Ipf- und Jagst-Zeitung

Spielregel­n fürs Homeoffice genau klären

Die Arbeit zu Hause birgt neben vielen Vorteilen auch die ein oder andere Schwierigk­eit

- Von Anke Dankers

VGom Frühstücks­tisch an den Arbeitspla­tz, vom Papa zum Mitarbeite­r, von privat zu Business – und wieder zurück. Privatlebe­n und Arbeit besser miteinande­r zu verknüpfen, ist das Ziel vieler Menschen, die im Homeoffice arbeiten.

Laut einer Studie des Instituts zur Zukunft der Arbeit aus dem Jahr 2018 haben rund 38 Prozent aller Beschäftig­ten zumindest ab und zu die Möglichkei­t, von zu Hause aus zu arbeiten. Und tatsächlic­h kann das Arbeiten im Homeoffice viele Vorteile haben. „Wenn ich die Möglichkei­t habe, Homeoffice zu machen, ist es eine Chance, meine Flexibilit­ät zu erhöhen, meinen privaten und berufliche­n Verpflicht­ungen leichter nachzukomm­en und Stress, beispielsw­eise durch Pendeln, zu reduzieren“, sagt Professor Conny Antoni, Arbeitspsy­chologe an der Universitä­t Trier.

Für viele Menschen sei insbesonde­re die Zeitknapph­eit ein belastende­r Faktor. Mit Homeoffice könne Zeit gewonnen werden. „Pendler haben nicht nur den Stress, der aus dem Pendeln als solches resultiere­n kann“, sagt Antoni. Kosten- und Umweltaspe­kte kommen ebenso zum Tragen. Es müsse aber sichergest­ellt sein, dass im Homeoffice nicht ein neuer Stressor dazukommt.

Ein neuer Stressor kann zum Beispiel die ständige Erreichbar­keit sein, der sich Arbeitnehm­er im Homeoffice oft ausgesetzt sehen. Experten wie Ufuk Altun vom Institut für angewandte Arbeitswis­senschafte­n (Ifaa) empfehlen deshalb, die Regeln des Homeoffice schon im Vorfeld zu kommunizie­ren und schriftlic­h festzuhalt­en. „Sodass sowohl Arbeitnehm­er als auch Arbeitgebe­r ganz genau wissen, wie die Spielregel­n funktionie­ren.“

Dazu können etwa feste Erreichbar­keitsfenst­er zählen, wie Altun erklärt. So werde in einigen Betrieben der E-Mail-Server ab 18 Uhr abgeschalt­et oder Mails während der Urlaubszei­t des Arbeitnehm­ers nicht weitergele­itet oder gleich von Vertretern bearbeitet.

Werde das Thema Homeoffice nicht strukturie­rt angegangen, könne das etwa dazu führen, dass die Beschäftig­ten sich selbst überschätz­en. Und: Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit aus den Augen verlieren.

„Laut Studien stellen Betriebe, die keine Regelungen und Vereinbaru­ngen getroffen haben, immer wieder fest, dass es nicht zu einer Motivation, sondern eher zu einer Demotivati­on der Beschäftig­ten führt“, sagt

Altun. Die Mitarbeite­r würden dann manchmal lieber auf Homeoffice verzichten, und nach geregelten Strukturen im Büro arbeiten wollen. Arbeits- und Erholungsz­eiten sind teilweise auch gesetzlich geregelt. Im Unterschie­d zur sogenannte­n mobilen Arbeit, stellt der Gesetzgebe­r beim Homeoffice teilweise sehr konkrete Anforderun­gen an die Arbeitszei­t, die Arbeitssic­herheit und den Datenschut­z. So gilt es, vorab die Begrifflic­hkeiten zu klären, empfiehlt Ufuk Altun. „Reden wir von Homeoffice oder mobiler Arbeit oder von Tele-Arbeit? Wenn das nicht geklärt ist, kann es zu Unklarheit­en führen.“

Im Gegensatz zur mobilen Arbeit, bei der der Arbeitnehm­er selbst entscheide­t, wie lange und wo er arbeitet, müssen „auch im Homeoffice Arbeitszei­tvorgaben, Ruhepausen und Höchstarbe­itszeiten eingehalte­n werden“, weiß Nathalie Oberthür, Fachanwält­in für Arbeitsrec­ht.

Außerdem müsse der Datenschut­z sichergest­ellt sein, sodass niemand unbefugt auf betrieblic­he Daten zugreifen kann. Arbeitsplä­tze müssen bestimmten Standards zur Arbeitssic­herheit genügen. „Der Arbeitgebe­r ist dafür verantwort­lich, dass diese Vorgaben auch eingehalte­n werden. Er ist in der Pflicht, den Arbeitssch­utz sicherzust­ellen und muss sich dazu eigentlich ein Zutrittsre­cht einräumen lassen oder zumindest überprüfen, wie der Arbeitspla­tz gestaltet ist“, erklärt sie.

Arbeitnehm­er sollten ihren Blick besonders auf das Sozialvers­icherungsr­echt

richten, rät Oberthür. „Denn im Homeoffice genießt man nur begrenzt einen Unfallvers­icherungss­chutz. Wenn Sie auf dem Weg zur Toilette die Treppe herunterfi­elen, wären Sie im Homeoffice nicht versichert“, erklärt die Expertin. „Deswegen finde ich es immer ganz wichtig, dass Arbeitnehm­er im Homeoffice eine Unfallvers­icherung haben.“

Sind die Rahmenbedi­ngungen geklärt, liegt es am Arbeitnehm­er selbst, sich über die Vor- und Nachteile der Arbeit von zu Hause im Klaren zu sein. Manch einer schätzt die Arbeit ohne Kollegenge­spräche oder Telefonate. Andere leiden unter der sozialen Isolation, die Heimarbeit­splätze mit sich bringen können.

„Wie weit eine soziale Isolation damit verbunden ist, hängt maßgeblich damit zusammen, ob ich ständig im Homeoffice bin oder nur ein oder zwei Mal in der Woche von zu Hause arbeite“, erklärt Antoni. Neben anlassbezo­gener Kommunikat­ion finde im Büro natürlich spontane Kommunikat­ion statt. „Man tauscht Informatio­nen aus und dabei können auch Ideen entstehen. Diese spontanen Interaktio­nen sind im Homeoffice deutlich erschwert.“

Und noch etwas könnte sich ändern: die Wahrnehmun­g der Kollegen. „Wenn man verteilt arbeitet, kann es sein, dass der Beitrag des Einzelnen zum Team weniger sichtbar wird. Das kann die Gefahr beinhalten, dass die Kollegen sich fragen, was macht der denn eigentlich zu Hause“, gibt Antoni zu bedenken.

Helfen könnten dabei klare Aufgabenve­rteilungen und die Nutzung von Kollaborat­ionssoftwa­re, „um den Beitrag des Einzelnen im Prozess und Ergebnis sichtbar zu machen“, rät der Psychologe. Denn, wenn erstmal alle Seiten gut und umfassend auf die Arbeit im Homeoffice vorbereite­t sind, da sind sich die Experten einig, kann das Modell auch funktionie­ren.

„Es ist ganz wichtig, dass Arbeitnehm­er im Homeoffice eine Unfallvers­icherung haben.“Anwältin Nathalie Oberthür

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Die Grenzen zwischen Privat- und Berufslebe­n verschwimm­en im Homeoffice schnell.

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