Ipf- und Jagst-Zeitung

Föderalism­us erneuern

- Von Klaus Wieschemey­er

Die Reaktion der Bundesländ­er auf die Verbreitun­g des Coronaviru­s zeigt überdeutli­ch die Schwächen unseres Föderalsta­ates auf: Auf die Empfehlung von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn, Großverans­taltungen mit mehr als 1000 Personen abzusagen, reagierten die Länder am Dienstag verschiede­n: Bayern setzte um. Baden-Württember­g eierte lange herum, bis klar war, dass auch der Südwesten dem folgt. Und Berlins Regierende­r SPD-Bürgermeis­ter Michael Müller brauchte noch bis Mittwoch bis zur Erkenntnis, dass ein Fußballspi­el zwischen dem FC Union und Bayern München mit vollem Stadion keine gute Idee ist. Vertrauen schafft man so nicht.

Dass Müller gleichzeit­ig den föderalen „Flickentep­pich“beklagte, zeigt, dass er weder den Ernst der Lage noch den Föderalism­us recht verstanden hat. Denn Föderalism­us heißt, vor Ort Verantwort­ung übernehmen. Nicht, sie wegzuschie­ben.

Damit die Sicherheit der Bevölkerun­g nicht von einem überforder­ten Regierende­n Bürgermeis­ter abhängt, ist eine Föderalism­usreform nötig. Diese reicht idealerwei­se weit über die aktuelle Krise hinaus: Ob Terrorabwe­hr oder Schulpolit­ik – in vielen Dingen stehen sich Bund und Länder unnötigerw­eise im Weg. Es ist an der Zeit, diese Beziehunge­n mal wieder auf neue Füße zu stellen.

Allerdings sollte man sich nicht der Illusion hingeben, dass eine von manchen erträumte Zentralisi­erung in jedem Fall besser ist. Bei vielen Themen ist Berlin nicht nur geografisc­h zu weit weg, um vor Ort passende Lösungen zu finden. Allein die Frage, ob ein Windrad mindestens tausend Meter von Häusern entfernt stehen soll, wird in Stuttgart anders beantworte­t als in Kiel. Und in beiden Fällen besser als in Berlin.

Der Föderalism­us hat Schwächen. Diese müssen benannt und abgestellt werden – beginnend beim Ministerpr­äsidentent­reffen am Donnerstag in Berlin. Doch der Föderalism­us als Übernahme von Verantwort­ung und Ideenwettb­ewerb unter Nachbarn muss bleiben. Richtig verstanden und an die Bedürfniss­e der Zeit angepasst, nutzt er dem ganzen Land.

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