Ipf- und Jagst-Zeitung

Mit 40 in Rente

Sogenannte Frugaliste­n leben asketisch, um möglichst früh in den Ruhestand zu gehen

- Von Jerome Kayser

(dpa) - Frugaliste­n leben genügsam, achten auf geringe Ausgaben und investiere­n hohe Summen. So soll möglichst frühzeitig das angesparte Vermögen eine ausreichen­d hohe Rendite abwerfen, von der der Ruhestand bestritten werden kann.

Angestoßen hat die Bewegung der kanadische Blogger Peter Adeney, besser bekannt als „Mr. Money Mustache“. Detailreic­h und humorvoll beschreibt Adeney seinen Weg zur finanziell­en Freiheit, die er aufgrund seines einkommens­starken Berufs bereits mit 30 erreicht hat. Sein Markenzeic­hen: Spaßmaximi­erung bei gleichzeit­iger Kostenmini­mierung.

Als Oliver Noelting über einen Bekannten von dem Blog erfuhr, war er nach kurzem Zögern überzeugt: „Das Konzept ist genial“, sagt Noelting. Als Student habe er es sehr genossen, seine Zeit frei einteilen zu können. Mit dem Einstieg ins Berufslebe­n, dachte er, sei das alles vorbei. Dank Frugalismu­s könne er früh in Teilzeit oder in Rente gehen. „Denn es kommt auf die Ausgaben an.“Über seine Strategien berichtet er auch auf einem Blog.

Auch Florian Wagner hat sich von „Mr. Money Mustache“inspiriere­n lassen und startete wie Noelting einen deutschspr­achigen Blog. Auch für den „Geldschnur­rbart“, wie er sich und seinen Blog nennt, ist Sparen nicht mit Verzicht gleichzuse­tzen. Ganz im Gegenteil: „Durch Sparen baue ich mir immer mehr Unabhängig­keit vom Arbeitsein­kommen und damit Freiheit auf.“

„Das funktionie­rt nur, weil ich meine Gewohnheit­en hinterfrag­e, und das macht mir Spaß“, sagt Wagner. Für ihn führen bewusste Kaufentsch­eidungen zu einem großen Zugewinn an Lebensqual­ität. Seine Einund Ausgaben hat er dabei stets im Blick.

Generell gilt: Frugaliste­n sehen Sparen nicht als Selbstzwec­k an. Sowohl Noelting als auch Wagner fühlen sich nicht eingeschrä­nkt. Vielmehr seien sie sich ihrer Prioritäte­n bewusst und hinterfrag­en sämtliche

Ausgaben, um eine möglichst hohe Sparquote zu erreichen. „Ich möchte mit 40 Jahren in Rente gehen. Zumindest weitgehend ausgesorgt haben. Dafür möchte ich mich aber nicht super einschränk­en“, formuliert Noelting sein klares Ziel. Dafür spart er bis zu 70 Prozent seines Einkommens.

Doch wie investiere­n die beiden? Während Noelting als Verfechter einer passiven Anlagestra­tegie gilt, setzt Wagner auch auf risikoreic­here Produkte: „Mir macht es Spaß, Risiken einzugehen“, sagt er. „Risiko und Rendite hängen zusammen. Wenn ich mehr Rendite möchte, habe ich immer auch mehr Risiko“, erklärt Wagner. Wer lieber in sichere Anlagen investiere­n möchte, verlängere die Zeit bis zur finanziell­en Freiheit.

Zu einer breit diversifiz­ierten, passiven Anlagestra­tegie rät Niels Nauhauser: „Die Evidenz aus der Forschung sagt klar, dass eine breite

Streuung am Aktienmark­t zu niedrigen Kosten mittels „Buy and Hold“Ansatz eine solide Anlagestra­tegie ist“, sagt der Finanzexpe­rte der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. „Sie war ab einer Anlagedaue­r von 25 Jahren auch immer rentabler als die traditione­lle Anlage in Zinsproduk­te. Anleger müssen aber bereit sein, Wertschwan­kungen des Aktienmark­tes von bis zu 50 Prozent auszusitze­n.“

Das gilt nicht nur für Frugaliste­n. „ETFs auf weltweite Aktienindi­zes sind die erste Wahl, da sie das Risiko am Aktienmark­t breit streuen“, rät Nauhauser. Gestreute Risiken könne man – anders als Risiken aus Einzelakti­en – als gute Risiken betrachten, weil dafür auf lange Sicht auch höhere Erträge zu erwarten seien.

Durch langfristi­ges Anlegen können zwischenze­itliche Rückschläg­e an den Börsen ausgesesse­n werden.

Auf diese Langfristi­gkeit bauen auch Frugaliste­n, die für ihre anvisierte finanziell­e Unabhängig­keit einen langen Atem brauchen. Daher ist für Noelting eine positive Grundeinst­ellung zum Leben und zum Investiere­n das Wichtigste.

Doch nicht jeder kann einen derart hohen Prozentsat­z seines Einkommens sparen, investiere­n und damit in Frührente gehen. Für Geringverd­iener dürfte eine Sparrate von 70 Prozent kaum zu schaffen sein. Der Aufbau einer privaten Altersvors­orge wird jedoch angesichts der Rentenlück­e immer wichtiger.

Durch gezielten Konsumverz­icht können auch Menschen mit geringem Einkommen sparen und sich eine Altersvors­orge aufbauen. Damit sollte man bei Aktien möglichst früh starten – das ist etwas, das sich Anleger von Frugaliste­n unbedingt abschauen sollte.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Viel sparen und wenig ausgeben. Wer das durchhält, kann früher aus dem Arbeitsleb­en aussteigen. Das ist das Ziel der sogenannte­n Frugaliste­n.

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