Zaghafter Aufbruch in Saudi-Arabien
In „Die perfekte Kandidatin“wagt sich Ärztin Maryam in die Lokalpolitik und trotzt damit dem Patriarchat
MGaryam (Mila Al Zahrani) darf ohne männliche Begleitung Auto fahren. Ein Recht, das man Frauen in Saudi-Arabien erst seit Mitte 2018 zugesteht. Ihr Weg führt die verschleierte Maryam ins örtliche Krankenhaus, wo sie als Ärztin praktiziert. Dort weigert sich einmal mehr ein älterer Patient, von ihr behandelt zu werden. Er besteht auf einem „richtigen Arzt“. Maryams Kollege schlägt sich auf die Seite des renitenten Greises. Solche Erfahrungen sind nur ein Grund, warum die junge Medizinerin von einer Stelle in der Hauptstadt Riad träumt. Auf einer Konferenz in Dubai will sie sich für den Job empfehlen.
Gemeinsam mit ihren Schwestern Selma (Dae Al Hilali) und Sara (Nora Al Awadh) lebt Maryam noch unter dem Dach ihres Vaters Abdulaziz (Khalid Abdulrhim). Der Witwer erlaubt seinen Töchtern, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Als Berufsmusiker weiß er genau, wie sich Restriktionen und gesellschaftlich gehegte Vorurteile anfühlen. Er stellt sich Maryams Plänen nicht in den Weg und besorgt ihr als Vormund die Reisepapiere. Dabei unterläuft ihm allerdings ein Formfehler. Der Flieger hebt ohne Maryam ab.
Diese sucht Unterstützung bei einem Cousin ihrer Mutter, einem „hohen Tier“. Weil dieser heute nur Bewerber für den Gemeinderat empfängt, unterschreibt sie einen entsprechenden Antrag – und wird tatsächlich akzeptiert. Soll Maryam das Abenteuer Lokalpolitik wagen, um gegen örtliche Missstände vorzugehen? Wohlweislich, dass sie als Vertreterin des weiblichen Geschlechts auf breite Ablehnung stoßen wird?
Mutig startet die Kandidatin einen Wahlkampf nach amerikanischem Vorbild. Selma, eine Hochzeitsplanerin und sehr talentiert im Umgang mit der Kamera, setzt Maryam gebührend in Szene. Erwartungsgemäß versucht man Maryam bei jeder Gelegenheit zu diskreditieren. Umso härter sind die Bandagen, die sich die perfekte Kandidatin anlegt.
Die saudi-arabische Filmpionierin Haifaa al Mansour („Das Mädchen Wadjda“) entführt den Zuschauer einmal mehr in ihre von Gegensätzen geprägte Heimat. Dabei sind es vor allem die drei tollen, lebensfrohen Schwestern, die der Geschichte viel von ihrer Schwere nehmen und das Zuschauen zum Vergnügen machen. Was die Untiefen und Wirrungen der Lokalpolitik angeht, ist der Wiedererkennungswert freilich weltweit ziemlich groß.