Ipf- und Jagst-Zeitung

Katholiken sollen nicht auf Bischöfe warten

Annette Schavan sieht Zugang für Frauen zu Weiheämter­n in der katholisch­en Kirche nicht für alle Zeiten versperrt

- Von Viktor Turad

AALEN - Nicht warten, bis die Bischöfe etwas erlauben, sondern selbst aktiv werden. Dies hat Annette Schavan, die ehemalige Ministerin und Botschafte­rin, ihren katholisch­en Mitchriste­n bei einem gut besuchten Vortrag im voll besetzten Salvatorhe­im empfohlen.

Überhaupt zeigte die Rednerin keine Scheu vor Bischofsth­ronen. Wenn Oberhirten schon zum Auftakt des so genannten synodalen Wegs bekundeten, die Ergebnisse würden sie in keinem Fall anerkennen, dann sei das illoyal und verantwort­ungslos. Auch sah sie den Zugang für Frauen zu Weiheämter­n in der katholisch­en Kirche nicht für alle Zeiten versperrt: Lächelnd sagte Schavan: „Auch die Mauer ist gefallen, obwohl niemand daran glaubte!“Christen seien schließlic­h Spezialist­en für Wunder.

Annette Schavan kam auf Vermittlun­g ihres Duzfreunde­s, des CDULandtag­sabgeordne­ten Winfried Mack, an den Kocher und sprach nach der Begrüßung durch Pfarrer Wolfgang Sedlmeier über die „Kraft der Erneuerung“. Vier Jahre von 2014 bis 2018, war sie Botschafte­rin Deutschlan­ds beim Heiligen Stuhl in Rom gewesen. Dort hatte sie nach Macks Worten die Rolle ihres Lebens gefunden und einen engen Draht zu Papst Franziskus

gehabt. In Aalen lenkte sie denn auch den Blick auf die katholisch­e Weltkirche als eine vielfältig­e Religionsg­emeinschaf­t. Sie müsse zu manchen Ursprüngen zurückkehr­en. Und dort fände sich etwa kein Pflichtzöl­ibat, der ohnehin aus untheologi­schen Gründen eingeführt worden sei. Auch davor habe es den Glauben gegeben. Hier setzte die Rednerin die erste Spitze gegen Bischöfe: Wenn einer behaupte, ohne Zölibat gebe es keinen Glauben, so sei dies schlicht Unsinn.

Die Kirche habe die Kraft zur Erneuerung, bekräftigt­e sie. Die Religion sei nach wie vor bedeutsam, aber es gehe im 21. Jahrhunder­t vor dem Hintergrun­d des Missbrauch­sskandals um die Glaubwürdi­gkeit der Christen. Die Religion werde nicht verschwind­en, weil sie mit Haltung, Hoffnung und Werten verbunden sei. „Europa ist nicht vorstellba­r ohne das Christentu­m. Es gehört zu seiner Kultur!“Aber der Kontinent nutze seine Möglichkei­ten nicht.

Die Christen, fuhr Schavan fort, seien manchmal etwas flügellahm. Sie sollten sich nicht der allgemeine­n Larmoyanz und Nöhlerei anschließe­n, forderte die Rednerin. Sie sollten vielmehr diese „Insolvenzr­hetorik“abschalten, denn sie führe nur in die Depression. „So verkündet man nicht die christlich­e Botschaft!“Katholiken sollten nicht verwaltet werden, man solle sie tun lassen. Laien könnten unendlich viel bewirken, wenn sie an die Peripherie gingen und erkennen würden, wo sie gefragt seien. Zum Beispiel angesichts der massiven Vereinzelu­ng und Einsamkeit in der Gesellscha­ft.

Es wird noch mehr Zoff geben

Die Kirche müsse aber auch den Dreh weg von sich hin zur Welt hinbekomme­n statt in Tagungszen­tren zu sitzen, sagte die ehemalige Botschafte­rin mit Blick auf den synodalen Weg. Sie brauche eine Erneuerung aus Liebe zur Welt und im Interesse der Gesellscha­ft. Sie brauche keine großen Reden, sondern müsse handeln, Tabus brechen und die Welt ein bisschen besser machen. Dabei dürfe man in der Kirche auch streiten, denn: „Im Zustand der Harmonie ändert sich sowieso nichts.“Schavan prophezeit­e sogar, es werde noch mehr Zoff geben, je mehr der Papst die Kirche verändere.

In der Diskussion löckte Annette Schavan ein weiteres Mal wider den bischöflic­hen Stachel: Sie könnte sich eine Amtszeitbe­grenzung bei Bischöfen, etwa von zehn Jahren, gut vorstellen. „Danach arbeiten sie wieder als Pfarrer und können reflektier­en, was sie als Bischof getan haben und die Konsequenz­en am eigenen Leib erfahren.“Selbst die Wahl der Bischöfe durch die Gläubigen ist für sie nicht undenkbar, ließ die Rednerin durchblick­en. Mit ihrem Vortrag habe Annette Schavan den Horizont geweitet und Perspektiv­en aufgezeigt, bilanziert­e Pfarrer Sedlmeier zufrieden.

 ?? FOTO: VIKTOR TURAD ?? Auf großes Interesse ist der Vortrag der ehemaligen Ministerin und Botschafte­rin Annette Schavan in Salvatorhe­im in Aalen gestoßen. Unser Bild zeigt sie mit Pfarrer Wolfgang Sedlmeier (links) und dem Landtagsab­geordneten Winfried Mack.
FOTO: VIKTOR TURAD Auf großes Interesse ist der Vortrag der ehemaligen Ministerin und Botschafte­rin Annette Schavan in Salvatorhe­im in Aalen gestoßen. Unser Bild zeigt sie mit Pfarrer Wolfgang Sedlmeier (links) und dem Landtagsab­geordneten Winfried Mack.

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