Endlich virtuelles Kesselgulasch
Die Sportwelt zeigt sich im Zuge der Corona-Krise solidarisch und erdenkt sich kuriose Stilblüten als Hilfe
(dpa/SID/sz) - Ich. Ich. Und nochmals: ich. In Zeiten leerer Supermarktregale und handfester Auseinandersetzungen wegen ein paar Flaschen Desinfektionsmittel und einiger Rollen Toilettenpapier, reagieren auch im Sport unterschwellig die Ich-AGs. „Wie wird bloß das Finanzielle geregelt?“ist während der Zwangspause durch die Coronavirus-Pandemie die meist diskutierte Frage. Aber Überraschung: Auch wenn die Sportwelt fast Weltweit in den Stand-by-Modus geschaltet hat, treten Solidarität und Kreativität im Weltsport ungewohnt häufig zutage. Ein Abriss:
Appelle der Superstars:
Lionel Messi, seines Zeichens sechsmaliger Weltfußballer vom FC Barcelona, schrieb: „Dies ist ein außergewöhnlicher Zeitpunkt. Die Anweisungen der Gesundheitsorganisationen und der öffentlichen Behörden müssen befolgt werden. Nur so können wir die Pandemie wirksam bekämpfen. Es ist Zeit, Verantwortung zu übernehmen und zu Hause zu bleiben, und es ist auch perfekt, diese Zeit mit seinen Lieben zu genießen.“
Deutschlands Fußball-Nationalspieler Leon Goretzka appellierte: Statt um Tore, Punkte und Meisterschaften zu kämpfen, „kämpfen Mediziner für unsere Gesundheit. Lasst uns als Gesellschaft zusammenstehen und denen helfen, die Hilfe benötigen. Nehmt die offiziellen !! Infos der Städte ernst“, schrieb der Mittelfeldspieler des FC Bayern München. Am Sonntag zeigte er sich auf einem Foto im sonnigen München, eine Tasse in der einen und ein Buch in der anderen Hand. „Machen wir das Beste draus“, so sein Kommentar.
Solidarfonds angedacht:
Geht es nach Präsident Helge Leonhardt von Zweitligist Erzgebirge Aue, sollte sich der Fußball stark engagieren. Der 61-Jährige brachte einen „Corona-Rettungsfonds“ins Spiel, der von hochbezahlten Kräften mitbefüllt werden könnte. „Wichtig ist, dass unsere Arbeiter, Leute, die in der Pflege Dienst schrubben, Priorität haben. Die Fußballer werden abgefedert. Die sollten Abstriche machen“, sagte Leonhardt bei Sport im Osten im MDR. Ähnliche Gedanken äußerte auch DOSB-Präsident Alfons Hörmann.
Der Boss des Deutschen Olympischen Sportbundes sprach sich für einen Solidaritätsfonds von Topverdienern im Profisport aus. „In einer derartigen Krise, wie wir sie jetzt haben, ist unter anderem auch eine hohe Eigenverantwortung und ein hohes Maß an Solidarität, insbesondere bei den Vorbildern unserer Gesellschaft, gefragt“, fügte der 59Jährige an. Konkret könnte er sich vorstellen, dass Sportler mit Gehältern in Millionenhöhe dazu mithelfen, andere Existenzen zu bewahren.
Spendenbereitschaft:
Besonders betroffen von Covid-19 ist Italien, etliche Profis sind schon mit dem Virus infiziert. Der fünfmalige Weltfußballer Cristiano Ronaldo, der sich gerade auf Madeira aufhält, unterstützt eine Initiative seines Clubs Juventus Turin für zwei Krankenhäuser in Turin und Piemont.
Vorangegangen zum Thema Spendenbereitschaft waren aber die US-Stars, die vielfach ihre Geldbörsen
öffneten. Vor allem für das Personal der bis auf Weiteres geschlossenen Arenen. „Das ist größer als Basketball“, sagte Giannis Antetokounmpo, letztjähriger MVP der NBA, und stiftete 100 000 Dollar (ca. 90 000 Euro). Auf die harte Tour lernte es Rudy Gobert. Der Basketballer hatte vor wenigen Tagen noch Scherze über das Virus gemacht und sich demonstrativ falsch verhalten – dann wurde er als erster Spieler positiv getestet. „Ich hoffe, dass meine Geschichte als Warnung nützlich ist“, sagte der Center und spendet eine halbe Million Dollar. Die Großzügigkeit ist auf jeden Fall vorbildlich.
Ein Quarantäne-Club geht einkaufen:
Fußball-Zweitligist 1. FC Nürnberg will sich direkt tatkräftig für die Gemeinschaft engagieren und kündigte an, hilfsbedürftigen Menschen beim Einkauf zu helfen. Demnach werden Vereinsmitarbeiter – die keinen Kontakt zu dem in Quarantäne stehenden Team hatten – und Mitglieder der Ultras Nürnberg sowie des „Nordkurve für Nürnberg e. V.“für ältere, kranke, bedürftige Leute Einkäufe erledigen, die der Risikogruppe angehören. „Wir achten dabei auf hygienisch und medizinisch sichere Umsetzung, weshalb die Zahl unserer Einkaufshelfer auf eine sehr kleine Gruppe beschränkt bleibt und sie mit Mundschutz und Handschuhen agieren. Wir lassen uns zudem von medizinischen Experten beraten“, hieß es. Um keinen direkt Kontakt zu haben, werden die Einkäufe über eine Telefon-Hotline bestellt und dann von den Helfern vor der Tür abgestellt. Das Geld muss in einem Briefumschlag übergeben werden. „Wir leben in Krisenzeiten, da ist es für den 1. FC Nürnberg selbstverständlich, Menschen in unserer Region zu helfen“, sagte Finanzvorstand Niels Rossow.
Die Fußballer und Trainer des „Clubs“sind derzeit für zwei Wochen in einer Quarantäne isoliert, weil bei Abwehrspieler Fabian Nürnberger eine Infektion mit Sars-CoV-2 nachgewiesen wurde.
Virtuelle Stadion-Bratwurst:
Der 1. FC Union Berlin geht hingehen kreativ voran. Der Bundesligist hat virtuelles Bier und virtuelle StadionBratwürste an seine Fans verkauft. Da die Begegnung am Samstag gegen den FC Bayern München genau wie alle anderen Spiele durch die Pandemie nicht stattfinden konnte, veröffentliche der Club zur geplanten Anstoßzeit den selbst produzierten Aufstiegsfilm „Die Zeit ist nun gekommen“und öffnete dazu den virtuellen Imbisswagen des Clubs. Es könne doch nicht sein, dass es keinen Fußball mit der „Union-Familie“gibt, hieß es auf der Union-Internetseite: „So darf doch eine eiserne Woche nicht enden!“
Der Grund für die besondere Aktion: „Viele Unioner haben sich in den letzten Tagen gemeldet und gefragt, wie sie den Verein mit einer Spende unterstützen können. Darunter war eine unwiderstehliche Idee: der virtuelle Imbisswagen!“, teilten die Köpenicker mit. Viele Anhänger machten gerne davon gebraucht und kauften virtuell auch Kesselgulasch, Erbsensuppe oder Radler für Preise ab 2,50 Euro. Eine wirkliche Gegenleistung bekamen sie für ihre Spende nicht. „Trinken wir darauf, dass wir uns bald wieder alle gesund in unserem Wohnzimmer wiedersehen“, schrieben die Berliner.
Ein Wunsch, den sicherlich die gesamte Sportwelt derzeit unterschreiben würde.