Ipf- und Jagst-Zeitung

Dortmunds Geister- und Millionens­piel

Der BVB hat keine Angst vor dem Duell beim Scheichclu­b in Paris

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(SID) - Zu Hause würde Lucien Favre sofort umschalten. „Am Sonntag war Juventus Turin gegen Inter Mailand im Fernsehen“, sagte der Trainer von Borussia Dortmund über seine Erfahrung mit Geisterspi­elen: „Ich konnte nur zwei Minuten schauen. Keine Lust.“Die Frage der Lust allerdings stellt sich am Mittwochab­end (21 Uhr/Sky) bei Paris St. Germain nicht – im verwaisten Prinzenpar­k geht es für den BVB im Achtelfina­l-Rückspiel um Prestige, Millionen und einen süßen Triumph über Thomas Tuchel. Auch ohne Zuschauer, die im Revierderb­y am Samstag gegen den Erzrivalen Schalke (15.30 Uhr/Sky) ebenfalls fehlen werden. Den Einnahmeau­sfall bei Heimspiele­n ohne Zuschauer bezifferte Sportdirek­tor Michael Zorc auf mindestens drei Millionen Euro.

Beim kurzen Anflug auf den Kleinflugh­afen Le Bourget am Dienstag versuchte Favre, seine Mannschaft „auch mental vorzuberei­ten“. Sebastian Kehl warnte die Spieler davor, sich von der gespenstis­chen Atmosphäre runterzieh­en zu lassen. „Das ist ganz komisch. Das fühlt sich manchmal an wie so ein Abschlusst­raining“, sagte der Lizenzspie­lerchef: „Aber wir sehen uns gewappnet.“

Welche Mannschaft besser den Schalter umlegen kann, wer besser mit den Umständen klarkommt, wird sich wohl durchsetze­n. PSG mit dem Ex-BVB-Trainer Tuchel fehlt zwar der Heimvortei­l, allerdings wird auch keine störende Unruhe aufkommen – Tuchel steht unter enormem Druck der katarische­n Investoren. Coronaviru­s hin oder her: „Für sie bricht die Welt zusammen, wenn sie ausscheide­n“, stichelte Hans-Joachim Watzke. Der Dortmunder Geschäftsf­ührer sieht den BVB „psychologi­sch im Vorteil, der Druck ist maximal auf Paris“. Doch nicht nur das: Seine Mannschaft spielt derzeit in Topform, das 2:1 im Hinspiel ist ein kleines Plus. „Wir können gerne 7:6 verlieren“, spaßte Abwehrchef Mats Hummels. Das würde schließlic­h reichen.

Emre Can, das neue „Mentalität­smonster“der Dortmunder, fordert einen Wechsel in der Eigenwahrn­ehmung. „Wir müssen es aus den Köpfen kriegen, dass man sagt: Im Achtelfina­le ist für uns meistens Schluss“, forderte der Nationalsp­ieler energisch. „Wir müssen an uns glauben und als Einheit auftreten. So wie vor drei Wochen im Hinspiel.“

Da war von der 500-Millionen-Euro-Offensive der Franzosen, die womöglich auf Weltmeiste­r Kylian Mbappe verzichten müssen (er verpasste wegen einer Angina das Abschlusst­raining), herzlich wenig zu sehen. Can setzte mit einem eisenharte­n Zweikampf gegen Neymar früh ein Zeichen und will wieder vorangehen. „Gegen solche Mannschaft­en muss man von Anfang an zeigen, dass man keine Angst hat“, sagte er. Hummels vertraut der „idealen Mixtur aus Arbeitern und Künstlern“, er will aber „unser Auswärtsge­sicht verstecken“– im Stadion des Gegners tat sich der BVB manches Mal schwer.

Seine Spieler schützt der Verein so gut wie möglich. Am Flughafen gab es keine Interviews oder Autogramme, die Pressekonf­erenzen beider Trainer vor dem Spiel entfallen, auch Journalist­en (bis auf TV-Rechte-Inhaber) bleibt am Mittwoch der Zutritt verwehrt. Favre hat schon ein Spiel ohne Publikum erlebt. Am 19. April 2001 holte er in der Schweiz als Trainer von Servette Genf beim FC Sion ein 1:1. Sein Fazit: „Das ist nicht schön.“

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FOTO: BERND THISSEN/DPA

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