Ein Land in Quarantäne
Hamsterkäufe und Reiseverbote – Was die Corona-Krise für die Menschen in Italien heißt
ROM - „Es wird keine roten Zonen mehr geben. Es wird eine einzige Schutzzone geben.“Das erklärte Italiens Regierungschef Giuseppe Conte Montagabend im Staatsfernsehen RAI.
Damit verkündete er, dass ganz Italien fortan bis zum 3. April unter Quarantäne steht. Nicht mehr nur die Region Lombardei und 14 Provinzen in Nord- und Mittelalien, sondern das ganze Land mit rund 60 Millionen Menschen ist ab Dienstag eine Schutzzone. Mit Regeln und Verboten, die bisher nur für einen Teil Italiens galten.
Reisebeschränkungen gelten nun für ganz Italien. Dass beispielsweise ein Römer Ferien in Apulien macht oder umgekehrt ist untersagt. Die Bürger werden mit dem am Montagabend verabschiedeten und am Dienstag in Kraft getretenen neuen Dekret, einmalig nicht nur in der italienischen Geschichte, dazu aufgefordert, nur noch wenn nötig ihre Wohnungen zu verlassen. Restaurants und Bars im ganzen Land müssen um 18 Uhr schließen. Menschenansammlungen aller Art, ob in Sportstätten, Kaffeebars oder Kneipen, sind verboten und werden von der Polizei aufgelöst.
Empfohlen wird, von Einladungen in Privatwohnungen, etwa von Freunden zum Abendessen, abzusehen. Spaziergehen, Joggen und Hundeausführen ist nicht verboten, doch sollte man einen Mindestabstand von einem Meter zu anderen Personen einhalten. Eltern sollen ihre Kinder nicht mehr aus dem Haus lassen. Wenn Personen zu dicht beieinanderstehen, könnten sie, sollte eine Polizeistreife vorbeikommen, aufgefordert werden, weiter auseinanderzustehen. Vor Lebensmittelgeschäften bilden sich lange Schlangen, weil die Konsumenten versuchen, mindestens einen Meter voneinander Abstand zu halten. Nachweislich infizierten Personen, die bei Reisen oder beim Spaziergehen erwischt werden, drohen Geld- und Haftstrafen bis zu drei Monaten.
Unterwegs sein zwischen zwei Kommunen und auch innerhalb einer Stadt dürfen nur nicht infizierte Personen, die nachweisen können, dass sie aus dringenden Gründen unterwegs sind. Um einen solchen Nachweis zu erbringen, muss man sich eine sogenannte Selbst-Zertifikation des Innenministeriums ausdrucken und bei eventuellen Kontrollen ausgefüllt der Polizei vorlegen.
Noch bleibt der öffentliche Nahund Fernerkehr in Betrieb, aber Giulio Gallera, Gesundheitsassessor der Lombardei, forderte am Dienstag die Regierung in Rom dazu auf, „noch einen entscheidenden Schritt weiterzugehen und Busse und Bahnen einzustellen und alle nicht wichtigen Geschäfte sowie alle Fabriken und sonstigen Produktionsstätten umgehend zu schließen“. Als, so Gallera, „wirklich radikale Maßnahmen, um das Allerschlimmste abzuwenden“.
Gleich nach Bekanntwerden des neuen Dekrets stürmten zahllose Italiener in Städten wie Mailand und Rom in der Nacht auf Dienstag Supermärkte, die 24 Stunden geöffnet sind.
In verschiedenen Gefängnissen Italiens brachen am Montag Revolten aus. Nachdem bekannt geworden war, dass die Besuche von Familienangehörigen drastisch eingeschränkt werden. Es kam zu Zerstörungen, zur Flucht von 20 Häftlingen, zehn Menschen starben. Selbst linke Politiker fordern deshalb den Einsatz des Militärs zur Einhaltung der Ruhe in Haftanstalten, aber auch, um notfalls mit Verhaftungen, jene „unverantwortlichen und idiotischen Mitbürger“(„La Repubblica“) zur Vernunft zu bringen, die trotz der Verbote massenhaft Kneipen in Gruppen frequentieren.
Die Regierung hat sich zum Ausrufen der Schutzzone für ganz Italien entschieden, nachdem bekannt geworden war, dass die Zahl der Infizierten und Toten mit jedem Tag weiter drastisch ansteigt. Und auch deshalb, weil immer weniger Geräte zur künstlichen Beatmung für immer mehr Notfälle zur Verfügung stehen. Am Dienstag wurden rund 8000 Infizierte sowie 340 Tote gemeldet.
In Rom, Florenz und Venedig sind nur noch wenige Touristen unterwegs. „So leer und schön war unsere Hauptstadt schon lange nicht mehr“, meint Francesco Grossi. Die Taxifahrerin geht seit Montag nicht mehr arbeiten. „Ich habe ja keine Kunden mehr!“
Immer mehr Touristenattraktionen sind betroffen: Seit Dienstag sind im Vatikan auch der Petersdom und der Petersplatz gesperrt.
Unklar ist, wie sich Touristen, die noch in Italien sind, verhalten sollen. Ob jetzt auch sie Reisebeschränkungen unterliegen, weiß bisher niemand. Bisher durften Touristen aus den roten Sperrzonen Norditaliens problemlos aus- und einreisen.
Es wird damit gerechnet, dass es in den kommenden Tagen zu einem weiteren Regierungsdekret kommen könnte, das wahrscheinlich noch radikalere Verbote als bisher aussprechen wird.