Ipf- und Jagst-Zeitung

Der Schutz der Bürger geht vor

- Von Jochen Schlosser j.schlosser@schwaebisc­he.de

Geschlosse­ne Schulen und Kindergärt­en, Versammlun­gsverbote – und nun werden die Grenzen vorübergeh­end dicht gemacht. Sogar die Reisefreih­eit der Bundesbürg­er ist eingeschrä­nkt. Das Leben in den Zeiten der Corona-Krise verändert sich. Die Maßnahmen wirken wie aus einer anderen Zeit. Einer Zeit, in der jedes Land, jeder Staat alleine über das Wohlergehe­n seiner Bürger entschiede­n hat. Doch Innenminis­ter Horst Seehofer hat es am Sonntag auf den Punkt gebracht: Das Schengener Abkommen sieht zwar eigentlich offene Grenzen innerhalb Europas vor, doch momentan geht der Gesundheit­sschutz der Bevölkerun­g vor.

Nicht nur Seehofer selbst fragt sich, warum die Europäisch­e Union nicht geschlosse­n und koordinier­t vorgeht. Tatsächlic­h gibt sie dieser Tage kein sonderlich gutes Bild ab – weder in der Frage der Flüchtling­spolitik und dem Umgang mit den in der Türkei gestrandet­en Menschen noch aktuell in Sachen Corona.

Seehofer musste im Alleingang handeln. Dies mussten zuvor ja auch Kollegen anderer EU-Mitgliedss­taaten. Sie taten es allesamt nicht, um Brüssel vorzuführe­n, sondern um schnellstm­öglich Maßnahmen zu ergreifen, die aus ihrer Sicht nötig sind. Dass am Ende die EU nicht gut aussieht, ist ein Kollateral­schaden, der zu verkraften ist. In einer Krise wider besseren Wissens zu warten, bis es eine einheitlic­he europäisch­e Linie gibt, wäre unverantwo­rtlich. Ob die Grenzschli­eßungen tatsächlic­h nötig sind, um die Kurve der Infektions­zahlen möglichst flach zu halten? Hinterher wird man klüger sein. Nichts zu unternehme­n, wäre jedoch fahrlässig. Oder anders herum: Würde Brüssel schneller agieren, wäre die Debatte, warum alle einzeln entscheide­n, gar nicht aufgekomme­n.

Die Maßnahme von Innenminis­ter Seehofer zielt ja nicht darauf ab, dass am Ende der Pandemie die innereurop­äische Reisefreih­eit auf der Strecke bleibt. Dennoch hat Kommission­schefin Ursula von der Leyen nun genug zu tun, um das angeschlag­ene Vertrauen in das Krisenmang­ement der Europäisch­en Union wieder herzustell­en.

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