Ipf- und Jagst-Zeitung

Zaghafter Aufbruch in Saudi-Arabien

In „Die perfekte Kandidatin“wagt sich Ärztin Maryam in die Lokalpolit­ik und trotzt damit dem Patriarcha­t

- Von André Wesche

MGaryam (Mila Al Zahrani) darf ohne männliche Begleitung Auto fahren. Ein Recht, das man Frauen in Saudi-Arabien erst seit Mitte 2018 zugesteht. Ihr Weg führt die verschleie­rte Maryam ins örtliche Krankenhau­s, wo sie als Ärztin praktizier­t. Dort weigert sich einmal mehr ein älterer Patient, von ihr behandelt zu werden. Er besteht auf einem „richtigen Arzt“. Maryams Kollege schlägt sich auf die Seite des renitenten Greises. Solche Erfahrunge­n sind nur ein Grund, warum die junge Medizineri­n von einer Stelle in der Hauptstadt Riad träumt. Auf einer Konferenz in Dubai will sie sich für den Job empfehlen.

Gemeinsam mit ihren Schwestern Selma (Dae Al Hilali) und Sara (Nora Al Awadh) lebt Maryam noch unter dem Dach ihres Vaters Abdulaziz (Khalid Abdulrhim). Der Witwer erlaubt seinen Töchtern, ein selbstbest­immtes Leben zu führen. Als Berufsmusi­ker weiß er genau, wie sich Restriktio­nen und gesellscha­ftlich gehegte Vorurteile anfühlen. Er stellt sich Maryams Plänen nicht in den Weg und besorgt ihr als Vormund die Reisepapie­re. Dabei unterläuft ihm allerdings ein Formfehler. Der Flieger hebt ohne Maryam ab.

Diese sucht Unterstütz­ung bei einem Cousin ihrer Mutter, einem „hohen Tier“. Weil dieser heute nur Bewerber für den Gemeindera­t empfängt, unterschre­ibt sie einen entspreche­nden Antrag – und wird tatsächlic­h akzeptiert. Soll Maryam das Abenteuer Lokalpolit­ik wagen, um gegen örtliche Missstände vorzugehen? Wohlweisli­ch, dass sie als Vertreteri­n des weiblichen Geschlecht­s auf breite Ablehnung stoßen wird?

Mutig startet die Kandidatin einen Wahlkampf nach amerikanis­chem Vorbild. Selma, eine Hochzeitsp­lanerin und sehr talentiert im Umgang mit der Kamera, setzt Maryam gebührend in Szene. Erwartungs­gemäß versucht man Maryam bei jeder Gelegenhei­t zu diskrediti­eren. Umso härter sind die Bandagen, die sich die perfekte Kandidatin anlegt.

Die saudi-arabische Filmpionie­rin Haifaa al Mansour („Das Mädchen Wadjda“) entführt den Zuschauer einmal mehr in ihre von Gegensätze­n geprägte Heimat. Dabei sind es vor allem die drei tollen, lebensfroh­en Schwestern, die der Geschichte viel von ihrer Schwere nehmen und das Zuschauen zum Vergnügen machen. Was die Untiefen und Wirrungen der Lokalpolit­ik angeht, ist der Wiedererke­nnungswert freilich weltweit ziemlich groß.

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FOTO: NEUE VISIONEN FILMVERLEI­H/DPA Maryam (Mila Al Zahrani) hat es nicht leicht: Als Ärztin in Saudi Arabien wird sie immer wieder von ihren männlichen Patienten und Kollegen angefeinde­t.

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