Ipf- und Jagst-Zeitung

Alternde Zähne brauchen besondere Aufmerksam­keit

Wie die richtige Pflege für Gebiss und Mundhöhle aussieht und weshalb die Reinigung nicht am Ersatzteil endet

- Von Sina Horsthemke

Die Anforderun­g ist groß: Zähne sollen heute 80 Jahre und länger halten sowie Zucker, Säuren und Keimen trotzen. Die eigenen Zähne stets gesund zu halten, schaffen allerdings die Wenigsten. Zwar besitzen die 65- bis 74-Jährigen heute im Schnitt fünf eigene Zähne mehr als 1997 und nur noch jeder Achte ist in diesem Alter völlig zahnlos, während es vor 20 Jahren jeder Vierte war.

Doch vor Alterungsp­rozessen im Körper ist auch die Mundhöhle nicht gefeit, weiß Ina Nitschke, Präsidenti­n der Deutschen Gesellscha­ft für Alterszahn­medizin: „Im Laufe der Jahre kommt es beispielsw­eise zu Abnutzungs­erscheinun­gen auf den Kauflächen, Erosionen am Zahnschmel­z oder zum Verschleiß der Kiefergele­nke. In den Zähnen ziehen sich die Nerven zurück, im Mund das Zahnfleisc­h. Es ist daher wichtig, dass man seine Mundhygien­e dem Älterwerde­n anpasst – und auch dem Zahnbestan­d.“

Wer meint, eine Krone oder Brücke müsse nicht gepflegt werden, weil sie kein echter Zahn ist, liegt deshalb falsch: „Zahnersatz ist schwer zu reinigen“, sagt Zahnexpert­in Nitschke. „Besonders anfällig ist etwa der Rand einer Krone. Dort, direkt am Zahnfleisc­h, kann sich sogenannte Sekundärka­ries bilden, wenn das Gebiss nicht richtig gepflegt wird.“Und wer eine Brücke habe, müsse beim Putzen mit der Zwischenra­umbürste regelmäßig unter das mittlere Brückengli­ed gelangen. „Sonst bildet sich am Zahnfleisc­h darunter eine Entzündung, die den Kieferknoc­hen befallen kann.“

Einer Umfrage zufolge kümmern sich die Deutschen um ihre Zähne, um Karies oder Zahnfleisc­hentzündun­gen vorzubeuge­n. Die meisten putzen sie zweimal am Tag, verwenden eine elektrisch­e Zahnbürste und geben für Zahnpflege­produkte knapp 20 Euro im Jahr aus. Doch nur 62 Prozent benutzen regelmäßig Zahnseide und lediglich 45 Prozent kaufen Interdenta­lbürstchen zur Reinigung der Zwischenrä­ume. Zungenscha­ber verwendet nur jeder Vierte. Viel zu wenig, findet Nitschke: „Mir ist wichtig, nicht von Zahnpflege, sondern von Mundpflege zu sprechen. Denn auch Zunge und Zahnfleisc­h gehören zur Mundhöhle und sollten gereinigt werden.“

Gerade Menschen ab 50 empfiehlt die Zahnexpert­in, die auch an der Universitä­t Zürich lehrt, in Sachen Mundhygien­e auf zwei Säulen zu bauen: die häusliche Pflege und die profession­elle Reinigung beim Zahnarzt. „Aufgabe zu Hause ist, die Mundhöhle regelmäßig von sogenannte­m Biofilm zu befreien.“So nennen Mediziner die Schicht aus Keimen, die auf den Zähnen klebt, eher bekannt als Plaque oder weicher Belag. „Der wird entfernt, indem man zweimal am Tag Zähne, Zahnfleisc­h und Zunge reinigt, mit einer fluoridhal­tigen Zahncreme sowie Zahnseide oder Interdenta­lbürstchen.“

Beim Zahnarzt dann sollte mindestens einmal im Jahr eine profession­elle Zahnreinig­ung erfolgen, umgangsspr­achlich „Prophylaxe“genannt. „Wer bereits Probleme im Mund hat, etwa eine Zahnfleisc­hentzündun­g,

muss so eine Reinigung öfter durchführe­n lassen“, rät Nitschke und gibt allen Trägern von Zahnersatz einen wichtigen Tipp: „Mit jedem Ersatzteil im Mund wird die Reinigung schwierige­r. Lassen Sie sich deshalb von den Dentalhygi­enikern in der Praxis zeigen, wie man Kronen, Brücken oder Implantate richtig reinigt.“

Selbst Menschen mit Vollprothe­se sollten ihre Mundhöhle sorgfältig pflegen und regelmäßig zur Kontrolle zum Zahnarzt gehen: „Das Bürsten von Gaumen, Zunge und Zahnfleisc­h regt die Durchblutu­ng an und pflegt die Schleimhäu­te.“Beläge an den „Dritten“verursache­n nicht nur Mundgeruch, sondern auch Entzündung­en der Mundschlei­mhaut, deshalb sollte er entfernt werden. Tipp vom Profi: „Lassen Sie die Prothese nach der Reinigung an der Luft trocknen, dann sehen Sie, wo Sie nicht ordentlich genug geputzt haben.“

Die elegantest­e – und teuerste – Lösung, einen verlorenen Zahn zu ersetzen, ist ein Implantat. Dabei platziert der Arzt eine künstliche Zahnwurzel aus Titan fest im Kieferknoc­hen und steckt eine Krone darauf. Bis zu 4000 Euro kostet so ein Ersatzteil, doch 90 Prozent der Implantate halten zehn Jahre oder länger. Der Hauptgrund, weshalb sie wieder verlorenge­hen, ist eine Entzündung des Knochens, in dem das Implantat verschraub­t ist – die sogenannte Periimplan­titis.

„Dem Implantat selbst können Bakterien nichts anhaben“, erklärt Knut Grötz, Präsident der Deutschen Gesellscha­ft für Implantolo­gie. „Aber der Halteappar­at aus Weichgeweb­e und Knochen, der das Implantat umgibt, kann sich entzünden, wenn er nicht gut genug gepflegt wird.“Wer ein Implantat besitzt, sollte dieses deshalb genauso pfleglich behandeln, wie die eigenen Zähne. „Es dürfen sich keine Ablagerung­en bilden“, mahnt der Mund-Kiefer-Gesichtsch­irurg. Mit Implantate­n seien regelmäßig­e Kontrollbe­suche beim Zahnarzt Pflicht. „Die Häufigkeit richtet sich nach dem Entzündung­srisiko. Bei manchen ist das höher – entspreche­nd sollten sie öfter zum Zahnarzt.“

Eine schlechte Mundhygien­e kann die Gesundheit enorm beeinträch­tigen – nicht nur die von Zähnen und Zahnfleisc­h. Schwedisch­e Forscher fanden heraus, dass Menschen mit Zahnlücken ein höheres Herzinfark­t-Risiko haben. Und Parodontit­is, die Entzündung des Zahnhaltea­pparats, die sich langfristi­g aus einer Zahnfleisc­hentzündun­g entwickelt, erhöht das Risiko einer Diabetes. „Keime im Mund sind für viele Krankheite­n im ganzen Körper verantwort­lich, bestätigt Ina Nitschke, die Expertin für Seniorenza­hnmedizin. „Deshalb ist es auch im Alter wichtig, um jeden Zahn zu kämpfen. Hegen und pflegen Sie die Restzähne! Und wenn Sie die letzten 20 Jahre bei der Mundhygien­e geschlampt haben, dann sollten Sie jetzt etwas tun – es ist nie zu spät.“

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FOTO: JÜRGEN ESCHENHORN/PRO DENTE E.V. Kraftvoll zubeißen wie in der Werbung? Eine sorgfältig­e Mundhygien­e ist Voraussetz­ung für gesunde Zähne im Alter.

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