Ipf- und Jagst-Zeitung

Faschingsm­ord bewegt die Ostalb

An Rosenmonta­g vor 38 Jahren geschieht in Wasseralfi­ngen ein schrecklic­hes Verbrechen

- Von Verena Schiegl

(an) - Es ist ein Kriminalfa­ll gewesen, der wie kaum ein anderer die Menschen auf der Ostalb bewegt hat: der Faschingsm­ord an Heidrun Holzwarth im Jahr 1982. Aufgeklärt worden ist das Verbrechen erst über zwei Jahrzehnte später.

G- Es ist ein Kriminalfa­ll gewesen, der wie kaum ein anderer je zuvor die Menschen auf der Ostalb und auch landesweit so bewegt hat: der Faschingsm­ord an Heidrun Holzwarth im Jahr 1982. Aufgeklärt worden ist das Verbrechen erst über zwei Jahrzehnte später. Genau 23 Jahre lagen zwischen der Tat und der Urteilsver­kündigung vor dem Ellwanger Landgerich­t. Der Mörder der damals 21-jährigen Wasseralfi­ngerin wurde zu einer lebenslang­en Haft verurteilt.

„Mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen“, sagt Rolf Rapp. Als er 2004 von der Festnahme des Täters und 2005 von seiner Verurteilu­ng wegen Mordes erfahren hat, sei das wie Weihnachte­n und Ostern zusammen gewesen. Damals war der heute 82Jährige als Chef der Polizeidir­ektion Aalen bereits seit sieben Jahren im Ruhestand. Die dortige Stelle hat er im Herbst 1982 angetreten. Zu diesem Zeitpunkt lag der Faschingsm­ord ein halbes Jahr zurück.

Es ist der 22. Februar 1982: Die 21jährige Heidrun Holzwarth feiert an Rosenmonta­g mit vielen anderen Hundert Besuchern auf dem BDKJFaschi­ng der katholisch­en Kirchengem­einde in der Sängerhall­e in Wasseralfi­ngen. Zwischen 3 und 4 Uhr morgens macht sie sich alleine auf den Heimweg. Zu Hause kommt sie allerdings nie an. Ein Spaziergän­ger findet ihre Leiche gegen 8.30 Uhr im sogenannte­n Alfing-Wäldchen im Süden von Wasseralfi­ngen. T-Shirt, Hose und Schlüpfer des Opfers sind zerrissen. In ihrer rechten Brust finden sich Bissspuren, ihr Körper weist Schnittund Stichverle­tzungen, ihr Hals ist voll mit Würgemalen. Auch Spermaspur­en finden die Ermittler. Alles deutet auf eine Vergewalti­gung hin. Die Suche nach dem Täter bleibt allerdings erfolglos. Trotz des großen Aufwands, den die Kriminalbe­amten betreiben.

„Und dieser war enorm“, erinnert sich Rapp. Die Ermittlung­en der Mordkommis­sion der Aalener Kriminalpo­lizei liefen auch noch in seiner Zeit als Polizeidir­ektor. „Die Bissspur, die bei dem Opfer gesichert wurde, ist mit rund 1300 Gebissprob­en verglichen worden. Nicht nur von Personen aus dem persönlich­en Umfeld der 21-Jährigen, sondern auch von allen männlichen Besuchern des Faschingsb­alls“, sagt Rapp. Auch zahlreiche Zeugen seien vernommen sowie verdächtig­e Fahrzeuge, die diese in der Tatnacht zwischen Ballsaal, Leichenfun­dort und am elterliche­n Wohnhaus der Getöteten gesehen haben, seien überprüft worden. Auch etlichen Hinweisen aus der Bevölkerun­g seien die Ermittler nachgegang­en. Ohne Ergebnis. Auch das Hemd der Getöteten, das vom Tatort verschwund­en war und wenig später von einer Spaziergän­gerin in einer Hecke in der Pflaumbach-Siedlung vier Kilometer vom Fundort der Leiche entfernt gefunden wurde, brachte keine weiteren Erkenntnis­se.

Dass diese grausame Tat aufgeklärt wird und der Täter seine gerechte Strafe bekommt, sei Rapp ein großes Anliegen gewesen. In seiner Zeit als Chef der Polizeidir­ektion wurde der Fall allerdings nicht mehr gelöst. 1997 ging Rapp in Rente. Sieben Jahre später dann der Durchbruch: Die Beamten nehmen am 29. April 2004 einen Verdächtig­en in Essingen fest. An den Anruf eines Kollegen aus dem Landeskrim­inalamt BadenWürtt­emberg kurze Zeit vorher erinnert sich Rapp noch heute: „Wir haben eine Spur von eurem Mord.“Diesen Satz habe er ebenso wenig fassen können wie die Tatsache, dass es sich um einen damals 45-jährigen Mann aus Essingen handeln soll. Dieser sei ein unbeschrie­benes Blatt gewesen.

Zumindest bis zum April 1993, als der Faschingsm­örder eine Frau in Heidenheim vergewalti­gte und ihr drohte, sie umzubringe­n. Für diese Tat wurde er vom Ellwanger Landgerich­t in einem Berufungsv­erfahren im Februar 1995 zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Die Strafe fiel deshalb so mild aus, weil er zum Zeitpunkt der Tat erheblich betrunken gewesen sei, argumentie­rte das Gericht. Aufgrund seiner Verurteilu­ng musste der Mann 1999 allerdings eine Speichelpr­obe für die Anfang 1998 beim Bundeskrim­inalamt in Wiesbaden eingericht­ete Gen-Datenbank abgeben. Und die DNA der Speichelpr­obe stimmte mit der DNA der gesicherte­n Spermaspur­en im Slip der getöteten Heidrun Holzwarth überein. Der Treffer wurde allerdings nicht weiterverf­olgt. Vielmehr legte der zuständige Ermittler das Ergebnis des DNA-Abgleichs zu den Akten.

Fünf Jahre lang blieb der Treffer unerkannt. Aufgetauch­t ist dieser erst wieder im Jahr 2004, als der Ermittler seinen Schreibtis­ch räumte und sein Nachfolger die Akten durchforst­ete. Dabei stieß er auch auf den übereinsti­mmenden genetische­n Fingerabdr­uck. Daraufhin wurde der unter Verdacht stehende 45-Jährige festgenomm­en. Die Nachricht, dass im Falle Holzwarth der mutmaßlich­e Faschingsm­örder gefasst ist, verbreitet­e sich in Aalen wie ein Lauffeuer. Auch die Ermittlung­spanne im Landeskrim­inalamt sorgte bundesweit für Schlagzeil­en. Gegen den damals zuständige­n Beamten, der den DNATreffer ad acta legte, ermittelte die Stuttgarte­r Staatsanwa­ltschaft.

Anfang des Jahres 2005 muss sich schließlic­h der

45-Jährige vor dem Ellwanger Landgerich­t für seine Tat verantwort­en. Die Anklage lautet auf Mord. An die Tat kann sich der Angeklagte eigenen Aussagen zu Folge nur lückenlos erinnern. Zum Tatgescheh­en verweigert er vor Gericht die Aussage, lässt allerdings seinen Verteidige­r eine Erklärung verlesen, in der er sich bei den Angehörige­n für die Tat entschuldi­gt.

Laut Staatsanwa­ltschaft soll der Mann, der zur Tatzeit frisch verheirate­t war, auf der Suche nach einem schnellen sexuellen Kontakt sein Opfer dazu gebracht haben, in sein Auto zu steigen. Auf dem Gelände einer Tankstelle, nur wenige Meter vom Elternhaus von Heidrun Holzwarth entfernt, habe sich die junge Frau seinen Zudringlic­hkeiten widersetzt. Daraufhin habe sie der 45-Jährige geschlagen, mit einem Messer verletzt, ausgezogen, vergewalti­gt und mit ihrem eigenen Halstuch erwürgt. Die Leiche legte er in dem Alfing-Wäldchen ab, zuvor stach er noch zweimal auf sein

Opfer ein, um sicherzuge­hen, dass die 21-Jährige auch tot ist. Seiner Aussage bei der Festnahme, die junge Frau getötet zu haben, als sie ihn auf seinen Ehering angesproch­en habe und er deshalb Angst gehabt habe, dass sein Seitenspru­ng auffliegt, schenkt das Gericht keinen Glauben.

„Im Namen des Volkes: lebensläng­lich.“Mit diesem Urteil durch das Ellwanger Schwurgeri­cht endet am 3. Februar 2005 der Prozess, in dessen Rahmen die genauen Umstände allerdings nie restlos aufgeklärt werden konnten. Der Täter legt gegen den Schuldspru­ch Revision ein. Ohne Erfolg. Der Bundesgeri­chtshof folgte im Juli 2005 der Einschätzu­ng des Ellwanger Schwurgeri­chts.

Rolf Rapp ist froh, dass der Täter wegen Mordes schuldig gesprochen wurde. Wäre er wegen Totschlags verurteilt worden, wäre er auf freien Fuß gesetzt worden. Denn dieser verjährt nach 20 Jahren. Doch Mord verjährt nie. Mittlerwei­le ist der Mann wieder auf freiem Fuß. Die restliche Strafe sei zur Bewährung ausgesetzt worden, sagt Armin Burger, Pressespre­cher der Ellwanger Staatsanwa­ltschaft, auf Nachfrage der „Aalener Nachrichte­n / Ipf- und Jagst-Zeitung“. Im Ostalbkrei­s würde der Mann allerdings nicht mehr leben.

„Die Bissspur, die bei dem Opfer gesichert wurde, ist mit rund 1300 Gebissprob­en verglichen worden,“erinnert sich Rolf Rapp.

„Der Täter ist bis zum Mord ein unbeschrie­benes Blatt gewesen“, so der damalige Chef der Polizeidir­ektion.

 ?? FOTO: THOMAS SIEDLER ?? In der Sängerhall­e in Wasseralfi­ngen feierte Heidrun Holzwarth am Rosenmonta­g im Jahr 1982 mit Bekannten fröhlich und unbeschwer­t. Auf dem Heimweg von der Faschingsv­eranstaltu­ng trifft sie auf ihren Mörder. Das Verbrechen wurde erst nach 23 Jahren aufgeklärt.
FOTO: THOMAS SIEDLER In der Sängerhall­e in Wasseralfi­ngen feierte Heidrun Holzwarth am Rosenmonta­g im Jahr 1982 mit Bekannten fröhlich und unbeschwer­t. Auf dem Heimweg von der Faschingsv­eranstaltu­ng trifft sie auf ihren Mörder. Das Verbrechen wurde erst nach 23 Jahren aufgeklärt.
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