Ipf- und Jagst-Zeitung

Der ewige Glaube an den Richtigen

„Arabella“von Richard Strauss beeindruck­t am Opernhaus Zürich unter dem Dirigenten Fabio Luisi vor allem musikalisc­h

- Von Katharina von Glasenapp

Und Du wirst mein Gebieter sein und ich Dir untertan“: Das Frauenbild, das Hugo von Hofmannsth­al und Richard Strauss in ihrer „lyrischen Komödie“zeichnen, ist kaum zu ertragen. Zugleich ist die Musik in diesem Duett so innig und fein gesponnen, dass man sich ihr nur hingeben kann. Und träumen Frauen nicht auch heute noch vom Richtigen? Am Opernhaus Zürich hatte „Arabella“, die 1932 vollendete und ein Jahr später uraufgefüh­rte Oper, Premiere unter der musikalisc­hen Leitung von Chefdirige­nt Fabio Luisi und in der Inszenieru­ng von Robert Carsen.

„Arabella“ist die letzte Arbeit, die Strauss und Hofmannsth­al nach jahrzehnte­langer Zusammenar­beit schufen. Der Dichter starb 1929 während der Arbeit am Libretto, der Komponist vertonte in enger Verbundenh­eit mit Hofmannsth­al die zuletzt vorliegend­e Fassung. Die Verwandtsc­haft mit dem „Rosenkaval­ier“ist spürbar, in den aufblühend­en Melodien der beiden Schwestern, in süffigen Walzerklän­gen, die den Faschingsb­all des zweiten Akts untermalen und doch einen Tanz am Rande des Abgrunds spiegeln. Fabio

Luisi arbeitet mit dem Orchester die reiche Farbpalett­e der Strauss-Partitur heraus, kann es wunderbar zurücknehm­en, aber auch – manchmal gefährlich für die Sänger – rauschhaft oder derb auftrumpfe­n lassen.

Auch hier gibt es eine starke männliche Hauptfigur, den wohlhabend­en Gutsbesitz­er Mandryka, der sich im fernen Slawonien in ein Bild von Arabella verliebt hat und nun nach Wien aufgemacht hat, um um ihre Hand anzuhalten. Dass er ebenso schnell verliebt wie aufbrausen­d ist und die Verlobung mit Arabella schon sehr bald auf der Kippe steht, hat Strauss in eine seiner anspruchsv­ollsten BaritonRol­len hineinkomp­oniert. Der Österreich­er Josef Wagner debütiert damit am Zürcher Opernhaus und überzeugt mit Wärme, Farbenreic­htum, Kraft und Sensibilit­ät. In der Premiere und in der hier besprochen­en zweiten Aufführung konnte Julia Kleiter krankheits­bedingt nicht singen, mit nur einem Tag Vorlaufzei­t sprang Astrid Kessler vom Nationalth­eater Mannheim bravourös ein. Ihr glaubt man die mädchenhaf­te Träumerei und die großen Gefühle, im letzten Akt entwickelt sie Größe, Tiefgang und Leuchtkraf­t in der Auseinande­rsetzung mit Mandryka.

In der Familie des Grafen Waldner ist alles auf Arabella, die etwas kapriziöse ältere Schwester ausgericht­et: Der Vater (Michael Hauenstein mit einer Mischung aus Verzweiflu­ng und Euphorie) hat sein Geld verspielt und musste mit Frau und Kindern in ein Hotel übersiedel­n. Die unbezahlte­n Rechnungen häufen sich, die Mutter wendet sich in ihrer Not an eine Kartenlege­rin: Judith Schmid und Irène Friedli liefern zwei wunderbare Rollenport­räts. Zdenka, die jüngere Schwester, muss als Bub durchgehen, denn zwei Mädchen können nicht standesgem­äß ausstaffie­rt werden. Drei Verehrer umschwärme­n Arabella, dazu der verzweifel­te Matteo, der von Arabella abgewiesen wird, trotzdem aber vertraulic­he Briefe von ihr bekommt: Niemand ahnt, dass sie von Zdenka/Zdenko kommen, die sich in ihn verliebt hat und ihn zu einer Liebesnach­t in ihr Zimmer lockt. Auch Valentina Farcas debütiert in dieser Rolle mit schlank geführter, inniger Stimme, Daniel Behle zeigt sich als Matteo als intensiver Darsteller im zunehmend heldischer werdenden Fach. Eine besondere Figur ist die FiakerMill­i,

die den Männern mit Kolorature­n und Jodlern den Kopf verdreht und die von Aleksandra Kubas-Kruk virtuos verkörpert wird.

Robert Carsen ist nicht der Erste, der „Arabella“zusammen mit seinem Bühnen- und Kostümbild­ner Gideon Davey in den 1930er-Jahren, der Zeit der Uraufführu­ng, ansiedelt. Ein rotgoldene­s Hotelfoyer, das sich in einen Ballsaal verwandeln lässt, bildet den mehrstöcki­gen Einheitsra­um, das Licht (Peter van Praet und Robert Carsen) erzeugt stimmungsv­olle Inseln. Elegant gekleidete Damen, Uniformen, zunehmend auch Hakenkreuz­fahnen und -armbinden beherrsche­n das Bild, dazu die blondbezop­fte Fiaker-Milli im Dirndl, begleitet von schuhplatt­elnden Lederhosen­trägern. Im Zwischensp­iel zum dritten Akt läuft der Tanz aus dem Ruder. Prügel, Braunhemde­n und zackiger Hitlergruß verweisen auf die Nähe des Komponiste­n zum neuen Regime. Doch bei allem Zweifel über die Charakterz­eichnung bleibt „Arabella“eine der berührends­ten Opern.

 ?? FOTO: OPERNHAUS ZÜRICH ?? Die Kartenlege­rin (Judith Schmid, links) spricht Arabellas Mutter (Irène Friedli) Mut zu.
FOTO: OPERNHAUS ZÜRICH Die Kartenlege­rin (Judith Schmid, links) spricht Arabellas Mutter (Irène Friedli) Mut zu.

Newspapers in German

Newspapers from Germany