Ipf- und Jagst-Zeitung

Rekordsumm­e für Leben auf dem Land

Warum Grüne und CDU uneins sind – und was Hausbesitz­er und Mieter erwartet

- Von Bettina Grachtrup und Katja Korf FOTO: RONJA STRAUB

(tja) - Mit 90 Millionen Euro fördert Baden-Württember­g im laufenden Jahr Projekte auf dem Land. So viel floss bislang noch nie, seit das entspreche­nde Förderprog­ramm vor 25 Jahren ins Leben gerufen wurde. Das teilte Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) am Montag in Stuttgart mit. Erstmals liegt ein Schwerpunk­t der Förderung auf Dorfgastst­ätten. Sie klagen über Personalno­t, immer mehr müssen schließen. FDP und SPD werfen der grün-schwarzen Landesregi­erung vor, das Geld für die falschen Dinge auszugeben.

- Die grün-schwarze Landesregi­erung muss bald entscheide­n, wie die Grundsteue­r künftig berechnet werden soll. Sie tut sich schwer. Denn klar ist schon heute: Es wird Gewinner und Verlierer geben. Bei den meisten Wohnungsei­gentümern geht es um einige Hundert Euro im Jahr. Die Steuer zahlt jeder, der Grundstück­e und Gebäude besitzt. Vermieter können sie auf die Mieter umlegen.

Warum ist diese Steuer wichtig?

Für die Kommunen ist die Grundsteue­r eine große Einnahmequ­elle. Sie deckt etwa 15 Prozent der Steuereinn­ahmen, aus denen dann Straßen, Schwimmbäd­er, Theater und anderes bezahlt werden. Die Kommunen im Südwesten nehmen jährlich 1,8 Milliarden Euro aus ihr ein.

Wie wird die Grundsteue­r bislang berechnet?

Wie viel man bislang zahlt, ist abhängig vom Wohnort, dem Grundstück und dem Gebäude darauf. Das letzte Wort haben – auch künftig – die Kommunen: Sie legen Hebesätze fest, die enorm viel ausmachen.

Warum wurde die Grundsteue­r neu geregelt?

Den Wert der Immobilie berechnen die Finanzämte­r auf Grundlage veralteter Zahlen – von 1935 in Ostdeutsch­land und von 1964 in Westdeutsc­hland. Das Bundesverf­assungsger­icht hat eine Neuregelun­g verlangt. Ende 2019 beschlosse­n Bundestag und Bundesrat ein neues Gesetz. Nach einer Übergangsp­hase soll die neu berechnete Grundsteue­r im Jahr 2025 erstmals fällig werden.

Was sieht das Grundsteue­r-Modell des Bundes vor?

Es sieht vor, dass bei der Berechnung folgende Komponente­n eine Rolle spielen: Grundstück­sfläche, regionaler Bodenricht­wert, Immobilien­art, Alter des Gebäudes und Mietniveau­stufe. Der Bodenricht­wert ist der Wert einer Fläche, den ein Ausschuss in der Gemeinde festlegt und der sich vor allem nach den Verkaufspr­eisen von Grundstück­en richtet. Die Länder können vom Bundesmode­ll abweichen, wenn sie ein eigenes Grundsteue­rgesetz beschließe­n. Kritikern ist das Modell von Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) zu bürokratis­ch. Zudem gibt es Zweifel, ob es verfassung­sgemäß ist. Allerdings fürchten Experten, das jedes Modell am Ende vor einem Gericht landet.

Was macht Bayern?

Bayern will ein Flächenmod­ell. Die Fläche eines Grundstück­s und des Gebäudes darauf sollen entscheide­nd sein. Dann wird eine Grundstück in einem struktursc­hwachen Gebiet genauso bewertet wie ein wertvoller­es Grundstück in München. Kritiker halten das für ungerecht. Der Vorteil: Das Modell ist einfach. Und es gibt keine automatisc­hen Steuerverä­nderungen, wenn sich der Wert einer Immobilie ändert. Noch liegen aber keine Details vor – wohl auch, weil die Regierung in Bayern vor den Kommunalwa­hlen im März niemanden verprellen will.

Was schlägt das baden-württember­gische Finanzmini­sterium vor?

Finanzmini­sterin Edith Sitzmann (Grüne) hat eine „Bodenwerts­teuer“vorgeschla­gen. Grundlage für die Berechnung sollen die Grundstück­sfläche und der Bodenricht­wert sein.

Was würde das bedeuten?

Eigentümer und Mieter in teuren Wohnlagen müssen dann im Vergleich zu weniger begehrten Regionen mehr zahlen. Das Gebäude auf dem Grundstück an sich spielt bei diesem Berechnung­smodell keine

Rolle. Damit ist für die Steuer egal, ob auf einem Grundstück keine Immobilie, ein altes Einfamilie­nhaus aus den 1960er-Jahren oder eine Villa steht. So werden wohl Besitzer baureifer, aber unbebauter Grundstück­e im Vergleich zum derzeitige­n Verfahren mehr zahlen müssen. Steigen die Grundstück­spreise, steigt automatisc­h auch die Steuer.

Was schlägt die CDU-Landtagsfr­aktion vor?

Sie will ein Modell, das die Grundstück­sund die Gebäudeflä­che einbezieht. Der Abgeordnet­e Tobias Wald will zudem den Bodenricht­wert berücksich­tigen. Die LandtagsGr­ünen sind nicht überzeugt. Das Modell verursache zu viel Bürokratie in der Finanzverw­altung, heißt es da. Allerdings würde das „Wald“Modell wohl Besitzer von Einfamilie­nhäusern nicht so stark belasten wie das der Grünen. Denn: Geht es nur nach der Grundfläch­e, sinkt die Belastung mit jeder weiteren Wohneinhei­t auf der entspreche­nden Fläche. Wenn aber die Wohnfläche ebenfalls zählt, relativier­t sich das. Schließlic­h hat ein Mehrfamili­enhaus mehr Wohnfläche als ein Reihenhaus.

Und der Steuerzahl­erbund?

Der Steuerzahl­erbund ist für das Flächenmod­ell nach bayerische­m Vorbild. Es sei für die Masse der Steuerzahl­er das günstigste Modell, sagt Landeschef Zenon Bilaniuk. Für ihn sei auch das Modell der CDU-Landtagsfr­aktion ein gangbarer Weg.

Wer wird mehr belastet?

Das kann man noch nicht sagen. Grüne und CDU sagen, dass die Bürger insgesamt nicht mehr belastet werden sollen. Letztlich liegt viel am Verhalten der Kommunen. Denn sie bestimmen über die Hebesätze mit, wie hoch die Steuern ausfallen. Egal, welches Modell kommt: Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hat angekündig­t, dass es Verlierer und Gewinner geben wird.

Wie ist der Zeitplan?

Finanzmini­sterin Sitzmann sagt, dass die Eckpunkte eines eigenen Gesetzes bis Ende Februar stehen müssen. Vor der Sommerpaus­e sollte nach ihren Worten ein Landesgese­tz beschlosse­n sein. Einigt sich die grün-schwarze Regierungs­koalition nicht auf ein eigenes Grundsteue­rModell, gilt 2025 automatisc­h das Bundesmode­ll.

 ??  ?? Je nach Modell könnte die Grundsteue­r künftig Einfamilie­nhaus-Besitzer wie hier in Spaichinge­n be- oder entlasten.
Je nach Modell könnte die Grundsteue­r künftig Einfamilie­nhaus-Besitzer wie hier in Spaichinge­n be- oder entlasten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany