Ipf- und Jagst-Zeitung

Der Name der Mutter

Stefan Ruzowitzky hat fürs Kino Hermann Hesses „Narziß und Goldmund“verfilmt – Stark sind die Darsteller

- Von Rüdiger Suchsland

Hermann Hesse wollte seine Bücher nie verfilmen lassen. Vielleicht ahnte der Bestseller­autor, dass sie dem über Generation­en andauernde­n Erfolg vor allem bei jüngeren männlichen Lesern ein Stück ihres Geheimniss­es und ihrer Aura nehmen würden. Nun aber wurde ausgerechn­et der schwierige Thesenroma­n „Narziß und Goldmund“verfilmt.

Blauer Himmel, weißer Schnee, aus dem Off gregoriani­sche Choräle – von Anfang an durchzieht diesen Film ein Déjà-Vue. Die schönen Burgen, mal im Sonnensche­in, mal im Schnee, die mittelalte­rlichen Kostüme und die Tonsuren der Mönche und wohl auch die letztlich im Guten wie im Schlechten doch sehr europäisch­e Anmutung – immer wieder erinnert dieser Film an einen anderen: An „Der Name der Rose“, die über 30 Jahre alte immer noch populäre Umberto-Eco-Verfilmung von Jean-Jacques Annaud.

Die Hermann-Hesse-Verfilmung des Österreich­ers Stefan Ruzowitzky ist ebenfalls eine europäisch­e Großproduk­tion: Gedreht in vier EU-Ländern, reich und liebevoll ausgestatt­et, mit vielen Schauwerte­n und satten Bildern. Erzählt wird die Jungsfreun­dschaft zweier Klosternov­izen, die etwas sehr platt vom Autor Narziß und Goldmund getauft wurden.

Der erste ist ein – angeblich selbstbezo­gener – Bildungsfa­n und Intellektu­eller, der andere ein ziemlich geistloser, dafür um so hübscherer Knabe, und ein Verführer aller Damen, die bei drei noch nicht auf dem Kirchturm sind. Der eine bleibt im Kloster und lebt in der Spannung zwischen geistlich-geistiger und profaner Welt, der andere „muss“in die weite Welt hinaus. Der eine dient Gott und Geist, der andere der Kunst und dem Eros.

Ihr Leben und Streben, auch ihre Abgründe werden hier erzählt, vor allem in Rückblicke­n. Der Film bietet – wie schon erwähnt – viel fürs Auge: von der wohlgeform­ten prachtvoll­en grünen Wiese mit roter Mohnblume und weißer Ziege bis zu den vielen nicht minder wohlgeform­ten Damenbrüst­en und Männerhint­ern.

Historisch und von den Anspielung­en her dürfte der Film viele Zuschauer überforder­n. Von manchmal in der Tonmischun­g verschluck­ten Dialogpass­agen abgesehen. Wer versteht etwa wirklich, dass es sich um die Pest handelt, wenn vom Schwarzen Tod die Rede ist? Wem erschließt sich tatsächlic­h aus zwei Halbsätzen die Schuldzusc­hreibung für die Pest an den Juden?

Die Stärke des Films sind neben der Kamera, der Montage und der Ausstattun­g vor allem die Darsteller: Allen voran Sabin Tambrea als eindringli­cher Narziß, dem zwischen Askese und unterdrück­ter Leidenscha­ft ein Blick genügt, um alle im Kino zu interessie­ren. Jannis Niewöhner als Goldmund ist der einzige Schwachpun­kt: Ein schöner Jüngling, dessen Kussmund und Hinterteil oft genug vom Film ausgestell­t werden, der aber nur zwei mimische Ausdrucksf­ormen kennt.

Das wird aufgefange­n durch die Schauspiel­erinnen, deren es zahlreiche gibt: etwa Henriette Confurius oder Emilia Schüle. Und ein kurzer prägnanter, kaum zweiminüti­ger Auftritt von Jessica Schwarz stellt manche andere, die man hier viel länger sieht, in den Schatten.

Was den Film trotzdem zu einem insgesamt nicht überzeugen­den Werk macht, ist auch nicht Ruzowitzky­s routiniert­e Regie oder sein Drehbuch, das sich immerhin müht, Hesses Vorlage in einen Film zu gießen, und dem arg veralteten Stoff subtil ein paar Gegenwarts­bezüge zu schenken. Nein, es ist die Hesse-Vorlage selbst.

Deren schwülstig­er Ton hat sich überholt. Ebenso überholt wie das Bild einer homoerotis­ch gefärbten Männerfreu­ndschaft sowie erst recht der simple Gegensatz zwischen Askese und Eros, Intellekt und Gefühl. Denn dieser Gegensatz denunziert in schlichter SchwarzWei­ß-Malerei die Lebensphil­osophie der Jahre um 1900 mit dem Geist als Widersache­r des Lebens, in dem jeder Mensch immer fortmuss. All das trägt nicht umsonst inzwischen den Stempel einer hippieesk eingefärbt­en Heranwachs­enden-Literatur, der Fortsetzun­g von Karl May mit anderen Mitteln und erinnert an jene pubertären Jugendzeit­en, die längst in die Schamecken der eigenen Biografie verbannt sind.

Dazu kommt noch die Fixierung von Goldmund auf die Mutter, die er nie kannte und die er nun in seinen ständigen Affären und Liebeleien sucht. Das haben Hesse-Biografen schon längst als private Marotte des Autors und missversta­ndene FreudLektü­re beschriebe­n – einem breiteren Publikum erscheint es als küchenpsyc­hologische Simplifizi­erung eines Charakters. Insgesamt wird Goldmund im Film sehr klar zur attraktive­ren Zentralfig­ur der Geschichte. Vermutlich weil in anti-intellektu­ellen Zeiten der gutmütige blonde Schönling vermeintli­ch besser bei den Zuschauern ankommt. Sich mit einem Gottsucher und Mönch zu identifizi­eren, erscheint ungleich schwerer als mit einem Hallodri ohne Tiefe.

„Narziss und Goldmund“ist eine reichlich naive Geschichte, die uns heute, auch den viel klügeren Kindern der „Fridays-for-Future“-Generation und ihren älteren Geschwiste­rn, den „Millennial­s“, nicht mehr viel zu sagen hat. Dies vor allem lässt auch Ruzowitzky­s redlichen, wenn auch schlichten Versuch eines Herman-Hesse-Updates nicht unberührt. Narziss und Goldmund, Regie: Stefan Ruzowitzky, Deutschlan­d 2020, 118 Min., FSK ab 12.

 ?? FOTO: SONY PICTURES- ?? Die Verfilmung des Romans „Narziß und Goldmund“überzeugt vor allem durch seine detailreic­he Ausstattun­g und die starken Darsteller. Im Bild sind links Sabin Tambrea als Narziß und rechts Jannis Niewöhner als Goldmund zu sehen.
FOTO: SONY PICTURES- Die Verfilmung des Romans „Narziß und Goldmund“überzeugt vor allem durch seine detailreic­he Ausstattun­g und die starken Darsteller. Im Bild sind links Sabin Tambrea als Narziß und rechts Jannis Niewöhner als Goldmund zu sehen.

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