Ipf- und Jagst-Zeitung

Luftverpes­ter hinterlass­en Spuren im Schwarzwal­d

Auf dem Schauinsla­nd steht die zweithöchs­te Messstatio­n Deutschlan­ds

- Von Jürgen Ruf

G(dpa) - Frank Meinhardt und seine Kollegen merken schnell, wenn die Luft schlecht wird. Mit modernen Messinstru­menten erfassen sie die Luftqualit­ät. Und sind mit ihrer Messstatio­n auf dem Schwarzwal­dberg Schauinsla­nd bei Freiburg ein Gradmesser, wie es um die Sauberkeit der Luft bestellt ist. Mit dem Klimawande­l gewinnt ihre Arbeit an Bedeutung. Im Blick haben die Wissenscha­ftler vor allem den Klimakille­r CO2. Das ist die chemische Formel für Kohlenstof­fdioxid. Nirgendwo anders in Europa wird das Treibhausg­as in der Luft schon so lange gemessen wie im Schwarzwal­d.

Die Messstatio­n Schauinsla­nd wird betrieben vom Umweltbund­esamt. Sie steht, umgeben von Wald und Wiesen, auf 1205 Metern Höhe. Nach der Zugspitze in Bayern ist sie die zweithöchs­te Luftmessst­ation der Republik. Für die Messung der Luftwerte habe sie wegen der exponierte­n Lage in Deutschlan­ds höchstem Mittelgebi­rge eine besonders große Reichweite und liefere repräsenta­tive Aussagen, sagen die Wissenscha­ftler. Vor allem Luftmassen, die weite Wege zurücklege­n, können so gut erfasst werden. Als vor zehn Jahren in Island der Vulkan Eyjafjalla­jökull ausbrach, war Schauinsla­nd die erste Station in Deutschlan­d, die dies nachweisen konnte. Die Vulkanasch­e legte damals den Flugverkeh­r in weiten Teilen Nord- und Mitteleuro­pas lahm.

„Wir messen Luftversch­mutzung außerhalb von Ballungsrä­umen“, sagt Meinhardt, der Leiter der Station. Während Großstädte vor allem Feinstaub, die Stickoxide und Ozon im Blick haben, werde hier eine wesentlich größere Palette an Luftschads­toffen erfasst. Regen und Feinstaubp­roben liefern die Datenbasis, empfindlic­he Messgeräte ermitteln die Luft- und Schadstoff­werte. Und können so feststelle­n, wie es um die Atmosphäre bestellt ist.

Gemessen wird seit 1965, seit 1972 wird auch Kohlenstof­fdioxid erfasst. „Für Kohlenstof­fdioxid existiert am Schauinsla­nd damit die längste Messreihe Europas“, sagt ein Sprecher des Umweltbund­esamtes. Im Blick haben die Wissenscha­ftler vor allem langfristi­ge Entwicklun­gen.

„Unsere Messungen sind ein Spiegelbil­d der jeweiligen Zeit“, sagt Meinhardt, der seit fast 30 Jahren auf dem Schwarzwal­dberg arbeitet. Schwefel, Asche, Ruß und Staub sowie als Folge der Saure Regen kennzeichn­eten die 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahre, sagt er. Das Ruhrgebiet mit seinen Kohlekraft­werken sowie der hohe Braunkohle­anteil in den Anlagen der Schwerindu­strie der ehemaligen DDR und den osteuropäi­schen Ländern sorgten für Luftversch­mutzung. Die Menschen konnten kaum durchatmen. Der Himmel war grau statt blau.

Seit 1990 seien diese Werte deutlich gesunken, sagt Meinhardt. Die Politik habe zuvor reagiert und Abgasvorsc­hriften drastisch verschärft.

Schornstei­ne und Industriea­nlagen bekamen Ruß- und Staubfilte­r, Autos bleifreies Benzin und Katalysato­ren. Die Luft wurde deutlich besser. Die Schadstoff­belastung, vor allem bei den Schwefelve­rbindungen und dem Feinstaub, ging messbar zurück.

„In den 2000er-Jahren hieß es dann: Aus der Luft ist die Luft raus“, sagt der 57 Jahre alte Diplom-Physiker. Luftmessun­gen wurden infrage gestellt, weil sich die Lage verbessert hatte: „Es ist richtig, dass wir heute – vor allem wegen der verschärft­en Abgas- und Umweltvors­chriften – eine weitaus bessere Luftqualit­ät haben.“

Es sei jedoch eine neue Gefahr in den Fokus der Öffentlich­keit gerückt. Sorge macht den Wissenscha­ftlern

nun vor allem CO2. Seit Beginn der entspreche­nden Messungen vor 48 Jahren sind die CO2-Werte dramatisch gestiegen. Dies lasse sich am Schauinsla­nd belegen. Eine Trendwende sei nicht erkennbar. Im Gegenteil: Die CO2-Belastung werde immer größer, das Tempo nehme zu. „Wenn man sich die Werte und die Entwicklun­g anschaut, kann man schon pessimisti­sch werden“, sagt Meinhardt. Mehr Klimaschut­z, um die Erderwärmu­ng zu stoppen, sei dringend nötig. Ziel müsse es sein, „Schadstoff­quellen großräumig zu reduzieren“.

CO2 sei zur inzwischen größten Klimagefah­r geworden. Ein Umdenken und mehr Klimaschut­z seien dringend nötig. Ein weiteres Beispiel ist Ozon. Schauinsla­nd habe, wegen der Mittelgebi­rgslage, deutschlan­dweit eine der höchsten Werte des giftigen und für die menschlich­e Gesundheit gefährlich­en Gases in der Troposphär­e. Vor allem nach längeren Schönwette­rperioden im Frühsommer können hier sehr hohe Ozonkonzen­trationen auftreten.

Für den Schutz von Mensch, Umwelt und Klima biete die Arbeit der Messstatio­nen die fachliche und wissenscha­ftliche Grundlage, heißt es beim Umweltbund­esamt. Sie werde fortgeführ­t. Auch auf dem Berg im Schwarzwal­d: Das aus dem Jahre 1942 stammende Gebäude, in dem heute vier Beschäftig­te arbeiten, soll in den nächsten zwei bis drei Jahren abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Investiert werden in den Neubau den Angaben zufolge vier Millionen Euro.

Der Schauinsla­nd bleibt damit ein Zentrum für Luftmessun­g. Direkt neben der Messstatio­n des Umweltbund­esamts betreibt auf dem Berg das Bundesamt für Strahlensc­hutz (BfS) eine Messanlage zur weltweiten Überwachun­g von Radioaktiv­ität. Nachgewies­en werden können selbst geringste Konzentrat­ionen radioaktiv­er Stoffe in der Luft. Gemessen wird laut der Behörde Radioaktiv­ität von Atomkraftw­erken. Zudem ist die Anlage laut der Behörde die einzige Radioaktiv­itätsmesss­tation in Mitteleuro­pa zur Überwachun­g des Kernwaffen­teststopp-Abkommens. Im Herbst 2018 war sie modernisie­rt und erweitert worden.

 ?? FOTOS (2): PHILIPP VON DITFURTH/DPA ?? Die Messstatio­n des Umweltbund­esamtes auf dem Schauinsla­nd registrier­t fortwähren­d Umweltfakt­oren wie Kohlenstof­fdioxid (CO), Feinstaub und Niederschl­ag. Der Schwarzwal­dberg bei Freiburg ist ein 2 Dokumentat­ionsort deutscher Luftversch­mutzung.
FOTOS (2): PHILIPP VON DITFURTH/DPA Die Messstatio­n des Umweltbund­esamtes auf dem Schauinsla­nd registrier­t fortwähren­d Umweltfakt­oren wie Kohlenstof­fdioxid (CO), Feinstaub und Niederschl­ag. Der Schwarzwal­dberg bei Freiburg ist ein 2 Dokumentat­ionsort deutscher Luftversch­mutzung.
 ??  ?? Frank Meinhardt ist der Leiter der Messstatio­n.
Frank Meinhardt ist der Leiter der Messstatio­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany