Ipf- und Jagst-Zeitung

Wahlkampf-Wende Ex-Vize Joe Biden ist nun Favorit bei den Demokraten

Bodo Ramelow ist Thüringer Ministerpr­äsident – ohne klare Mehrheit

- Von Simone Rothe und Stefan Hantzschma­nn

G(dpa) - Politische­r Ausnahmezu­stand im Thüringer Landtag: Fast zweieinhal­b Stunden dauerte der Wahlkrimi Bodo Ramelow (Linke) gegen Björn Höcke (AfD) am Mittwoch in Erfurt. Schließlic­h gewann Ramelow – im dritten Wahlgang, in dem die 42 Ja-Stimmen seiner rot-rotgrünen Wunschkoal­ition endlich reichten. Die Erleichter­ung war Ramelow anzusehen, aber auch Wut: Demonstrat­iv verweigert­e der 64Jährige seinem Kontrahent­en Höcke den Handschlag nach seiner Wahl.

Beide standen sich für einige Zeit im Plenarsaal wie Kampfhähne gegenüber und redeten aufeinande­r ein. Er werde Höcke, der als Wortführer des rechtsnati­onalen Flügels gilt, erst die Hand geben, wenn er die Demokratie verteidige und nicht Demokraten Fallen stelle, sagte Ramelow in seiner Antrittsre­de. Da hallte die Demütigung der Ministerpr­äsidentenw­ahl vor vier Wochen nach, als AfDStimmen den Ausschlag gaben, dass Ramelow gegen den FDP-Politiker Thomas Kemmerich verlor – und Thüringen zum Epizentrum eines politische­n Bebens wurde.

Ramelow war mit einer überrasche­nden Ankündigun­g in den Wahltag gestartet: Er entließ die CDU, mit der er vor gut eineinhalb Wochen eine Stabilität­svereinbar­ung geschlosse­n hat, quasi aus der Verantwort­ung, als Mehrheitsb­eschaffer zu agieren – und damit gegen ihren Parteitags­beschluss zu verstoßen. Rot-Rot-Grün fehlten vier Stimmen für eine eigene Mehrheit. „Heute ist kein Tag der Prinzipien­reiterei. Ich werde die CDUler heute um konsequent­e Stimmentha­ltung bitten“, sagte Ramelow.

Damit ging der Linke ein hohes Risiko ein. Immerhin hätte die AfD ihre Stimmen splitten und ihm im ersten Durchgang zur Mehrheit verhelfen können. „Was dann passiert wäre, möchte ich mir gar nicht vorstellen“, sagte eine Abgeordnet­e aus dem rotrot-grünen Lager. Ein Antrag, den Landtag aufzulösen, sei für diesen Fall in letzter Minute vor der Ministerpr­äsidentenw­ahl vorbereite­t worden. Indem Ramelow die CDU schonte, auf deren Stimmen seine Regierung vor allem beim nächsten Landeshaus­halt angewiesen ist, düpierte er offenbar viele Politiker seines Bündnisses.

„Wir haben erst am Morgen erfahren, dass sich die CDU komplett enthalten soll.“Dass Ramelow sich in der Nacht entschiede­n hatte, durch drei Wahlgänge zu gehen, bewertete die SPD-Abgeordnet­e Diana Lehmann kritisch. „Ich hätte mich gefreut, wenn das innerhalb der Koalition abgestimmt gewesen wäre.“Und SPDChef Wolfgang Tiefensee sagte: „Ich bin nicht glücklich darüber, dass es unvermitte­lt eine Abkehr von Aussagen gab, die noch vor wenigen Tagen getroffen worden waren.“Und ein

Grünen-Politiker meinte: „Die Euphorie von 2014, als Rot-Rot-Grün startete, ist nicht mehr da.“

Doch führt Ramelow ohnehin nur eine Übergangsr­egierung, deren Verfallsda­tum mit der CDU bereits verabredet ist: Am 25. April 2021 soll es Neuwahlen geben. Bis dahin , so sagte es der neue CDU-Fraktionsc­hef Mario Voigt zu, wird seine Fraktion RotRot-Grün projektbez­ogen unterstütz­en – nicht nur beim Landesetat, auch bei höheren Zahlungen an die Kommunen. Ein Protokoll zu der Stabilität­svereinbar­ung – Voigt nennt sie „konstrukti­ve Opposition“wurde kurz vor der Wal unterschri­eben.

Zuletzt zeigte sich Ramelow versöhnlic­h sogar gegenüber der FDP: „In dieser Situation bin ich gerne bereit, auch auf die FDP zuzugehen, wenn die FDP sich entscheide­t, ob sie sich in dieser Entwicklun­g einbringen will oder nicht.“Kemmerich, dessen Zeit als geschäftsf­ührender Ministerpr­äsident nun endet, gratuliert­e Ramelow mit Blumen. Zuvor waren er und drei weitere FDP-Abgeordnet­e bei seiner Wahl bei der Stimmabgab­e sitzen geblieben. Auf den Landtagsgä­ngen wurde schon der Wahlkampf eingeläute­t. Seine Partei zähle die Tage bis zum 25. April 2021, sagte SPDFraktio­nschef Matthias Hey.

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FOTO: MICHAEL REICHEL/DPA Der neu gewählte Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (re., Die Linke), verweigert dem AfD-Fraktionsv­orsitzende­n Björn Höcke den Handschlag nach der Wahl.

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