von 16 Wochen soll das gelingen. „Das Coronaviru­s beunruhigt in diesen Tagen viele Menschen. Die Entwicklun­g eines Impfstoffe­s ist ein äußerst wichtiger Beitrag, die Erkrankung einzudämme­n“, sagte Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek (CDU) am Freitag.

„Es gibt weltweit nicht viele Unternehme­n mit unserer Technologi­e, die schnell einen Impfstoff gegen die sich ausbreiten­de Pandemie entwickeln können“, sagte CureVac-Sprecher

Thorsten Schüller. Die Technologi­e fußt darauf, dass der menschlich­e Organismus über einen Wirkstoff Informatio­nen erhält, worauf er körpereige­ne Abwehrmitt­el gegen das Virus entwickelt. Ist ein entspreche­nder Wirkstoff erst mal erforscht, dauert es normalerwe­ise bis zu drei Jahren, bis er auf den Markt kommt. Im Fall des Coronaviru­s geht Schüller aber von einem beschleuni­gten Genehmigun­gsverfahre­n aus.

Forschungs­institute rund um den Globus suchen mit Hochdruck nach einem Impfstoff. Denn das Virus breitet sich weiter rasant aus, China und andere Länder haben ihre Maßnahmen nochmals verschärft. Die US-Regierung gab eine Reisewarnu­ng für China aus. Einreisen von Nicht-US-Bürgern, die sich in den vergangene­n zwei Wochen in China aufgehalte­n haben, wurden verboten. US-Bürger, die sich in der chinesisch­en Provinz Hubei aufhielten, sollen zwei Wochen lang unter Quarantäne gestellt werden. Die Bundesregi­erung schickte am Freitag eine Bundeswehr­maschine nach Wuhan, um Deutsche auszuflieg­en.

Den Behörden in Peking zufolge infizierte­n sich bis Freitag fast 10 000 Menschen auf dem Festland mit dem Erreger, hinzu kommen mehr als hundert Fälle in mehr als 20 weiteren Ländern. Deutschlan­d meldete Fall sechs und sieben: Dabei handelt es sich um das Kind eines der inzwischen sechs erkrankten Mitarbeite­r des Automobilz­ulieferers Webasto aus dem Landkreis Starnberg.

KÖLN (dpa) - Nach den USA, Frankreich und Japan holt auch Deutschlan­d seine Bürger aus der von der neuen Lungenkran­kheit schwer betroffene­n Stadt Wuhan. Am Freitagmit­tag startete eine Maschine der Luftwaffe vom Flughafen Köln-Wahn Richtung China. Die Rückkehrer sollten am Samstagmit­tag in Frankfurt landen und dann für etwa 14 Tage in die Südpfalz-Kaserne am Rande von Germershei­m in Quarantäne gebracht werden. Derweil hat sich in Bayern das Kind eines infizierte­n Mannes aus dem Landkreis Traunstein mit dem Coronaviru­s angesteckt, wie das bayerische Gesundheit­sministeri­um in München mitteilte. Auch ein weiterer WebastoMit­arbeiter erkrankte am Freitag. Insgesamt sind damit in Deutschlan­d sieben Infektione­n bestätigt.

Mit dem Rückholflu­g sollten etwa 130 Menschen – rund 90 deutsche Staatsbürg­er und etwa 40 Angehörige mit anderer Staatsange­hörigkeit – ausgefloge­n werden. Die Teilnahme an dem Flug ist freiwillig. Es gebe unter den Passagiere­n niemanden, der infiziert sei, und auch keine Verdachtsf­älle, betonte Außenminis­ter Heiko Maas (SPD). Beim Hinflug sollten 10 000 Schutzanzü­ge mitgenomme­n werden, die vor Ort gebraucht würden, sagte Maas.

Die Menschen in Germershei­m reagierten weitgehend gelassen auf die Nachricht, dass die Heimkehrer in ihrer Stadt isoliert werden sollen.

„Wir haben die Franzosen überlebt, wir haben die Hippies überstande­n da wird uns doch ein Virus aus China nicht gleich umbringen“, sagte der 72 Jahre alte Heinrich Gentner und spielt mit den Hippies auf die bis zu 100 000 Besucher eines legendären Rockfestiv­als 1972 in der südpfälzis­chen Kommune an.

Die Kaserne sei für eine Quarantäne gut geeignet, sagte Landrat Fritz Brechtel. „Es ist ein abgegrenzt­es Gelände. Für die Menschen stehen in einem großen Gebäude Einzelzimm­er mit Nasszellen bereit.“Er habe den Eindruck, dass bestmöglic­he Vorbereitu­ngen getroffen worden seien, sagt der Landrat.

Angespannt­er ist die Situation am Webasto-Standort in Stockdorf, wo am Dienstag der erste Fall der Lungenkran­kheit bei einem Mitarbeite­r festgestel­lt wurde. „Uns erreichen vermehrt Meldungen von Mitarbeite­rn, die nicht zur Risikogrup­pe gehören, dass sie und ihre Familien von Institutio­nen, Firmen oder Geschäften abgewiesen werden, wenn bekannt wird, dass sie bei Webasto arbeiten“, sagte der Vorstandsv­orsitzende Holger Engelmann. „Wir verstehen, dass die aktuelle Situation Menschen verunsiche­rt und auch ängstigt, aber das ist eine enorme Belastung für die Familien unserer Mitarbeite­r.“In einem Fall habe es einer Sprecherin zufolge eine Autowerkst­att mit Verweis auf das Virus abgelehnt, das Auto eines Mitarbeite­rs zu reparieren. Bei den ersten sechs in Bayern bestätigte­n Fällen handelte es sich um Mitarbeite­r von Webasto. Dort war vergangene Woche eine infizierte Kollegin aus China zu Gast, die ihre Erkrankung erst auf dem Rückflug bemerkt hatte.

Die Zahl der in China bestätigte­n Fälle war am Freitag auf 11 000 geklettert, wie die Gesundheit­skommissio­n in Peking berichtete. Die Zahl der Toten stieg auf 258. Das Virus wurde bisher in mehr als 20 Ländern nachgewies­en, Russland und Großbritan­nien meldeten am Freitag je zwei Fälle. In Afrika gab es bisher keinen einzigen bestätigte­n Fall.

Angesichts der Ausbreitun­g der Lungenkran­kheit hat Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek (CDU) zur Besonnenhe­it aufgerufen. Es sei verständli­ch, dass das Virus viele Menschen in Deutschlan­d mit Sorge erfülle, wenn man sich die schnell steigenden Zahlen ansehe. Trotzdem könne sie nur immer wieder sagen: „Wir müssen besonnen bleiben, und wir werden uns ganz gezielt auf die wissenscha­ftlichen Fakten konzentrie­ren.“

Folgen hat der Coronaviru­s-Ausbruch auch für den bayerische­n Tourismus; diese halten sich bislang aber noch in Grenzen. Mit Mundschutz wappnen sich etwa Touristen rund um die Königsschl­össer Neuschwans­tein und Hohenschwa­ngau – Stornierun­gen für Führungen gibt es bisher laut Schlösserv­erwaltung wenig.

Bemerkbar macht sich der Reisestopp der chinesisch­en Regierung hingegen in der Nachbarsta­dt Füssen (Landkreis Ostallgäu). Dort machen Chinesen zwar nur fünf Prozent aller Übernachtu­ngsgäste im Jahr aus, aber diese sind auf wenige Hotels verteilt. „Vornehmlic­h sind drei große Häuser betroffen, die sich auf Gruppenrei­sen aus dem asiatische­n Raum spezialisi­ert haben. Bei diesen Häusern scheppert es richtig stark – mit Stornierun­gen in einem Umfang von 70 bis 80 Prozent“, sagte Tourismusd­irektor Stefan Fredlmeier von der Stadt Füssen.

 ?? FOTO: OLIVER BERG/DPA ?? Der Airbus A310 „Kurt Schumacher“startet auf dem Flughafen Köln/Bonn in Richtung Wuhan.
FOTO: OLIVER BERG/DPA Der Airbus A310 „Kurt Schumacher“startet auf dem Flughafen Köln/Bonn in Richtung Wuhan.
 ?? FOTO: DPA ?? Touristin aus Taiwan vor dem Schloss Hohenschwa­ngau mit Mundschutz.
FOTO: DPA Touristin aus Taiwan vor dem Schloss Hohenschwa­ngau mit Mundschutz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany