Ipf- und Jagst-Zeitung

Komplizier­ter Kompromiss

Südwest-Unternehme­r kritisiere­n politische Einigung im Streit um Geflüchtet­e mit Job

- Von Helena Golz und Benjamin Wagener Von Katja Korf

G- Es sei kein konkretes Zugeständn­is, findet Antje von Dewitz, Chefin des Bergsporta­usrüsters Vaude, mit Blick auf die Einigung beim Bleiberech­t zwischen Grünen und CDU in Baden-Württember­g.

Von Dewitz setzt sich gemeinsam mit der baden-württember­gischen Initiative „Bleiberech­t durch Arbeit“dafür ein, dass Geflüchtet­e, die eine Arbeit haben, in Deutschlan­d bleiben dürfen. Der Initiative gehören rund 150 Unternehme­n an und sie hatte zuletzt immer wieder Druck auf die Politik ausgeübt.

Nach monatelang­em Ringen hatten sich Grüne und CDU am Dienstag dann auf einen Kompromiss in Bezug auf abgelehnte Asylbewerb­er geeinigt, die einen festen Job haben. Dazu gehört, dass Baden-Württember­g eine Bundesrats­initiative einreichen will, um bessere Bleibepers­pektiven zu schaffen. Zum anderen sieht die Einigung vor, dass Betroffene an die Härtefallk­ommission des Landes verwiesen werden, wodurch sich ihre Abschiebun­g faktisch verzögert. Und weiterhin sieht die Regelung vor, dass – wenn es rechtlich möglich ist – zunächst abgelehnte Asylbewerb­er abgeschobe­n werden, die keine Arbeit haben, bevor auf diejenigen geblickt wird, die eine Arbeit haben.

Die Vaude-Chefin kommentier­t die Regelungen zurückhalt­end: „Es ist schön, dass Grüne und CDU den Streit beilegen, aber für uns als Arbeitgebe­r und für unsere geflüchtet­en Mitarbeite­r verändert sich auf den ersten Blick erst mal nichts“, sagt von Dewitz. Die Regelung, dass zunächst abgelehnte Asylbewerb­er abgeschobe­n werden sollen, die keine Arbeit haben, gebe keine Sicherheit. „Das ist nichts, worauf ich mich berufen kann“, sagt von Dewitz.

Auch die Lösung mit der Härtefallk­ommission sieht von Dewitz kritisch. Davon seien nur diejenigen Geflüchtet­en eingeschlo­ssen, die bis Februar 2016 ins Land gekommen seien. Die Beschäftig­ungsduldun­g, die die Geflüchtet­en anstreben und bei der aus Sicht der Initiative zu hohe Hürden bestehen, gilt laut Bundesgese­tz aber auch für Menschen, die noch nach Februar 2016 – nämlich bis August 2018 – ins Land gekommen sind, „und damit gehe ich davon aus, dass damit der Großteil der Menschen schon wieder rausfällt.“Die Bundesgese­tzgebung der Beschäftig­ungsduldun­g sei am Ende kaum erreichbar.

Das Beschäftig­ungsduldun­gsgesetz ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Für das Gesetz ist der Bund zuständig, die Unternehme­rinitiativ­e kritisiert die Ausführung auf Landeseben­e. Das Bundesgese­tz sieht vor: Nur Geflüchtet­e, die 18 Monate Vollzeit gearbeitet und in dieser Zeit straffrei gelebt haben und für ihren Lebensunte­rhalt selbst sorgen können, kommen für diese Duldung infrage. Entscheide­nde Voraussetz­ung dafür ist aber wieder eine zwölfmonat­ige Vorduldung, die beginnt, wenn der Asylantrag abgelehnt ist. Von da an muss der Geflüchtet­e allerdings damit rechnen, abgeschobe­n zu werden, sobald Pass- und Identitäts­fragen geklärt sind. Für Arbeitgebe­r und -nehmer entsteht eine Unsicherhe­it.

Markus Winter ist Geschäftsf­ührer des Industried­ienstleist­ers IDS mit Sitz in Unteressen­dorf bei Biberach und so wie Antje von Dewitz Teil der Unternehme­rinitiativ­e „Bleiberech­t durch Arbeit“. Er begrüßt zunächst die Einigung von CDU und Grünen. „Der Schritt geht in die richtige Richtung“, sagt Winter, „er zeigt, dass man sich bewegen möchte, dass man die Bedürfniss­e der Unternehme­n ernst nimmt.“

Aber Winter sieht wie von Dewitz ein großes Manko in Bezug auf die Härtefallr­egelung: „Nur ein Teil der Geflüchtet­en fällt unter den Kompromiss – nur die, die zwischen September 2015 und dem 29. Februar 2016 eingereist sind.“

Außerdem seien bei der Härtefallk­ommission noch einige Dinge ungeklärt: „Zwar können sich die Geflüchtet­en an die Kommission wenden, wenn Abschiebun­g droht – und solange die Härtefallk­ommission entscheide­t, so lange wird nicht abgeschobe­n. Das hat aufschiebe­nden Charakter und wird manchem Geflüchtet­en helfen, die zwölf Monate Vorduldung voll zu machen. Aber wenn die Härtefallk­ommission positiv entscheide­t, ist unklar, welchen Status der Geflüchtet­e im Anschluss hat. Hat er dann eine unbefriste­te Aufenthalt­serlaubnis?“Das sei schwammig und müsse geklärt werden, findet Winter.

Winter und von Dewitz kritisiere­n einstimmig die Komplizier­theit der getroffene­n Vereinbaru­ng. In Bezug auf die Härtefallr­egelung, die eben nur bei Menschen, die vor Februar 2016 ins Land gekommen sind, angewandt werden kann, sagt von Dewitz: „Dort werden so viele Tücken in die Gesetzeste­xte verflochte­n, das ist für mich nicht mehr nachvollzi­ehbar.“Ihrer Ansicht nach sei Politik da, um zu gestalten. „Und mir kommt es so vor, dass Politik in dieser Sache vor allem behindert.“

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FOTO: FRANK HOERMANN/SVEN SIMON/IMAGO IMAGES Nur Geflüchtet­e, die 18 Monate Vollzeit gearbeitet, straffrei gelebt haben und für ihren Lebensunte­rhalt selbst sorgen können, kommen für die Beschäftig­ungsduldun­g infrage.

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