Erholung am Aktienmarkt verpufft
Anleger hoffen auf Wirtschaftshilfen – Ölmarkt erholt sich ein Stück weit
FRANKFURT - Nach Kursstürzen zum Wochenbeginn sind Anleger am Dienstag wieder zögerlich an den Aktienmarkt zurückgekehrt. Kleine Lichtblicke, eine große Portion Hoffnung und viel Unsicherheit haben den Aktienmarkt am Dienstag geprägt. Nach Kursstürzen am Montag erholten sich die Aktien der meisten Börsenkonzerne zwischenzeitlich zwar deutlich. Am Nachmittag gingen die Kurse dann aber wieder auf Talfahrt. Am Ende des Börsentages hat der Dax um weitere 1,4 Prozent verloren und schloss bei 10 475 Punkten den Handel in Frankfurt.
Tags zuvor hatten die Börsen einen „Schwarzen Montag“erlebt: Aktienkurse rauschten teilweise im zweistelligen Prozentbereich in den Keller, der Ölpreis verlor zeitweise fast ein Drittel seines Wertes. Im Gegenzug hatten Investoren ihre Gelder in vermeintlich sichere Häfen fließen lassen – etwa Gold oder die als ausfallsicher geltenden Bundesanleihen.
Hintergrund der panikhaften Verkäufe am Aktienmarkt war zunächst das Scheitern einer Einigung im Ölkartell Opec mit Russland. Daraufhin hatte Saudi-Arabien angekündigt, den Ölhahn weiter aufzudrehen und Öl an wichtige Partnerländer billiger zu verkaufen. Bereits in den Wochen zuvor hatte der Ölpreis nachgegeben, weil die Folgen der Coronavirus-Epidemie mehr und mehr die weltwirtschaftlichen Perspektiven verdüstern. Der Verfall der Ölpreise wiederum hatte Sorgen um Unternehmen der weltweiten Mineralölbranche geweckt; und Zweifel an der künftigen Zahlungsfähigkeit von Ölstaaten aufkommen lassen. Zusammen mit den zunehmenden Maßnahmen auch in Europa, um die Ausbreitung von Covid-19 zu begrenzen, hatten Investoren und Anleger die Reißleine gezogen – der Dax war um acht Prozent in die Tiefe gestürzt. Deswegen warnten Analysten, dem zeitweisen Aufwärtstrend am Dienstag nicht allzu viel Gewicht beizumessen. Denn die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sind noch immer nicht abschätzbar. „Die Anleger hoffen darauf, dass Regierungen und Notenbanken alles in ihrer Macht Stehende tun, um die negativen wirtschaftlichen Effekte des Coronavirus abzumildern“, sagte Marktanalyst Milan Cutkovic vom Brokerhaus AxiTrader.
Daher wird spätestens am Donnerstag Christine Lagarde, die Chefin der Europäischen Zentralbank im Fokus stehen. Beobachter erwarten, dass die EZB Maßnahmen ergreift oder verkündet, um den drohenden negativen Folgen der Corona-Epidemie entgegenzusteuern.
„Für eine Rückkehr der Zuversicht und eine Erholung der Wirtschaftsaktivität braucht es aber klare Hinweise, dass sich die Ausbreitung des Coronavirus verlangsamt“, sagte der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding.
Zu den Gewinnern an der Börse gehörten gestern Unternehmen, deren Aktien am Montag stark unter Verkaufsdruck gestanden hatten – insbesondere Mineralölkonzerne.
Doch auch Banken standen auf den Kurszetteln von Händlern oben auf der Liste. Auch die hatten zu Wochenbeginn kräftig Federn lassen müssen, weil Anleger befürchtet hatten, dass eine mögliche Rezession zu Kreditausfällen führen und damit die Finanzindustrie belasten könnte.
Eine Rezession – also einen wirtschaftlichen Rückgang in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen – schätzen viele Beobachter mittlerweile als kaum mehr vermeidbar an. Denn das Coronavirus und die Gegenmaßnahmen legen zunehmend die Produktion in Betrieben lahm. Zudem sorgen die Quarantäneund Absperrmaßnahmen in Ländern wie Italien dazu, dass die Menschen auch ihren Konsum zurückfahren. „Das Virus dürfte ökonomisch so ansteckend sein wie er es medizinisch ist“, schrieben die frühere „Wirtschaftsweise“Beatrice Weder di Mauro und ihr Kollege Richard Baldwin im Vorwort zu einem am Dienstag veröffentlichten E-Buch zu den möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus. Die Epidemie könne wirtschaftlich anhaltende Schmerzen auslösen und konjunkturell tiefe Wunden schlagen.
„Dieses Maß an Unsicherheit werden wir wohl noch geraume Zeit ertragen müssen.“IW-Direktor Michael Hüther