Der Kretschmann-Effekt
Die Grünen weit vor der CDU: Wie es um die Parteienlandschaft im Südwesten steht
- So wenig Zustimmung hatte die CDU in Baden-Württemberg noch nie. Nur 23 Prozent der Befragten würden die Partei derzeit wählen, das zeigt eine Umfrage von Infratest für den SWR und die „Stuttgarter Zeitung“. Die Lehren aus der repräsentativen Wählerbefragung im Überblick.
■ Ergebnisse
36 Prozent der Befragten würden die Grünen wählen, das sind zwei Prozentpunkte weniger als im September 2019. Die CDU kommt auf 23 Prozent, ein Minus von drei Punkten, die AfD auf 14 (plus zwei), die SPD auf elf (plus drei), die FDP auf sieben (minus 1) und die Linke würde es mit fünf Prozent (plus zwei) in den Landtag schaffen.
■ Sehr ernst, aber nicht völlig hoffnungslos
Überraschender als das bittere Ergebnis der CDU ist die Stimmung unter den Landtagsabgeordneten und Funktionsträgern. Naturgemäß war die aufgrund der Umfrage schlecht. Anders als bisher seit den verlorenen Wahlen von 2016 wurde aber kaum Kritik an der Führung laut. Zumindest nicht an Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann. Sie hat offenkundig weiter Rückhalt. Hoffnung macht den Christdemokraten, dass mit Eisenmanns Arbeit rund jeder Dritte Befragte zufrieden ist – ein Plus von sieben Prozent. Eisenmann liegt damit zwar weiter deutlich hinter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der 73 Prozent der befragten überzeugt (minus vier). Aber Eisenmann ist deutlich weniger bekannt, weil sie erst seit 2016 als Kultusministerin überhaupt in der Landespolitik präsent ist. Obwohl der Wahlkampf mit vielen Terminen im ganzen Land noch nicht begonnen hat, macht sie Boden gut. Klar ist vielen in der CDU dennoch: Es braucht schon sehr viel, um bis März 2021 den Vorsprung der Grünen aufzuholen. Die zweite Hiobsbotschaft des Tages verschärft die Lage. Denn viele in der CDU führen das schlechte Abschneiden auf den Kampf um die Bundesspitze zwischen Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen zurück. Der endet erst, wenn ein neuer Vorsitzender gewählt ist – nachdem die CDU den dafür angesetzten Parteitag wegen des Coronavirus abgesagt hat, kann das noch dauern. Ein weiteres Fünkchen Hoffnung: Rechnet man die guten CSUErgebnisse aus dem Bundestrend heraus, liegt die Südwest-Union leicht über den Umfragewerten der Partei in ganz Deutschland.
■ Stabil überall vorne
Egal, ob bei Jungen, Alten, in kleinen, mittleren oder großen Gemeinden: Die meisten Menschen sind mit der Arbeit der Grünen zufrieden. Wenig überraschend äußerten das mehr als 90 Prozent der eigenen Anhänger. Aber: Sogar knapp 60 Prozent der CDU-Anhänger attestieren den Grünen gute Arbeit. Von diesen wiederum ist nur jeder Fünfte zufrieden mit der Arbeit der eigenen Partei. Der beliebte Ministerpräsident Kretschmann überzeugt die Befragten anderer Lager noch klarer. 91 Prozent der Grünen-Anhänger, 86 Prozent der CDU-Sympathisanten und immer noch jeder zweite AfD-Anhänger ist mit seiner Arbeit als Regierungschef zufrieden.
■ Klein kann sexy machen
Die SPD gewinnt nach dem AllzeitTief vom September 2019 dazu, die FDP verliert nur leicht. Für die Liberalen sicher eine Erleichterung. Nach dem Thüringen-Debakel, wo FDP-Mann Thomas Kemmerich mit
Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde und umgehend zurücktrat, hätte es schlimmer kommen können. Die SPD profitiert vom immerhin stabilen Bundestrend. Das neue Duo an der Parteispitze mit der Südwest-Sozialdemokratin Saskia Esken hat zwar in Baden-Württembergs SPD nicht viele Freunde. Doch zunächst hat die Wahl im Bund befriedet. Das gilt auch fürs Land, wo Partei- und Fraktionschef Andreas Stoch derzeit intern alles im Griff hat. Würden die Wahlen 2021 ähnlich ausgehen wie die Umfrage, wären erstmals seit Langem neue Koalitionen als GrünSchwarz wahrscheinlich – etwa ein Bündnis aus Grünen, FDP und SPD. Gelingt es der Linken, in den Landtag einzuziehen, könnte auch Grün-RotRot funktionieren. Den Grünen wäre mit Sicherheit ein kleiner Koalitionspartner sehr recht: je größer ihr Vorsprung, desto größer der Einfluss innerhalb der Regierung. Andererseits gilt Kretschmann als Anhänger des Bündnisses mit der CDU. Andererseits macht das Regieren mit den Christdemokraten nach Ansicht vieler Grüner mehr Mühe als gedacht.
■ Umgang mit der AfD und Flüchtlingen
Mehr als 60 Prozent der Befragten halten es für richtig, dass alle übrigen Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließen. In kleineren Gemeinden liegt der Wert niedriger, nämlich bei 56 Prozent, in Großstädten bei 75 Prozent. Mehr als 80 Prozent der Befragten sind laut Umfrage dafür, Flüchtlinge aufzunehmen, etwa die Hälfte davon hat eine Bedienung: Baden-Württemberg soll das nur tun, wenn sich andere EU-Staaten beteiligen.
■ Aktuell skeptisch, aber für die Zukunft optimistisch
Rund jeder Dritte beurteilt laut der repräsentativen Umfrage die aktuelle wirtschaftliche Lage als weniger gut oder schlecht. Diese Werte waren erst einmal bei diese Umfrage schlechter. Dennoch beurteilen vor allem junge Baden-Württemberger die künftige Entwicklung positiv. Nur jeder Fünfte zwischen 18 und 39 Jahren macht sich große oder gar sehr große Sorgen. Besonders düster beurteilen dagegen AfD-Anhänger die Zukunftsperspektiven.