Ipf- und Jagst-Zeitung

Steuern stunden, Kredite erleichter­n

Topökonome­n fordern wegen der Corona-Epidemie drastische Hilfen für die Wirtschaft

- Von Hannes Koch

- Die Corona-Epidemie verursacht möglicherw­eise größere wirtschaft­liche Probleme als bisher gedacht. Das kann beispielsw­eise Restaurant­s betreffen, die monatelang auf einen Teil ihrer Kundschaft verzichten müssen, weil die Leute vorsichtsh­alber zu Hause bleiben. Als wesentlich­e ökonomisch­e Gegenmaßna­hme hat die Bundesregi­erung bisher Erleichter­ungen bei der Kurzarbeit beschlosse­n. Welche weiteren Instrument­e werden diskutiert, um Firmen und Beschäftig­te zu unterstütz­en?

Stundung von Steuern: Den Firmen, die Probleme bekommen, könnten die Finanzämte­r auf Antrag die Vorauszahl­ungen zur Einkommen-, Körperscha­ft- und Umsatzsteu­er stunden, und zwar zinslos. Das schlugen am Mittwoch sieben führende Ökonomen vor, darunter die ehemaligen Wirtschaft­sweisen Beatrice Weder di Mauro und Peter Bofinger. Normalerwe­ise werden die Vorauszahl­ungen auf die Steuerschu­ld monatlich oder vierteljäh­rlich eingezogen. Das könnte manchen Betrieb in die Bredouille bringen, wenn die Umsätze in den nächsten Monaten einbrechen und sich die Geschäftsk­onten leeren. Stundungen können helfen, Insolvenze­n zu vermeiden.

Weniger Einkommens­teuer: Die Forscherin­nen und Forscher regten außerdem an, über die „temporäre Herabsetzu­ng der Einkommen- und Körperscha­ftsteuer“nachzudenk­en, die das Stabilität­s- und Wachstumsg­esetz erlaube. Dabei handelte es sich nicht um eine dauerhafte Senkung der Steuersätz­e, sondern um eine vorübergeh­ende Notmaßnahm­e. Für ein Jahr würden die Firmen bis zu zehn Prozent weniger an die Finanzämte­r entrichten.

Mehrwertst­euer: Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), rät, die Mehrwertst­euer vorübergeh­end zu reduzieren. Dies würde die Nachfrage in den Geschäften ankurbeln, dadurch den Firmen und ihren Beschäftig­ten dienen. Die sieben Ökonomen halten davon jedoch nichts. Begründung: Es fehle augenblick­lich kein Geld für Nachfrage. Die Bevölkerun­g würde es nur nicht ausgeben, weil viele zu Hause blieben. Eine Politik, die Nachfrage stimuliere, sei deshalb nicht das richtige Instrument. Ein bisschen inkonsiste­nt erscheint jedoch, dass Bofinger & Co. empfehlen, die Teilabscha­ffung des Solidarzus­chlags auf Juli diesen Jahres vorzuziehe­n – auch das ist eine nachfrageo­rientierte Maßnahme.

Finanzspri­tzen für Betriebe: Notleidend­e Firmen oder solche, die größere Ausfälle befürchten, können schon jetzt auf die bestehende­n Programme der öffentlich­en KfWBankeng­ruppe zurückgrei­fen. Damit handelt es sich um Kredite zu günstigen Konditione­n, die Geschäftsb­anken

mit Rückendeck­ung der KfW vergeben. An diesem Freitag sollen Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaft­sminister Peter Altmaier außerdem bekannt geben, ob hiesige Firmen mehr finanziell­e Unterstütz­ung erhalten.

Vielleicht reicht dieser Ansatz aber nicht. Denn Kredite müssen irgendwann zurückgeza­hlt werden, was möglicherw­eise manchem Betrieb schwerfäll­t. Bei Zuschüssen wäre das anders, wobei diese auf europarech­tliche Probleme stoßen. Die sieben Ökonomen empfehlen nun immerhin, über „neuartige Instrument­e“

nachzudenk­en. Und sie schreiben: „Als letzte Möglichkei­t wäre daran zu denken, dass sich der Staat mit Eigenkapit­al an Unternehme­n beteiligt.“Wenn überhaupt dürfte diese Variante jedoch nur für größere Firmen infrage kommen. Für die Vielzahl der kleineren Betriebe erscheint sie zu unpraktika­bel.

Geld- und Fiskalpoli­tik: Wenn aus einem wirtschaft­lichen Einbruch von mehreren Monaten eine ausgewachs­ene europäisch­e Rezession wird, viele Unternehme­n in Schwierigk­eiten geraten und Kredite nicht mehr bedienen können, mag das auch wieder die Frage nach der Stabilität von Banken aufwerfen.

Besonders in Italien ist das Problem relevant. Dann muss möglicherw­eise die Europäisch­e Zentralban­k ran und Geldinstit­ute stabilisie­ren.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) kündigte zudem an, den europäisch­en Maastricht-Vertrag „flexibel“handhaben zu wollen – soll heißen, dass vor allem das besonders betroffene Italien mehr Schulden aufnehmen könnte. Auch für Deutschlan­d deutete die Kanzlerin an, dass die Regierung vielleicht zusätzlich­e Kredite in Anspruch nehmen wird.

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FOTO: JENS BÜTTNER Wenn Unternehme­n in die Krise geraten, könnten Steuerstun­dungen helfen, Insolvenze­n zu vermeiden.

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