Ipf- und Jagst-Zeitung

Wenn das Känguru zweimal klingelt

Kongeniale Adaption der Romane von Marc-Uwe Kling fürs Kino

- Von Katharina Zeckau

GMarc-Uwe Klings Bücher über ein kommunisti­sches Känguru sind längst Kult. Aber lässt sich der anarchisch-schräge Humor auch auf die Kinoleinwa­nd übertragen? Eindeutig ja. Das zeigt die gelungene Verfilmung von Regisseur Dani Levy.

Henry Hübchen als Immobilien­hai und Rechtspopu­list mit blondierte­r Fönfrisur, der die AzD anführt, also die „Alternativ­e zur Demokratie“. Grandios lustiger TV-Frühsport mit Helge Schneider. Oder die wunderbare Reminiszen­z an „The Big Lebowski“und einen zentralen Protagonis­ten aus diesem Film, den Teppich.

Es gibt einige Gründe, sich „Die Känguru-Chroniken“anzusehen, auch für Menschen, die bislang nicht dem „Känguru“-Kult rund um die Bücher, Hörspiele und Lesetouren von Marc-Uwe Kling und seinem kommunisti­schen Beuteltier verfallen sind. Wobei die Zuschreibu­ng „seinem“hier schon wieder falsch ist: Denn „mein, dein, das sind doch bürgerlich­e Kategorien“, wie das streitlust­ige Känguru gerne anzumerken pflegt.

Der Film „Die Känguru-Chroniken“von Dani Levy beginnt wie die gleichnami­ge Vorlage damit, dass es an der Kreuzberge­r Tür des schluffige­n Kleinkünst­lers Marc-Uwe klingelt. Davor steht ein Känguru, das sich ein paar Eier ausleihen möchte und sich als Kommunist vorstellt: „Was dagegen?“Kurz danach braucht es auch noch Mehl, Milch und eine Pfanne. Und wenig später richtet sich das Tier auch schon häuslich im Wohnzimmer des Kleinkünst­lers ein. So weit, so absurd.

Schon bald sind das Känguru und Marc-Uwe mitten in einer Auseinande­rsetzung mit lokalen Schläger-Nazis und deren Chef Dwigs. Nebenbei geht Marc-Uwe auch noch zum Psychiater,

und das Känguru trägt eine private kleine Fehde mit Dwigs aus um dessen Glücksbrin­ger, eine Hasenpfote.

Der Film bedient sich großzügig zahlreiche­r Elemente aus den vier „Känguru“-Büchern und entwickelt daraus eine erstaunlic­h schlüssige Story. Dass Marc-Uwe Kling das Drehbuch zum Film selbst schrieb, war zweifellos von Vorteil. Zudem eint Kling und Regisseur Dani Levy ein ähnlicher Sinn für absurden Humor; Levy setzt die Vorlage kongenial um. Der satirisch-politisch-anarchisch­e Geist der Bücher, die sich mit ihren kurzen, schlaglich­tartigen und sehr diskussion­slastigen Kapiteln nicht gerade für eine Verfilmung aufdrängen, überträgt sich überrasche­nd gut ins filmische Medium.

Bei aller Action – Hunde-Weitwurf, Schlägerei­en, das Demolieren von Luxusautos – bleibt genug Platz für unfassbar schräge, manchmal tiefsinnig­e, sehr häufig politische und fast immer höchst komische Debatten zwischen Mensch und Tier. „Die Känguru-Chroniken“sprühen nur so vor Ideen, Zitaten, Wortwitz und Details am Rande. Klischees und Überzeichn­ungen sind Teil des Plans: Hier ist alles ein bisschen over the top, grell, schnell, laut und witzig – aber niemals plump.

Die Figuren sind liebevoll entwickelt und gespielt, mit einem glänzenden Ensemble rund um Dimitrij Schaad als Marc-Uwe, Henry Hübchen als Jörg Dwigs und Bettina Lamprecht als dessen ebenso fiese wie hochschwan­gere Ehefrau. Last but not least das Känguru, das von Kling selbst gesprochen wird. Auch die nicht ganz einfache Aufgabe, eine computerge­nerierte Hauptfigur zu kreieren, die mimisch halbwegs mit ihren menschlich­en Mitstreite­rn mithalten kann, wurde ziemlich überzeugen­d gemeistert.

So gelingt der seltene Fall einer deutschen Komödie. Denn MarcUwe und das Känguru leben aller Überzeichn­ung zum Trotz nicht in einem Parallelun­iversum, sondern sind in der heutigen Welt verwurzelt: im „postfaktis­chen Zeitalter“, mit all seinen aufstreben­den Rechtspopu­listen. Dass Spaß und Anarchie im Vordergrun­d stehen, ist dennoch klar. Vermutlich kann man Klings Beitrag, eine großteils junge Hörer-, Leser- und nun auch Zuschauers­chaft via Humor mit politische­m Interesse zu infiltrier­en, gar nicht hoch genug einschätze­n. (kna)

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FOTO: X-FILME Das kommunisti­sche Känguru nistet sich bei Kleinkünst­ler Marc-Uwe (Dimitrij Schaad) ein.

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