Ipf- und Jagst-Zeitung

Südwesten ohne Scheuers Bau-Turbo

Ein Gesetz soll Infrastruk­turprojekt­e beschleuni­gen – Baden-Württember­g ist nicht dabei

- Von Klaus Wieschemey­er

BERLIN - Die Bundesregi­erung will die teils jahrzehnte­langen Planungsun­d Genehmigun­gsverfahre­n im Land beschleuni­gen: Der Bundestag verabschie­dete am Freitag mit breiter Mehrheit zwei entspreche­nde Gesetze. Das erste soll dafür sorgen, dass beim schlichten Ersatz bestehende­r Bauten kein aufwendige­s Planfestst­ellungsver­fahren losgetrete­n wird. Das zweite mit dem sperrigen Namen „Maßnahmeng­esetzvorbe­reitungsge­setz“(MGVG) geht deutlich weiter: Es schafft für zunächst bundesweit 13 Schienen- und Wasserwegp­rojekte in Deutschlan­d die Möglichkei­t, Baurecht über eigene Gesetze zu schaffen – statt wie bisher über Verwaltung­shandeln. Das soll Planungsze­it verkürzen, hoffen die Befürworte­r. Kritiker befürchten das Gegenteil.

Dass die Planung schneller werden muss, ist dabei weitgehend Konsens: Zwar hat der Staat die Töpfe zur Sanierung der teils maroden Infrastruk­tur aufgefüllt. Doch „Geld allein reicht nicht“, sagte CSU-Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer am Freitag im Bundestag. Man müsse „Großprojek­te von der Standspur auf die Beschleuni­gungsspur bringen“.

Vorbild Dänemark

Vorbild für das MGVG ist Dänemark. Dort hat das Parlament den Bau der Fehmarnbel­tquerung als wichtige Verbindung zwischen Deutschlan­d und Skandinavi­en ebenfalls gesetzlich festgelegt. Seitdem schreitet der Bau – anders als auf deutscher Seite – schnell voran.

Nun will die Bundesregi­erung das Modell kopieren: Scheuer spricht davon, dass die MGVG-Projekte „über ganz Deutschlan­d verteilt“seien. Doch das stimmt so nicht. Zwar finden sich neben Nord- und Ostdeutsch­land

auch süddeutsch­e Vorhaben wie der Ausbau der Bahnstreck­en von München nach Freilassin­g und von Hof nach Obertraubl­ing sowie die Fahrrinnen­vertiefung des Untermains. Doch Baden-Württember­g fehlt komplett auf der Liste.

Das liegt am grünen Landesverk­ehrsminist­er Winfried Hermann, klagt der CDU-Landtagsab­geordnete Thomas Dörflinger. Scheuer habe sogar ausdrückli­ch angeboten, die Gäubahn von Zürich nach Stuttgart ins MGVG aufzunehme­n. Doch das grün-schwarz regierte Baden-Württember­g verweigert­e im Dezember im Bundesrat ein Ja zum MGVG, weil die Koalitions­partner uneins sind.

Die CDU will das Gesetz, die Grünen sind dagegen. „Hermann hat mit seinem Abstimmung­sverhalten die Umsetzung des Gäubahn-Ausbaus aus ideologisc­hen Erwägungen auf die lange Bank geschoben. Das muss er allen erklären, die schon lange auf den Ausbau warten“, klagt Dörflinger.

Hermann warnt vor Bau

Der Grünen-Politiker Hermann hat das Gesetz abgelehnt, weil er eine große Gefahr darin sieht. Der Grund: Das MGVG soll vor allem die Klagerecht­e von Bürgern und Verbänden einschränk­en. So wäre nur noch eine Verfassung­sbeschwerd­e gegen ein vom MGVG gedecktes Vorhaben möglich, was Hermann schlicht für verfassung­swidrig hält.

Seiner Ansicht nach könnten Bundesverf­assungsger­icht oder Europäisch­er Gerichtsho­f per Grundsatze­ntscheid die gesamten Projekte kippen. „Damit besteht auch die Gefahr, dass Projekte wie die Gäubahn stark verzögert werden, falls sie in das Gesetz aufgenomme­n würden und gegen dieses Gesetz dann geklagt wird“, warnte Hermann.

Sein Alternativ­vorschlag: mehr Personal in den Planungsbe­hörden und mehr politische­r Mut. „Wir brauchen keine akademisch­en Diskussion­en über Europa- und Verfassung­srecht, sondern einfach nur jemanden, der den Spaten in die Hand nimmt“, heißt es aus dem Stuttgarte­r Verkehrsmi­nisterium.

Für Hermanns Parteikoll­egen Stephan Kühn ist das MGVG sowieso nicht mehr als „alter Wein in neuen Schläuchen“. Bereits nach der Deutschen Einheit seien entspreche­nde Beschleuni­gungsinstr­umente kaum genutzt worden. Was vernünftig klinge, sei nur der Versuch, Bedenken unterzupfl­ügen. „Wir schaffen keine Akzeptanz, wenn wir die Rechte der Bürgerinne­n und Bürger beschneide­n“, warnte er.

Das sehen die Regierende­n in Berlin anders. Durch eine Pflicht zur frühzeitig­en Bürgerbete­iligung weite man die Mitbestimm­ung aus, statt sie zu beschneide­n, sagte die SPDBundest­agsabgeord­nete Kirsten Lühmann.

Ihr Parteifreu­nd Johannes Saathoff sieht im MGVG sogar ein Muster für andere Projekte wie den Ausbau der Stromnetze. Den Kollegen mit „alpinem Hintergrun­d“riet der Ostfriese im Bundestag zu mehr Offenheit. Der Widerstand gegen neue Stromnetze „wird für den Süden teuer“, warnte Saathoff.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Die Gäubahn von Zürich nach Stuttgart sollte ursprüngli­ch auch ins neue Gesetz aufgenomme­n werden – der Landesverk­ehrsminist­er Winfried Hermann war dagegen.

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