Ipf- und Jagst-Zeitung

„Den einen oder anderen wird es erwischen“

Von Umsatzeinb­ußen über Kurzarbeit: Reiseverbo­te wirken sich auf die Hotel- und Gastronomi­ebetriebe aus

- Von Timo Lämmerhirt

G- Kein Tag vergeht derzeit, an dem nicht irgendetwa­s Neues über das Coronaviru­s berichtet wird. Seit Freitag gehört Südtirol zu den Risikogebi­eten, ganz Norditalie­n ist bereits abgeriegel­t. Weniger bis gar keine Reisende wirken sich natürlich auch auf die Wirtschaft aus – vor allem auf die Hotel- und Gastronomi­ebranche.

Patrick Schiehlen ist nicht nur sportlich für den Fußball-Verbandsli­gisten TSV Essingen verantwort­lich. Schiehlen leitet in Aalen auch zwei Hotels. Das Aalener Ratshotel hat er von seinen Eltern gepachtet, mit dem „Design & Lifestyle Hotel Estilo“ist er im vierten Geschäftsj­ahr. Und er spürt die Auswirkung­en der Reglementi­erungen bezogen auf das Coronaviru­s deutlich. „Wir leben zu 95 Prozent von Geschäftsr­eisenden.

„Zahlreiche Firmen haben mittlerwei­le einen Reisestopp ausgesproc­hen, da ist es ja logisch, dass das aktuell recht schwierig für die Hotels ist“, sagt Schiehlen. Im Vorjahr hatte er zu diesem Zeitpunkt etwa eine Auslastung von rund 65 Prozent, aktuell liegt er bei unter 20 Prozent – bei beiden Hotels. Das sind fast 50 Prozent weniger Gäste, was für ihn zur Folge hat, dass er sich derzeit über Kurzarbeit für seine Angestellt­en Gedanken machen muss.

„Ich lese mich gerade in die Thematik ein. Das große Problem ist aber doch: Keiner weiß, wie lange das alles nun noch andauern wird. Dieses Problem haben wir in der Hotelbranc­he aber alle.“Ein paar Monate könne man solch eine Durststrec­ke überstehen – aber auch nicht ewig. „Es wird den einen oder anderen erwischen und ich hoffe einfach, dass ich nicht darunter bin“, sagt er mit ernster Miene.

Der Deutsche Hotel- und Gaststätte­nverband Dehoga informiert auf seiner Internetpr­äsenz umfassend über das Coronaviru­s und hat den Hotels und Gaststätte­n bereits Handlungsr­ichtlinien zugesandt. Bei einer Umfrage, an der sich 1889 gastgewerb­liche Betriebe aus BadenWürtt­emberg beteiligt haben, meldeten drei Viertel der Unternehme­n deutliche Umsatzrück­gänge, was die Aussagen Schiehlens bestätigt. „Die

Absagen zahlreiche­r Messen, Firmenvera­nstaltunge­n und Geschäftsr­eisen treffen die Tourismusb­ranche massiv“, erklärt DEHOGA-Landesvors­itzender Fritz Engelhardt auf der Internetpr­äsenz. Die wichtigste­n Ergebnisse hat der Verband aufgeführt:

• 74,6 Prozent der Umfragetei­lnehmer aus Baden-Württember­g verzeichne­n seit Beginn der Coronaviru­s-Krise im Februar Umsatzeinb­ußen. Der Durchschni­ttswert der gemeldeten Umsatzrück­gänge liegt bei 28 Prozent.

• 88,9 Prozent der Umfragetei­lnehmer verzeichne­n Rückgänge bei Neubuchung­en bedingt durch die Coronaviru­s-Krise. Durchschni­ttswert der gemeldeten Buchungsrü­ckgänge liegt bei 39 Prozent.

Patrick Schiehlen weiß nicht genau, wie er sich verhalten soll. Türklinken werden derzeit noch genauer desinfizie­rt, in den Seifen hatte er ohnehin schon immer Desinfekti­onsmittel integriert. In der vergangene­n Woche hatte er Chinesen bei sich im Hotel. „Man merkt schon, dass die Leute komisch schauen, gar einen Bogen um die Chinesen machen. Wenn ich aber Gäste aus Duisburg habe, weiß ich doch auch nicht, wo die vorher waren.

Ich kann ja an der Rezeption die Leute nicht mit dem Wattestäbc­hen in Empfang nehmen. Im Bäcker kann ich auch angeniest werden“, so Schiehlen.

Was Schiehlen aber fast noch mehr ärgert: „Es wird nichts über die Menschen gesagt, die das Virus überstande­n haben. Die 120 China-Rückkehrer, die in der Kaserne in Germershei­m isoliert wurden, waren auch nicht infiziert. Da schürt dann vor allem die Zeitung mit den vier großen Buchstaben eine Menge Panik.“

Ein Medium, was ebenfalls vier Buchstaben aufweist, jedoch nicht gemeint ist, ist „Die Zeit“. Diese schreibt in ihrem Online-Auftritt, dass die Zahl derer, die das Coronaviru­s überstande­n haben, seit Mitte Februar kontinuier­lich steige.

Konkret steht dort: „Momentan weist allein die chinesisch­e Seuchensch­utzbehörde schon mehr als 50 000 Menschen als geheilt aus – bei etwa 80 000 bestätigte­n Fällen. Ein gutes Zeichen.“

Schiehlen macht derzeit aus der Not eine Tugend. „Wir laufen durch die Gebäude und schauen beispielsw­eise nach, welche Dinge wackelig sind und reparieren diese Kleinigkei­ten

dann in Eigenregie. Irgendwas machen müssen wir ja“, sagt der Hotel-Manager.

Der 41-Jährige, der über das Coronaviru­s und die Handlungsw­eisen sehr gut aufgeklärt ist, weiß dennoch nicht ins Detail, wie er sich in bestimmten Situatione­n richtig verhält. „Muss ich jetzt Zimmer komplett desinfizie­ren, womöglich mit einem Schutzanzu­g? Hört sich lustig an, aber ich weiß das wirklich nicht.“Es gibt jedoch auch Gewinner dieser Epidemie: und die kommen natürlich aus der Hygieneind­ustrie. Schiehlen bezieht seine Hygieneart­ikel vom österreich­ischen Unternehme­n Hagleitner, das auch einen Standort in Kirchheim unter Teck hat. „Die arbeiten derzeit im Drei-Schicht-Betrieb, machen das Zehnfache an Umsatz“, weiß Patrick Schiehlen.

Dies sind aber die Ausnahmen. Und die allgemeine­n wirtschaft­lichen Folgen sind längst nicht absehbar.

„Das große Problem ist aber doch: Keiner weiß, wie lange das alles nun noch andauern wird.“Patrick Schiehlen, Hotel-Manager.

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FOTO: TIMO LÄMMERHIRT Patrick Schiehlen ist nicht nur sportlich für den Fußball-Verbandsli­gisten TSV Essingen verantwort­lich. Schiehlen leitet in Aalen auch zwei Hotels: das Aalener Ratshotel und das „Design & Lifestyle Hotel Estilo“.

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