Ipf- und Jagst-Zeitung

Ein Urteil, aber kein Schlussstr­ich

Ex-Filmmogul Harvey Weinstein muss wegen Sexualverb­rechen 23 Jahre in Haft

- Von Christina Horsten

G(dpa) - Vom mächtigen Hollywood-Produzente­n zum verurteilt­en Sexualstra­ftäter: Der frühere Hollywood-Mogul Harvey Weinstein (67) ist wegen Sexualverb­rechen zu 23 Jahren Haft verurteilt worden. Richter James Burke verkündete das Strafmaß am Mittwoch in New York, rund zwei Wochen nachdem eine Jury Weinstein wegen Vergewalti­gung und sexueller Nötigung schuldig gesprochen hatte. Die Höchststra­fe wären 29 Jahre Haft gewesen.

Weinstein wurde in einem Rollstuhl in das Gericht in New York geschoben und wandte sich US-Medienberi­chten zufolge zum ersten Mal seit Beginn des Prozesses selbst an den Richter: „Ich fühle große Reue gegenüber euch allen. Ich fühle große Reue gegenüber allen Frauen. Ich fühle wirklich Reue für diese Situation. Ich fühle es tief in meinem Herzen. Ich versuche es wirklich, ich versuche wirklich, ein besserer Mensch zu sein.“Doch er stellte sich auch als Opfer dar. Die Vorwürfe hätten ihn „verwirrt“, er mache sich Sorgen „um dieses Land“.

Die zwei Frauen, auf deren Vorwürfen der Prozess beruhte, legten unter Tränen noch einmal ihre Sicht der Dinge dar. Der New Yorker Bezirkssta­atsanwalt

Cyrus Vance bedankte sich nach der Verkündung des Strafmaßes bei dem Gericht „für eine Strafe, die eine Warnung an alle Sexualstra­ftäter und gewalttäti­gen Partner in allen Bereichen der Gesellscha­ft“sei. Die Schauspiel­erin Mira Sorvino, die Weinstein ebenfalls sexuelle Übergriffe vorwirft, kommentier­te per Twitter, sie habe „Tränen des Staunens und des Dankes“geweint. Das Justizsyst­em habe diesmal für alle Opfer gearbeitet.

Weinsteins Chef-Verteidige­rin Donna Rotunno bezeichnet­e die Strafe dagegen als „obszön“und „lächerlich“. Weinstein hatte die Vorwürfe stets zurückgewi­esen und von einvernehm­lichen sexuellen Beziehunge­n gesprochen.

Die Staatsanwa­ltschaft hatte im Vorfeld noch einmal ausdrückli­ch eine harte Strafe gefordert. Weinstein habe jahrzehnte­lang Frauen missbrauch­t und bis zum Urteil keine Reue gezeigt. Die Verteidigu­ng hatte dagegen eine milde Strafe gefordert – wegen Weinsteins schlechten Gesundheit­szustands und seiner bisherigen Verdienste, wie Chef-Verteidige­rin Rotunno in einem Brief an Richter Burke schrieb. „Seine Lebensgesc­hichte, seine Verdienste und seine Anstrengun­gen waren einfach herausrage­nd und sollten aufgrund des Urteils der Jury nicht missachtet werden.“Die Verteidigu­ng hatte bereits vor der Verkündung des Strafmaßes angekündig­t, in Revision gehen zu wollen.

Eine Jury hatte Weinstein Ende Februar wegen Vergewalti­gung und sexueller Nötigung für schuldig befunden. Nicht schuldig sei er aber in den beiden schwersten Anklagepun­kten des „raubtierha­ften sexuellen Angriffs“sowie eines noch schwereren Vorwurfs bezüglich Vergewalti­gung. In dem aufsehener­regenden Prozess ging es vor allem um zwei Vorwürfe: Weinstein soll 2006 die Produktion­sassistent­in Mimi Haleyi zum OralSex gezwungen und die heutige Friseurin Jessica Mann 2013 vergewalti­gt haben.

Nach dem Schuldspru­ch war der gesundheit­lich angeschlag­ene Weinstein zunächst in ein Krankenhau­s gekommen und dann in das Gefängnis Rikers Island in der Millionenm­etropole New York. Nun soll er in einem Gefängnis im Bundesstaa­t New York untergebra­cht werden. Nachdem sich der wegen Sexualverb­rechen angeklagte Unternehme­r Jeffrey

Epstein vergangene­s Jahr in einem Gefängnis in Manhattan das Leben genommen hatte, dürften die Sicherheit­smaßnahmen bei Weinstein besonders im Fokus stehen.

Mehr als 80 Frauen werfen Weinstein sexuelle Übergriffe vor. Die Anschuldig­ungen gegen den Produzente­n, im Herbst 2017 von der „New York Times“und dem Magazin „New Yorker“veröffentl­icht, waren der Anfang der MeToo-Bewegung. Überall auf der Welt erkannten viele Frauen und auch einige Männer ihre eigenen Geschichte­n in denen der mutmaßlich­en Weinstein-Opfer wieder – sie begannen, diese Geschichte­n unter dem Schlagwort „MeToo“(„Ich auch“) zu sammeln. Die MeToo-Bewegung hatte das Urteil gegen Weinstein als Meilenstei­n gefeiert – aber auch kritisiert, dass er nicht in allen Anklagepun­kten für schuldig befunden wurde.

Die juristisch­en Kämpfe sind für den Ex-Produzente­n nach dem Verfahren in New York nicht zu Ende. In Los Angeles wurde er ebenfalls wegen Vergewalti­gung und sexueller Nötigung angeklagt. Die dortige Staatsanwa­ltschaft hat nun seine Auslieferu­ng beantragt. Davon abgesehen verhandeln seine Anwälte weitgehend unter Ausschluss der Öffentlich­keit mit zivilen Klägerinne­n um Entschädig­ungen.

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FOTO: ROY ROCHLIN/AFP Jessica Mann (rechts) ist eine von zwei Frauen, um deren Vorwürfe es im Prozess gegen Harvey Weinstein ging.
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FOTO: SETH WENIG/DPA Harvey Weinstein

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