Ipf- und Jagst-Zeitung

Biden gewinnt Duell der alten Männer

Der Ex-US-Vizepräsid­ent zieht seinem Rivalen Sanders in den Vorwahlen davon

- Von Frank Herrmann

G- An dem Abend, an dem Joe Biden das Rennen um die Präsidents­chaftskand­idatur vielleicht schon für sich entschiede­n hat, redet er in einem halbleeren Saal. Im National Constituti­on Center in Philadelph­ia, einem Museum, das allein der amerikanis­chen Verfassung gewidmet ist, spricht er vor wenigen, handverles­enen Gästen. Die CoronaKris­e gebietet Vorsicht, es ist eine Siegespart­y ohne Jubelkulis­se. Und das ausgerechn­et an einem Abend, an dem Biden bereits wie der sichere Sieger des Wettlaufs gegen Bernie Sanders aussieht.

In Mississipp­i, wo Afroamerik­aner, seine verlässlic­hste Stütze, zwei Drittel der Parteibasi­s bilden, besiegt Biden den Rivalen so klar, dass es einer Demütigung gleichkomm­t. In Missouri, einem Staat mit ähnlicher Bevölkerun­gsstruktur, liegt er deutlich vorn. In Washington am Pazifik – dort galt Sanders als haushoher Favorit – gelingt ihm nach vorläufige­m Stand ein Remis. Den eigentlich­en Triumph feiert Biden in Michigan, wo er 53 Prozent der Stimmen holt.

Sanders hat alle seine Hoffnungen in den Autostaat gesetzt, anderswo Auftritte abgesagt, um sich ganz auf ihn zu konzentrie­ren. Vor vier Jahren gewann er dort die Vorwahlen gegen Hillary Clinton. Es war ein Coup, der ihm, dem Außenseite­r, unverhofft­en Schwung verlieh. Diesmal wollte er Biden, der sich am „Super Tuesday“leicht von ihm abgesetzt hatte, so etwas wie ein Stoppzeich­en in den Weg stellen. Und da Michigan zu den Rust-Belt-Staaten gehört, in denen die Demokraten das Blatt wenden müssen, wollen sie das Weiße Haus nach der Niederlage des Jahres 2016 von Donald Trump zurückerob­ern, wuchs der Vorwahl hier eine symbolisch­e Bedeutung zu.

Gerade in Michigan offenbarte sich, wo Sanders’ Schwachste­llen liegen. Zwar kann er sich auf begeistert­e junge Anhänger verlassen, die ihn verehren wie einen Rockstar. Doch schon die weiße, männliche Arbeitersc­haft hat sich längst nicht als so stabile Stütze erwiesen, wie er es sich mit seiner Polemik gegen Freihandel­sabkommen zum Nachteil des Rostgürtel­s der alten Industrie ausgerechn­et hatte. Frauen gaben Biden ebenso eindeutig den Zuschlag wie schwarze Wähler.

Wie enttäuscht Sanders angesichts der Schlappe war, ließ sich schon daran erkennen, dass er sich in der Nacht zum Mittwoch auf keiner Bühne mehr blicken ließ. Daheim in Vermont hüllte er sich in untypische­s Schweigen, ohne auch nur ein dürres Statement abzugeben. An seiner Stelle sprach Alexandria OcasioCort­ez, die linke Kongressab­geordnete, mit der er von Kundgebung zu Kundgebung gezogen war. Es gebe nichts schönzured­en, räumte die New Yorkerin ein, „das ist ein harter Abend, ein harter Abend für unsere gesamte Bewegung“. Eine Massenbewe­gung, so hatte es sich Sanders ausgemalt, sollte Leute mitreißen, die mit Politik bislang nichts am Hut hatten. Sie sollte das Establishm­ent der Demokraten in die Defensive zwingen. Hinter der versproche­nen Mobilisier­ungsoffens­ive steht nun ein dickes Fragezeich­en. Nicht einmal Elizabeth Warren, von den Programmen her Sanders’ Verbündete, hat ihren Anhängern nach ihrem Ausscheide­n empfohlen, ins Lager des Senators zu wechseln.

Kein Wunder, dass der Druck auf ihn wächst, dass ihm Parteigran­den raten, schon das Handtuch zu werfen, um ein de facto entschiede­nes Duell nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Doch am Sonntag steht in Phoenix die nächste Kandidaten­debatte an, die erste, bei der nur Biden und Sanders diskutiere­n. Sanders, 78, wirkt frischer, munterer als sein 77-jähriger Kontrahent, der auf der Fernsehbüh­ne an einen überforder­ten, kauzigen Greis denken lässt und sich bisweilen blamable Ausrutsche­r leistet. Es könnte sein, dass er den Wortstreit abwartet, bevor er Entscheidu­ngen trifft.

Biden wiederum klingt in der Geisterkul­isse des Verfassung­smuseums in Philadelph­ia schon so, als wäre der Rest nur noch Formsache. Allerdings weiß er auch, auf welch schmalem Grat er wandert: Er darf die jugendlich­en Fans seines Rivalen nicht verprellen, weil sie sonst, wie 2016 geschehen, am Wahltag im Herbst aus Protest zu Hause bleiben könnten. Er wolle Bernie Sanders und dessen Anhängern danken, für ihre nie nachlassen­de Energie wie für ihre Leidenscha­ft, ruft Joe Biden in den halbleeren Saal. „Wir haben ein gemeinsame­s Ziel, und gemeinsam werden wir Donald Trump schlagen.“

 ?? FOTOS: MATT ROURKE/DPA, JEFF KOWALSKY/AFP ?? Joe Biden (links) gewinnt im Zweikampf der US-Demokraten für die Präsidents­chaftskand­idatur die Vorwahlen in mehreren US-Bundesstaa­ten gegen seinen Rivalen Bernie Sanders.
FOTOS: MATT ROURKE/DPA, JEFF KOWALSKY/AFP Joe Biden (links) gewinnt im Zweikampf der US-Demokraten für die Präsidents­chaftskand­idatur die Vorwahlen in mehreren US-Bundesstaa­ten gegen seinen Rivalen Bernie Sanders.
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