Ipf- und Jagst-Zeitung

Ansturm auf Rechtspfle­ger-Studium

Ausbildung beginnt im Herbst in Ulm – Ein Ziel: den Personalma­ngel beseitigen

- Von Johannes Rauneker

- Sie stehen oft im Schatten von Richtern und Staatsanwä­lten. Ohne Rechtspfle­ger würde das Justizsyst­em aber kollabiere­n. Damit es nicht so weit kommt, richtet Baden-Württember­g in Ulm nun eine Außenstell­e der Hochschule für Rechtspfle­ge Schwetzing­en ein. Das Interesse an dem Diplom-Studiengan­g ist riesig. 600 Bewerber konkurrier­en um die 60 neuen Plätze.

Justizmini­ster Guido Wolf (CDU) macht sich trotzdem Sorgen. Es herrsche „erhebliche­r Mangel“an Rechtspfle­gern im Land. 1700 sind derzeit zwischen Friedrichs­hafen und Mannheim im Einsatz, aber auch das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) zieht Personal ab. Als „Rückgrat“der Justiz bezeichnet Wolf Rechtspfle­ger. „Ohne sie würde nichts funktionie­ren.“Wolf sagt, er wolle den Beruf attraktive­r machen. Offen denkt er bei einem Besuch am Ulmer Landgerich­t am Montag über eine Umbenennun­g der Berufsbeze­ichnung nach. Fürs Erste weitet das Land die Studienkap­azitäten aus. Zum 1. September eröffnet in Ulm eine Außenstell­e der Hochschule für Rechtspfle­ge Schwetzing­en (Rhein-Neckar-Kreis).

In zwei Kursen sollen in Ulm ab Herbst 60 Studenten drei Jahre lang auf ihr Wirken in der Justiz vorbereite­t werden. Weil immer ein Jahrgang zwölf Monate Praxisluft schnuppert, werden in Ulm ab 2022 jeweils 120 Studenten unterricht­et. Das Studium lockt von Beginn an mit einer Verbeamtun­g (auf Widerruf) sowie einem Nettogehal­t von 1285 Euro. Für viele offenbar attraktiv: 600 Bewerbunge­n liegen vor, die Bewerbungs­frist für die 60 ersten Plätze der Außenstell­e ist noch gar nicht abgelaufen.

Was für viele nach Assistenzd­ienst unter den Fittichen eines Richters klingt, sei ein „unglaublic­h vielseitig­er“Beruf, erklärt Frank Haarer, Rektor der Hochschule für Rechtspfle­ge. Er wie auch Guido Wolf loben die Unabhängig­keit, die Rechtspfle­ger genießen. Auch Richtern gegenüber. Rechtspfle­ger besäßen „viel Entscheidu­ngsfreihei­t“.

Für Ulm hat sich das Justizmini­sterium nach Wolfs Worten wegen seiner zentralen Lage in Ost-Württember­g und seiner guten Erreichbar­keit entschiede­n. Der Findungspr­ozess sei ergebnisof­fen gestartet. Zudem wartet Ulm mit nahezu allen Gerichtsba­rkeiten auf, mit Landes-, Amts-, Sozial- oder Arbeitsger­icht und Staatsanwa­ltschaft. Hier sollen die Studenten Praxiserfa­hrung sammeln. Auch die Dozenten kommen aus diesen Einrichtun­gen.

Untergebra­cht ist die neue Hochschul-Außenstell­e in einem angemietet­en Gebäude in der Söflinger Straße. Es entstehen vier Hörsäle, eine Cafeteria und eine Bibliothek. Eine

Erweiterun­g an der Hochschule selbst komme nicht infrage, so Rektor Frank Haarer.

Die Stellung des deutschen Rechtspfle­gers ist in Europa einzigarti­g. Er ist an keinerlei Weisungen gebunden, sondern nur an Recht und Gesetz – wie auch Richter. Schwerpunk­te sind Familien-, Grundbuch-, Insolvenz- und Betreuungs­verfahren, Zwangsvers­teigerunge­n sowie Nachlassan­gelegenhei­ten. Nicht zu verwechsel­n sind Rechtspfle­ger mit den bei Gericht Angestellt­en, die beispielsw­eise das Protokoll von Verhandlun­gen führen.

Vielleicht erwächst aus der Ulmer Außenstell­e mehr. Justizmini­ster Wolf schloss auf Nachfrage nicht aus, dass die Ulmer Dependance eigenständ­ig und damit zur zweiten Rechtspfle­ge-Hochschule des Landes werden könnte. Hinter vorgehalte­ner Hand äußern lokale Verantwort­liche genau diese Hoffnung. Wolf sagt aber, zunächst müsse man das auf fünf Jahre ausgelegte Pilotproje­kt erfolgreic­h gestalten.

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FOTO: RAUNEKER Justizmini­ster Guido Wolf (li.) im Gespräch mit Ulms Landgerich­tspräsiden­t Lutz-Rüdiger von Au.

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