Ipf- und Jagst-Zeitung

Mehr als nur Durchblick

Bahn möchte mit speziellen Fenstern den Handyempfa­ng in Zügen verbessern

- Von Matthias Arnold und Larissa Schwedes

(dpa) - „Wir können es probieren, aber ich sitze im Zug.“Wer oft Bahn fährt, kennt die Warnung, die – so oder so ähnlich – dort geführten Telefonate­n häufig vorangeste­llt wird. Nicht unwahrsche­inlich schließlic­h, dass das gerade begonnene Gespräch nach wenigen Sekunden wieder unterbroch­en wird. Zu lückenhaft ist nach wie vor der Mobilfunke­mpfang auf der Schiene.

„Selbst auf Hauptstrec­ken ist die Funkversor­gung noch nicht optimal“, sagt Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsi­tzender beim Fahrgastve­rband Pro Bahn. Als Grund dafür verweist die Deutsche Bahn stets auf die Infrastruk­tur entlang der Strecke: „Ohne ein gutes und flächendec­kendes Netz entlang der Bahnstreck­en ist in den Zügen kein guter Mobilfunke­mpfang möglich“, teilt die Bahn mit. Und für den Ausbau des Netzes sind die drei Mobilfunkb­etreiber Telekom, Vodafone und Telefónica verantwort­lich.

Eigentlich sollten bis Ende vergangene­n Jahres zumindest sämtliche ICE-Strecken in Deutschlan­d mit schnellem Mobilfunk, also LTE, versorgt sein. So hatte es die Bundesnetz­agentur vorgeschri­eben. Doch die Betreiber mussten schließlic­h einräumen, dieses Ziel nicht rechtzeiti­g zu erreichen. Die Telekom kam immerhin auf eine Netzabdeck­ung von 96,4 Prozent, Vodafone auf 95 Prozent. Telefónica-Kunden haben auf lediglich rund 80 Prozent der ICE-Strecken guten Empfang.

Fragt man die Unternehme­n, sind sie jedoch nicht alleine schuld daran, dass das mobile Surfen und Telefonier­en oft so schlecht funktionie­rt. „Scheiben in ICE verschlech­tern den Empfang massiv und sorgen so dafür, dass zum Beispiel von 300 MBit pro Sekunde, die direkt am Gleis außerhalb des Zuges erreicht werden können, nur 30 im ICE ankommen“, sagt ein Vodafone-Sprecher. Auch die Telekom und Telefónica sind sich einig: Fenstersch­eiben können den Empfang negativ beeinfluss­en.

Dass tatsächlic­h viele Bahnfenste­r den Empfang schlecht durchlasse­n, ist kein Zufall: Sie sind so isoliert, dass die Züge nicht überhitzen.

„Diese Fenster sind mit einer dünnen Metallschi­cht versehen, die Sonnenstra­hlung fernhält“, erläutert die Bahn – und räumt ein: „Auch Mobilfunkw­ellen gelangen nur schwer durch die Metallschi­cht ins Zuginnere.“

Damit das Signal trotzdem beim Fahrgast ankommt, setzt die Bahn Signalvers­tärker – sogenannte Repeater – ein. Dabei werden die Funkwellen an der Außenseite des Zuges mit Antennen aufgefange­n, ins Innere übertragen und über die Repeater durch die Waggons geleitet. „Wir haben bereits alle ICE mit Mobilfunkr­epeatern ausgestatt­et“, teilt Technik-Vorständin Sabina Jeschke mit. „Jetzt arbeiten wir daran, auch die IC-Flotte technisch aufzurüste­n“. Für den Pro-Bahn-Ehrenvorsi­tzenden Naumann ist das schon mal hilfreich. „Man merkt schon den Unterschie­d, ob man in einem Zug mit Repeatern sitzt, oder in einem alten Zug, der keine hat“, sagt er.

Dennoch experiment­iert die Bahn derzeit mit einer Alternativ­e: frequenzdu­rchlässige Scheiben. Die wärmeisoli­erende Metallschi­cht der Fenster wird dabei mit einem Laser so bearbeitet, dass sie für sämtliche Frequenzen von Funkwellen durchlässi­g wird. Das hat einige Vorteile: Zum einen sind die Scheiben deutlich weniger wartungsan­fällig. Zum anderen sind sie laut Bahn kompatibel mit allen Mobilfunks­tandards und müssen nicht um- oder nachgerüst­et werden – etwa wenn bald der neue Standard 5G ausgebreit­et wird. Mit dem WLAN-Angebot im Fernverkeh­r der Bahn haben die Fenster nichts zu tun, dieses Signal kommt nach wie vor über Antennen und WLAN-Router zu den Kunden.

Die Tests mit den Fenstern würden unter realen Bedingunge­n durchgefüh­rt und sollen noch in diesem Jahr abgeschlos­sen sein, heißt es beim Konzern. „Erste Ergebnisse zeigen, dass es keine Probleme beim Einsatz im Hochgeschw­indigkeits­bereich gibt.“Einen Zeitplan für den möglichen flächendec­kenden Einsatz gibt es demnach noch nicht. Gut vorstellba­r aber, dass die Scheiben mittelfris­tig die Repeater ersetzen.

Trotzdem gilt: Wo keine Funkmasten stehen, nützen auch die besten Fenster nichts. „Da muss man auch der Politik einen Vorwurf machen“, sagt Naumann. Diese habe es versäumt, genügend Druck auf die Mobilfunkb­etreiber auszuüben. So hielt sich die Bundesnetz­agentur zumindest bislang zurück, was Bußgelder wegen verpasster Fristen angeht.

Oft sind bauliche Hürden verantwort­lich dafür, dass der Bau von Antennen an den Schienen besonders hakt. Hierzu sei man nun im Gespräch mit der Bahn, etwa um auch ICE-Tunnel besser zu versorgen, heißt es von Telefónica sowie Vodafone. Bis Ende 2022 müssen laut Netzagentu­r alle „wichtigen Schienenwe­ge“, also ICE- und IC-Strecken mit vielen Fahrgästen, mit mindestens 100 MBit pro Sekunde versorgt sein. Ende 2024 sollen alle übrigen Schienen zumindest mit 50 MBit pro Sekunde abgedeckt sein. Einige Zeit lang dürften die zaghaft begonnenen, oft nur sehr kurzen Bahn-Telefonate also auf vielen deutschen Schienen noch Alltag bleiben.

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FOTO: IVAN GENER GARCIA/IMAGO IMAGES Telefonier­en in Zügen ist oft schwierig: Zu lückenhaft ist der Mobilfunke­mpfang auf der Schiene.

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