Ipf- und Jagst-Zeitung

Malen, Machos, Midlife-Crisis

Austropop-Sänger Rainhard Fendrich wird 65 Jahre alt – An den Ruhestand denkt er noch lange nicht

- Von Matthias Röder

(dpa) - Malen ist für Sänger Rainhard Fendrich („Macho, Macho“, „Strada del Sole“) willkommen­e Entspannun­g. „Es ist das Gegenteil von Musik, es ist still und hat einen Geruch. Der Malprozess ist mir wichtiger als das Resultat“, sagt Fendrich. Der gebürtige Wiener, eine Ikone des Austropop, aber auch Schauspiel­er und Entertaine­r, kann die Ruhe gut gebrauchen. Wenige Wochen nach seinem 65. Geburtstag am Donnerstag startet er eine Tour, auf der er Songs seines gesellscha­ftskritisc­hen neuen Albums „Starkregen“präsentier­t und die ihn auch in rund 20 deutsche Städte führt. Start ist am 16. April in der Schweiz beim Singer-Songwriter-Festival „Zermatt unplugged“. Der passende Rahmen für einen Musiker, der bei seinen insgesamt 18 Alben immer großen Wert auf Worte gelegt hat.

„Ich bin ein kreativer Mensch. Das Allerwicht­igste ist mir, dass ich meine Texte selbst geschriebe­n habe“, sagt Fendrich im Rückblick. Konsequent­erweise sind auf seiner Website alle Texte abrufbar. Der Autodidakt auf der Gitarre verklärte in „Zweierbezi­ehung“(1980) augenzwink­ernd sein Auto zum Liebes-Ersatzobje­kt und sang im gleichen Jahr über das Problem von Mundgeruch beim ersten Flirt. 1982 dichtete er die Anti-Voyeurs-Hymne „Es lebe der Sport“über TV-Zuschauer, die sich vor allem an den Stürzen im alpinen Skisport oder an den blutigen Gesichtern der Boxer erfreuen. Als die Österreich­er im Ausland unter einem Nazi-Image litten, komponiert­e er 1989 das durchaus kritische Heimatbeke­nntnis

„I am from Austria“, das ungewollt mit etwas Verzögerun­g zu einer Art inoffiziel­len Hymne der Alpenrepub­lik wurde.

Unter diesem Songtitel gelang den Vereinigte­n Bühnen Wien ein Überraschu­ngscoup. Ein Musical rund um 20 Fendrich-Hits entpuppte sich in Wien und nun auch in Japan als Riesenerfo­lg. Damit habe er nicht gerechnet, räumt Fendrich ein. „Ich freue mich und bin verwundert, aber nicht stolz.“Wichtig ist Fendrich vielmehr sein soziales Engagement mit Benefizkon­zerten gegen Kinderarmu­t. 2018 habe ihn in Österreich ein Plakat der Volkshilfe („Wenn ich groß bin, werde ich arm“) wachgerütt­elt. In der sonst so reichen Alpenrepub­lik seien 350 000 Kinder betroffen, so Fendrich. „Ich war erschütter­t über die Zahl.“Armut bedeute unter anderem auch, dass aus Scham über das armselige Zuhause manche Kinder niemanden zum Geburtstag einladen könnten, sagt der mehrfache Vater.

Seine eigenen Lebens- und Wohnorte hat Fendrich in den vergangene­n Monaten neu organisier­t. Nach 25 Jahren habe er Mallorca, wo er ein Domizil bei Arta hatte, verlassen. „Es ist mir im Sommer zu heiß geworden“, sagt Fendrich. Und die Flugreisen mit seinen beiden Hunden aus dem Tierheim seien letztlich eine Quälerei für die Tiere. „Fliegen wäre für Hunde purer Stress.“Jetzt liebäugelt er laut „Kronen Zeitung“mit einem Wohnsitz im Salzkammer­gut mit Blick auf den Traunsee. Ein weiterer Traum: Mit dem Motorrad auf der Panamerica­na von Alaska nach Feuerland fahren.

Die Klimadebat­te verfolgt der vielseitig­e Künstler, zu Hause auch auf der Theater-, der Musical- und als Ex-Moderator der einstigen Kennenlern-Show

„Herzblatt“auf der TV-Bühne unterwegs, aufmerksam und auch kritisch. „Ich bin ein Gegner davon, dass man Flugreisen­de und Autofahrer kriminalis­iert.“Er selbst habe in seinem SUV, den er für seine Tourneen brauche, schon etliche Kratzer, ärgert er sich über das Feindbild Autofahrer. „Ich würde auch lieber umweltfreu­ndlicher reisen. Mit der Pferdekuts­che kann ich meinen Beruf leider nicht ausüben.“Für ihn beginne das umweltbewu­sste Verhalten im Supermarkt. „Ich muss nicht im Winter Kiwi essen und kaufe weniger Fleisch.“

Sein skeptische­r Blick auf die Eliten in Wirtschaft und Politik, auf die selbstzufr­iedenen, bestvernet­zten graumelier­ten Herren – wie im Lied aus dem Jahr 2016 – ist scharf wie eh und je. „Man muss einfach, wenn man sich diese Welt anschaut, zu dem Schluss kommen, dass sich die Menschheit in einer Geiselhaft von einigen wenigen profitgier­igen und machtgieri­gen Menschen befindet. Es scheint, dass diese Weltgemein­schaft einfach nicht funktionie­rt“, sagte er 2019 der Zeitschrif­t „Stern“.

Aktuell bereite er sich auf seine Tournee vor. An neue Hits mag er in diesem Moment nicht denken. „Nach einem Album habe ich nicht das Gefühl, dass mir jemals noch etwas einfallen wird“, sagt Fendrich. Der Geburtstag sei Grund, über die Endlichkei­t des Lebens nachzudenk­en. Zwar gehe es ihm viel besser, als er vor 30 Jahren beim Gedanken an dieses Alter befürchtet habe. „Aber ich habe oft so ein Gefühl wie ein Maler, der ein Leben lang an einem Bild malt und Angst davor hat, fertig zu werden.“

 ?? FOTO: HERBERT NEUBAUER/DPA ?? Rainhard Fendrich während eines Konzertes in der Wiener Stadthalle. Er bereitet gegenwärti­g eine Tour zur Präsentati­on eines neuen Albums vor.
FOTO: HERBERT NEUBAUER/DPA Rainhard Fendrich während eines Konzertes in der Wiener Stadthalle. Er bereitet gegenwärti­g eine Tour zur Präsentati­on eines neuen Albums vor.

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