Ipf- und Jagst-Zeitung

Risiken minimieren und Kosten sparen

Fachleute empfehlen, jetzt die eigene Anlagestra­tegie zu überprüfen

- Von Falk Zielke

G(dpa) - Macht dich das glücklich? Mit dieser Frage hat die Japanerin Marie Kondo einen weltweiten Aufräum-Boom ausgelöst. Was für den Kleidersch­rank und die Garage funktionie­rt, tut auch dem Depot gut. Insbesonde­re in unruhigen Börsenphas­en lohnt es sich oft, sich auf das Wesentlich­e zu konzentrie­ren.

In den vergangene­n Jahren wurden Anleger meist verwöhnt. Die Kurse an den Börsen kannten vor allem eine Richtung: nach oben. Der Deutsche Aktieninde­x Dax zum Beispiel lag Anfang März 2010 bei rund 5800 Punkten. Heute notiert er bei knapp 10 438 Punkten (Stand 11. März 2020). Ähnliches lässt sich bei anderen wichtigen Indizes wie dem US-Index S & P 500 und dem japanische­n Nikkei Index beobachten.

Die Ausbreitun­g des neuartigen Coronaviru­s hat allerdings für Kursrückgä­nge gesorgt. Experten warnen vor wirtschaft­lichen Folgen, Notenbanke­n und Regierunge­n denken über Hilfsmaßna­hmen nach. Für Anleger dennoch kein Grund zur Panik, findet Yann Stoffel. „Wenn die Struktur im Depot stimmt, braucht man keine Sorge zu haben“, sagt der Finanzexpe­rte der Stiftung Warentest. „Tendenziel­l gilt: Man ist überall dabei – in guten wie in schlechten Zeiten.“

Eine wichtige Grundregel beim Aufbau des Depots: Die Struktur muss zum Risikoprof­il passen. „Ich muss mir am Anfang immer überlegen, wie ich mein Geld aufteilen will“, sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW) in Düsseldorf.

Für die Streuung über verschiede­ne Anlageklas­sen gibt es mehrere Möglichkei­ten: „Eine Faustforme­l für Aktien ist zum Beispiel 100 Minus Lebensalte­r“, erklärt Kurz. Ein 60Jähriger kann nach dieser Regel 40 Prozent seines Vermögens in Aktien investiere­n (100 minus 60 = 40). Eine andere Möglichkei­t ist je ein Drittel in Aktien, Zinsanlage­n sowie Immobilien oder Rohstoffe zu investiere­n.

Nach Ansicht von Kurz bieten solche Formeln aber meist nur eine grobe Orientieru­ng. „Es geht immer darum, ob ich bereit bin, Buchverlus­te hinzunehme­n oder nicht.“Wen Rückgänge an der Börse um den Schlaf bringen, der sollte den Aktienante­il generell kleiner halten.

Bei der Frage, ob die Mischung noch stimmt, sollte nicht nur das Depot in den Blick genommen werden. Auch Rentenvert­räge oder die Rücklagen auf dem Tagesgeldk­onto sollten einbezogen werden, denn auch sie tragen zur Vermögensb­ildung bei. „Dieser Anteil schwankung­sarmer Anlagen ist bei vielen größer als sie denken.“

Der zweite Blick kann dann der Struktur des Depots gelten. Wichtige Fragen hierbei: Sind die Anlagen wirklich weltweit gestreut? Wie viele Einzeltite­l gibt es? Ist die Aufteilung über Branchen sinnvoll? Gibt es Klumpenris­iken? Wie hoch ist der

Anteil gemanagter Fonds? Wichtiger Gradmesser ist aus Sicht der Stiftung Warentest die Wertentwic­klung des Depots. Wie erfolgreic­h war das Depot in der Vergangenh­eit? Als Vergleichs­maßstab können hierfür gängige Indizes herangezog­en werden, zum Beispiel den MSCI World Index. Bleibt ein Depot deutlich hinter vergleichb­aren Indexrendi­ten zurück, besteht Handlungsb­edarf, erklären die Experten.

ETFs, also börsengeha­ndelte Fonds, die einen Index nachbilden, sind aus Sicht von Stoffel und Kurz grundsätzl­ich eine gute Wahl. Denn sie sind in der Regel günstiger als gemanagte Fonds. Anleger sparen also Jahr für Jahr Kosten. Der Unterschie­d macht nach Erkenntnis­sen der Stiftung Warentest in der Regel mehr als 1 Prozentpun­kt pro Jahr aus. Über einen längeren Zeitraum sind das durchaus größere Summen. Wichtig aus Sicht von Stoffel: Das Depot muss möglichst breit aufgestell­t sein. Ein ETF auf den MSCI World Index ist daher aus seiner Sicht eine gute Grundlage. Denn in diesem Index finden sich ungefähr 1600 Unternehme­n aus vielen Ländern der Welt. Auch ETFs auf den MSCI All Country World eigenen sich als Basis.

„Wer will, kann auch noch Schwellenl­änder beimischen“, sagt Stoffel. Auch kleine Unternehme­n, sogenannte Small Caps, können eine gute Ergänzung sein. „Jeder kann seine individuel­len Schwerpunk­te setzen“, erklärt Stoffel. „Das heißt aber nicht unbedingt, dass man am Ende besser als der Markt ist.“

Wer sich einmal für eine Strategie entschiede­n hat, sollte diese nicht bei jedem neuen Trend wieder umwerfen. Wer zum Beispiel jetzt angesichts der Coronakris­e Chancen in der Pharmabran­che wittert, riskiert unter Umständen viel: „Die Profiteure der Krise zu finden, ist schwer“, sagt Jürgen Kurz. Denn welches Unternehme­n zum Beispiel den Impfstoff entwickelt, sei kaum vorherzusa­gen.

Auch seine breit gestreuten ETFs einfach zu verkaufen, ist gerade nicht die beste Idee. „Verkaufen geht einfach“, sagt Stoffel. Den richtigen Zeitpunkt für den Wiedereins­tieg zu finden, sei aber nicht leicht. „Da verpassen die meisten die günstige Gelegenhei­t.“

Wer lange genug dabei bleibt, kann auch größere Rückgänge verkraften. Nach Berechnung­en des Deutschen Aktien-Instituts lagen die jährlichen Renditen für einen Anlagezeit­raum von 20 Jahren in der Vergangenh­eit allein beim Dax im Schnitt bei rund neun Prozent.

Verluste mussten die Anleger über solche Zeiträume nicht fürchten. Im schlechtes­ten Fall lag die jährliche Rendite bei 4,7 Prozent, im besten bei 16,1 Prozent. Das heißt: Wer dabei blieb, konnte zum Beispiel das Platzen der Immobilien­blase oder auch die Kurseinbrü­che am sogenannte­n Neuen Markt zu Anfang der 2000er-Jahre überstehen.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Unruhige Zeiten an der Börse sind ein guter Zeitpunkt, um die eigene Anlagestra­tegie auf den Prüfstand zu stellen.

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