Tierischer Spaß im kanadischen Schnee
Eisangeln, Eishockey, Radeln und Hundeschlittenfahren: So macht man sich in Québec den Winter schön
Die vier Hunde winseln, springen und japsen vor Aufregung. An ihren Geschirren sind Zugleinen befestigt, nur die Krallenbremse im festen Schnee hält sie davon ab, auf der Stelle loszustürmen. In eine Decke eingewickelt sitzt der Passagier auf dem schmalen Schlitten. Hinter ihm steht der Musher, der Lenker auf der Bremse. Er wartet auf das Signal, auf genügend Abstand zum Schlitten vor ihm – und dann geht es los: Die Hunde spüren, wie sich der Widerstand löst und ziehen kräftig an. Der Schlitten gleitet über den gefrorenen Lac-Blanc, einem See im Süden der Provinz Québec im Osten Kanadas.
Die Schlittenfahrer stecken in dicken Jacken, unförmigen Skihosen und gefütterten Stiefeln. Ihre Gesichter sind so verhüllt, dass nur ein paar Quadratzentimeter Haut zu sehen sind, der Schal reicht bis zur Nasenspitze. Der aufsteigende kondensierende Atem verwandelt sich sofort in eine hauchdünne Eisschicht auf den Gläsern der Sonnenbrille.
Denn der strahlende Sonnenschein und der tiefblaue Himmel über dem Lac-Blanc trügen: Es ist bitterkalt. Minus 26 Grad zeigt das Thermometer an; für die Einheimischen ein völlig normaler Wintertag, für mitteleuropäische Besucher ungewohnt frostig.
Bei oftmals minus 30 Grad Celsius, dunklen Tagen, Schnee und Eis gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man macht es wie die kanadischen Bären und steckt die Nase erst wieder im Frühling aus dem Haus. Oder man macht es wie die kanadischen Menschen und genießt den Winter. Alles, was man braucht, sind sehr warme Kleidung und gut isolierte Stiefel.
Die Kanadier trotzen dem Winter mit Sport und Spaß: Nicht nur am Lac-Blanc gibt es ein Freizeitprogramm mit Snowmobilfahren, Eislaufen und Eisangeln. In dicken Reifen rutschen die Kanadier die Hügel hinunter, sie treffen sich zum Langlaufen und Snowboarden oder gehen auf einem der unzähligen Seen ihrem Nationalsport nach: Eishockey. Und danach geht es zum Aufwärmen ins heiße Wasser: Im Outdoor-Spa kann man sich nach dem Bad im 38 Grad heißen Wasser das Kaltwasserbecken sparen. Der kurze Weg vom Pool zum Bademantel bei fast minus 30 Grad ist Abkühlung genug.
Auch in den Städten hält es die Frankokanadier bei Eiseskälte nicht in den Häusern. Damit sie einen Grund haben, den Winter zu mögen und hinauszugehen, bleiben ihre
Städte auch nach Neujahr mit Lichterketten, Kugeln und Zweigen geschmückt. In Québec City feiern die Einwohner im Februar ihren eigenen „Carnaval“: Eisfiguren schmücken die ganze Innenstadt, es gibt einen Schneepalast und eine fantasievolle
Parade mit Tänzern, Akrobaten, Musik und kunstvoll gestalteten Motivwagen.
Ein Roadtrip in einem großen Bogen von Québec City nach Montréal zeigt den kanadischen Winter in seiner ganzen Vielfalt – und ganz in Ruhe. Kein Vergleich zum Herbst, wenn der Indian Summer mit seinen farbenfrohen Wäldern Tausende Besucher anlockt. Das Besondere: Rund um die beiden Großstädte sind es nur kurze Wege in die Natur, zu Wasserfällen, Seen und Nationalparks.
Eines ist der gesamten Region gemeinsam: der französische Einfluss, auf den die Frankokanadier stolz sind. Für sie ist die französische Sprache, die sich zum Teil erheblich von der europäischen Version unterscheidet, ein Teil ihrer Kultur.
Gerade in Québec City ist das französische Erbe allgegenwärtig und dieses wollen die Einwohner bewahren. Sie sind ohnehin stolz auf ihre Stadt, die als eine der freundlichsten und sichersten in ganz Nordamerika gilt – und mit Abstand als die französischste.
In ihren schmalen Gassen spiegelt sich die Stadtgeschichte wider, in der Franzosen und Briten um die Macht gekämpft hatten: Architektur aus der Normandie und aus Großbritannien findet sich dort. Zudem legen die Einwohner von Québec viel Wert auf gutes Essen, nicht nur in den Städten.
Eine der besten Käsereien Ostkanadas befindet sich in dem kleinen Ort Sainte-Élizabeth-de-Warwick. Nicht nur wegen der zahlreichen Preise für ihren Hartkäse und der Sommerfeste mit Livemusik hat die Fromagerie du Presbytère einen kleinen Kultstatus erreicht: Die Käseräder reifen in hohen Regalen in einer Kirche. Weil die Gläubigen ausblieben, wurde das Gebäude zum Kauf angeboten. Nun dient die eine Hälfte noch immer als Gottesdienstraum, in der anderen Hälfte stapelt sich im Licht alter Kirchenfenster der Käse aus dem Betrieb der Familie Morin.
Und so verbinden sich in Québec die französische Vergangenheit und die kanadischen Temperaturen zu einem besonderen Winterurlaub. Damit dieser auch Europäerm so viel Spaß macht wie den Kanadiern selbst, gilt nicht nur im Hundeschlitten, sondern auch beim Stadtbummel die Faustregel: Im Zweifel immer eine Schicht Kleidung mehr anziehen und nie ohne Mütze und Handschuhe das Haus verlassen.
Denn das beste Mittel gegen Kälte ist eben möglichst viel Spaß im Schnee und auf dem Eis.