Den Demokraten steht ein turbulenter Zweikampf bevor
Joe Biden ist der Sieger des Super Tuesdays bei den US-Vorwahlen – Dafür gibt es mehrere Gründe
G- Im Glücksgefühl schoss Joe Biden dann doch ein wenig übers Ziel hinaus. „Man hat mir gesagt, nach dem Super Tuesday ist es für dich vorbei. Nun, vielleicht ist es jetzt für den anderen Burschen vorbei“, rief er seinen Anhängern am Abend der Wahl in einer Basketballhalle in Los Angeles zu.
Mit dem anderen Burschen war Bernie Sanders gemeint: der Linkspolitiker, der gehofft hatte, im Kampf um die demokratische Präsidentschaftskandidatur eine Vorentscheidung zu erzwingen – also so viele Delegiertenmandate einzusammeln, dass er kaum noch einzuholen wäre. Biden hat ihn nicht davonziehen lassen. Er hat sich zurückgekämpft, viel überzeugender, als es die Meinungsforscher noch vor einer Woche für möglich gehalten hatten. Seit dem Super-Dienstag, an dem in 14 Bundesstaaten Vorwahlen stattfanden, ist er unangefochten der Kandidat, auf den sich der moderate Parteiflügel geeinigt hat, um dem demokratischen Sozialisten Sanders Paroli zu bieten. Von nun an wird sich der 77Jährige ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem 78 Jahre alten Rivalen liefern. Sanders wiederum hat keinerlei Grund, das Handtuch zu werfen – auch wenn Biden in der Euphorie des Moments genau dieses Szenario an die Wand malte.
Wie schon am Samstag in South Carolina hat der ehemalige Vizepräsident in Staaten gewonnen, in denen Afroamerikaner an der Basis der Demokraten die Mehrheit bilden oder zumindest eine gewichtige Größe sind. In Alabama, Arkansas, North Carolina, Tennessee und Virginia entschied er das Duell gegen den linken Senator aus dem Nordosten der
USA eindeutig für sich. Zudem profitierte er davon, dass seine vormaligen Kontrahenten Pete Buttigieg und Amy Klobuchar, die für eine ähnlich pragmatische Politik stehen wie er, nicht nur die Segel gestrichen haben – sondern Biden auch explizit zur Wahl empfohlen haben.
Dem Schulterschluss hat Biden weitere Überraschungscoups zu verdanken, den ersten Platz in Minnesota, der Heimat Klobuchars, wie auch den Sieg im Texas, wo ihm der charismatische Ex-Abgeordnete Beto O‘Rourke in letzter Minute den Rücken stärkte.
Sein schärfster Widersacher gewann – außer in seinem Heimatstaat Vermont – in Colorado und Utah. Auch in Kalifornien, wo erst in einigen Tagen mit einem Endergebnis zu rechnen ist, lag Sanders vorn. Allein im Golden State am Pazifik waren 415 Delegiertenmandate für den Nominierungsparteitag
zu vergeben, mehr als irgendwo sonst.
Sanders könnte Bidens Vorteil also noch ausgleichen. Seine Hausmacht bilden Latinos, in Kalifornien überproportional vertreten, Unter-40-Jährige und naturgemäß linke Demokraten. Allerdings, auch das offenbarte der Super Tuesday, ist es ihm bislang kaum gelungen, diese Basis zu erweitern.
Nächste Woche, bei der Primary in Michigan, der ersten im Rostgürtel der alten Industrie, hofft Sanders, Biden in einem Milieu zu besiegen, in dem eine frustrierte Arbeiterschaft noch immer mit Freihandelsabkommen hadert, gegen die er selber jahrelang angeredet hatte. Kein Wunder, dass Sanders noch in der Wahlnacht seine Polemik verschärfte. Als Senator, rief er in Erinnerung, habe Biden nicht nur „für den Krieg im Irak“, sondern auch für „desaströse“
Handelsverträge gestimmt, in deren Folge Millionen von Amerikanern gut bezahlte Jobs verloren hätten. Denkbar ist nun, dass sich das Kräftemessen zwischen den beiden Veteranen bis zum Sommer hinzieht, keiner von beiden die absolute Mehrheit der Delegierten erreicht – und dass im Juli in Milwaukee zum ersten Mal seit 1952 ein Nominierungskongress im Zeichen turbulenter Kampfabstimmungen steht.
Einer, der bis zum Schluss durchhalten wollte, ist nicht mehr dabei. Michael Bloomberg hat mehr als 500 Millionen Dollar für Wahlwerbung ausgegeben, in der Hoffnung, am Dienstag groß aufzutrumpfen. Tatsächlich fand er bestätigt, was ihm seine Gegner seit Wochen unter die Nase reiben: Eine Wahl kann man nicht einfach kaufen. Am Mittwoch zog sich der Ex-Bürgermeister New Yorks aus dem Rennen zurück.