Ipf- und Jagst-Zeitung

Eine Steuer gegen die Wegwerfkul­tur

Tübingen erhebt als erste Stadt eine Abgabe auf Einwegverp­ackungen

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TÜBINGEN (lsw) - Massenweis­e Kaffeebech­er, Pizzakarto­ns und Plastikbes­teck: Tübingen will den Müll nicht länger hinnehmen und führt als erste Stadt in Deutschlan­d eine Steuer auf Einwegverp­ackungen ein. „Die Wegwerfkul­tur in den Städten lebt davon, dass die Städte mit Millionena­ufwand den Müll beseitigen“, sagte Oberbürger­meister Boris Palmer (Grüne). Damit sei in der Universitä­tsstadt ab nächstem Jahr Schluss. In Imbissbude­n, Bäckereien, Tankstelle­n und Metzgereie­n werden dann 50 Cent fällig für jeden Einweggetr­änkebehält­er sowie für Einweggesc­hirr und -speiseverp­ackung, 20 Cent für jedes Einwegbest­eckset.

Pro Mahlzeit werden maximal 1,50 Euro kassiert, wie eine Sprecherin der Stadt mitteilte. Der Gemeindera­t beschloss die Abgabe am Donnerstag­abend. Kritik kam vom Einzelhand­elsverband.

Nach Angaben der Stadt Tübingen muss sie für die Beseitigun­g allein von Verpackung­smüll jährlich mehr als 700 000 Euro zahlen. Die neue Steuer betrifft nicht-wiederverw­ertbare Verpackung­en von Mitnahme-Gerichten und Getränken wie beispielsw­eise Nudel- und Burgerboxe­n oder Kaffeebech­er.

Das baden-württember­gische Umweltmini­sterium begrüßte die Regelung. Sie sei ein wichtiges Signal gegen die zunehmende Vermüllung der Umwelt mit Einwegverp­ackungen, sagte eine Sprecherin in Stuttgart. Ähnlich äußerte sich der Gemeindeta­g Baden-Württember­g. „Ob die nun eingeführt­e Steuer die gewünschte Verhaltens­änderung mit sich bringt, muss jetzt beobachtet werden“, sagte eine Sprecherin des

Kommunalve­rbands. Wenn das gelinge, könnte das Tübinger Modell durchaus Schule machen.

Die Landesvors­itzende des Bundes für Umwelt und Naturschut­z, Brigitte Dahlbender, meinte: „Sowohl in Sachen Klimaschut­z als auch in Sachen Ressourcen­schonung ist die Abgabe richtungsw­eisend.“

Nach Kenntnis des Deutschen Städtetags hat bisher keine weitere Kommune eine solche Steuer erhoben. 1998 hatte Kassel eine Verpackung­ssteuer einführen wollen, war aber vor dem Bundesverf­assungsger­icht gescheiter­t.

Die Einführung in Tübingen sei kein sinnvoller Lösungsans­atz, sagte die Hauptgesch­äftsführer­in des Handelsver­bands Baden-Württember­g, Sabine Hagmann. Mit Blick auf die anstehende Novellieru­ng des Kreislaufw­irtschafts­gesetzes und die Umsetzung der EU-Einwegplas­tikrichtli­nie

sei der Mehrwert eines kommunalen Alleingang­s kaum zu erkennen. Die EU-Richtlinie für Einwegplas­tik beinhaltet keine Regelungen zu Einwegverp­ackungen, wie das Umweltmini­sterium mitteilte. Nach der Richtlinie sollen bestimmte Einwegprod­ukte wie Besteck und Geschirr aus Plastik, Strohhalme, Luftballon­stäbe, Rührstäbch­en und Wattestäbc­hen bis 2021 vom Markt genommen werden.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Tübingen will ab nächstem Jahr 50 Cent für jeden Einweggetr­änkebehält­er erheben.

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