Ipf- und Jagst-Zeitung

Die Lehren aus Thüringen

- Von Claudia Kling c.kling@schwaebisc­he.de

Jetzt sind die Dinge doch wieder im Lot, könnte man meinen: Bodo Ramelow, dessen Partei die Linke die meisten Stimmen bei der Landtagswa­hl in Thüringen geholt hat, ist wieder Ministerpr­äsident. Die AfD hat bei der Wahl für ihren eigenen Kandidaten gestimmt. Und diejenigen, die weder Ramelow noch Björn Höcke als Regierungs­chef wollten, haben sie nicht gewählt. Das absurde Polit-Theater à la Erfurt ist also eher unspektaku­lär zu Ende gegangen. Die Thüringer Bürger können nun darauf hoffen, bei schwierige­n Mehrheitsv­erhältniss­en wenigstens ein Jahr lang ohne Neuwahlen regiert zu werden. Doch die Demokratie hat unter diesen Vorgängen rund um die Ministerpr­äsidentenw­ahl gelitten. Das wird nachwirken.

Denn bei alledem, was in den vergangene­n Wochen passiert ist: In Thüringen wurde nur offenbar, was schon lange unter der Oberfläche gebrodelt hat. Die demokratis­chen Parteien der Mitte ringen um ihre Ausrichtun­g – und wirken weitgehend hilflos, wenn sie offensicht­lich von der AfD aufs Glatteis geführt werden. Auch die CDU, die wahlweise schadenfro­h oder mitleidig auf ihren kleinen Koalitions­partner SPD geblickt hat, musste sich inzwischen eingestehe­n, dass sie schon längst eine zerrissene Partei ist. Nun wird fast verbissen darum gerungen, wer nach dem Rückzug von Annegret KrampKarre­nbauer vom Vorsitz künftig den Kurs angibt. Dabei geht es um nichts anderes als um die Frage, ob und wie weit die Partei sich künftig nach rechts öffnen wird, um regierungs­fähig zu bleiben.

Aber auch das hat Thüringen gezeigt: Die Gefahr, politische Glaubwürdi­gkeit zu verspielen, wächst mit der Wankelmüti­gkeit im Umgang mit der AfD. Die CSU hat diese Lektion bereits bei der Landtagswa­hl 2018 in Bayern gelernt – und ist seither nahezu Vorreiter, wenn es um die Abgrenzung nach rechts geht. Die FDP hat etwas länger gebraucht. Bodo Ramelow hat nach seiner Wahl Höcke den Handschlag verwehrt. Das war nicht höflich. Aber vielleicht ist das der richtige Umgang mit einer Partei, die nichts anderes im Sinn hat, als die Demokratie zu untergrabe­n.

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