Katholiken sollen nicht auf Bischöfe warten
Annette Schavan sieht Zugang für Frauen zu Weiheämtern in der katholischen Kirche nicht für alle Zeiten versperrt
AALEN - Nicht warten, bis die Bischöfe etwas erlauben, sondern selbst aktiv werden. Dies hat Annette Schavan, die ehemalige Ministerin und Botschafterin, ihren katholischen Mitchristen bei einem gut besuchten Vortrag im voll besetzten Salvatorheim empfohlen.
Überhaupt zeigte die Rednerin keine Scheu vor Bischofsthronen. Wenn Oberhirten schon zum Auftakt des so genannten synodalen Wegs bekundeten, die Ergebnisse würden sie in keinem Fall anerkennen, dann sei das illoyal und verantwortungslos. Auch sah sie den Zugang für Frauen zu Weiheämtern in der katholischen Kirche nicht für alle Zeiten versperrt: Lächelnd sagte Schavan: „Auch die Mauer ist gefallen, obwohl niemand daran glaubte!“Christen seien schließlich Spezialisten für Wunder.
Annette Schavan kam auf Vermittlung ihres Duzfreundes, des CDULandtagsabgeordneten Winfried Mack, an den Kocher und sprach nach der Begrüßung durch Pfarrer Wolfgang Sedlmeier über die „Kraft der Erneuerung“. Vier Jahre von 2014 bis 2018, war sie Botschafterin Deutschlands beim Heiligen Stuhl in Rom gewesen. Dort hatte sie nach Macks Worten die Rolle ihres Lebens gefunden und einen engen Draht zu Papst Franziskus
gehabt. In Aalen lenkte sie denn auch den Blick auf die katholische Weltkirche als eine vielfältige Religionsgemeinschaft. Sie müsse zu manchen Ursprüngen zurückkehren. Und dort fände sich etwa kein Pflichtzölibat, der ohnehin aus untheologischen Gründen eingeführt worden sei. Auch davor habe es den Glauben gegeben. Hier setzte die Rednerin die erste Spitze gegen Bischöfe: Wenn einer behaupte, ohne Zölibat gebe es keinen Glauben, so sei dies schlicht Unsinn.
Die Kirche habe die Kraft zur Erneuerung, bekräftigte sie. Die Religion sei nach wie vor bedeutsam, aber es gehe im 21. Jahrhundert vor dem Hintergrund des Missbrauchsskandals um die Glaubwürdigkeit der Christen. Die Religion werde nicht verschwinden, weil sie mit Haltung, Hoffnung und Werten verbunden sei. „Europa ist nicht vorstellbar ohne das Christentum. Es gehört zu seiner Kultur!“Aber der Kontinent nutze seine Möglichkeiten nicht.
Die Christen, fuhr Schavan fort, seien manchmal etwas flügellahm. Sie sollten sich nicht der allgemeinen Larmoyanz und Nöhlerei anschließen, forderte die Rednerin. Sie sollten vielmehr diese „Insolvenzrhetorik“abschalten, denn sie führe nur in die Depression. „So verkündet man nicht die christliche Botschaft!“Katholiken sollten nicht verwaltet werden, man solle sie tun lassen. Laien könnten unendlich viel bewirken, wenn sie an die Peripherie gingen und erkennen würden, wo sie gefragt seien. Zum Beispiel angesichts der massiven Vereinzelung und Einsamkeit in der Gesellschaft.
Es wird noch mehr Zoff geben
Die Kirche müsse aber auch den Dreh weg von sich hin zur Welt hinbekommen statt in Tagungszentren zu sitzen, sagte die ehemalige Botschafterin mit Blick auf den synodalen Weg. Sie brauche eine Erneuerung aus Liebe zur Welt und im Interesse der Gesellschaft. Sie brauche keine großen Reden, sondern müsse handeln, Tabus brechen und die Welt ein bisschen besser machen. Dabei dürfe man in der Kirche auch streiten, denn: „Im Zustand der Harmonie ändert sich sowieso nichts.“Schavan prophezeite sogar, es werde noch mehr Zoff geben, je mehr der Papst die Kirche verändere.
In der Diskussion löckte Annette Schavan ein weiteres Mal wider den bischöflichen Stachel: Sie könnte sich eine Amtszeitbegrenzung bei Bischöfen, etwa von zehn Jahren, gut vorstellen. „Danach arbeiten sie wieder als Pfarrer und können reflektieren, was sie als Bischof getan haben und die Konsequenzen am eigenen Leib erfahren.“Selbst die Wahl der Bischöfe durch die Gläubigen ist für sie nicht undenkbar, ließ die Rednerin durchblicken. Mit ihrem Vortrag habe Annette Schavan den Horizont geweitet und Perspektiven aufgezeigt, bilanzierte Pfarrer Sedlmeier zufrieden.