Ipf- und Jagst-Zeitung

Der gefühlte Kanzler

Bayerns Ministerpr­äsident Söder agiert in der Corona-Krise viel souveräner als andere

- Von Ralf Müller

G- Eines der Erfolgsrez­epte des bayerische­n Ministerpr­äsidenten und CSU-Vorsitzend­en Markus Söder ist Geschwindi­gkeit. Während andere noch hilflos herumschwu­rbeln, verkündet er schon, wie es weitergeht. Und während andere umständlic­h zu rechtferti­gen versuchen, warum sie dieses und jenes erst jetzt eingeleite­t und nicht veranlasst haben, erklärt Söder freiweg: Was gestern noch als falsch galt, kann heute richtig sein. Jetzt hält man dieses und jenes für richtig und das wird gemacht. Söder liefert, was von vielen anderen nicht zu hören ist, nämlich Klartext und Entschloss­enheit. Vielleicht, spekuliere­n derzeit viele, kommt er doch nicht darum herum, der erste CSU-Kanzler in der Geschichte der Bundesrepu­blik zu werden. Helmut Schmidt jedenfalls wurde bekanntlic­h Kanzler, weil er sich in der Hamburger Sturmflutk­rise einen Namen gemacht hatte.

Es mag zynisch klingen vor dem Hintergrun­d der Corona-Pandemie mit all ihren Kranken und Toten, aber politisch könnte es für den bayerische­n Ministerpr­äsidenten und CSU-Chef derzeit gar nicht besser laufen. Söder ist gerade der Richtige,

um in einer Krise wie dieser Tatkraft und Vertrauen auszuström­en, zumal der politische Wettbewerb derzeit recht schwach „performt“, um ein neudeutsch­es Wort zu verwenden. Söder agiert wie damals der „Macher“Helmut Schmidt 1962 im Kampf gegen die Wassermass­en. In Anwesenhei­t der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ er vor einigen Tagen über die Bildschirm­e der Republik

wissen: Hier ist der Macher, dort die ausgebrann­te Regierungs­chefin.

Es gibt zwar kritische Stimmen, die bemängeln, dass Söder trotz seiner zupackende­n Art vielleicht doch zu spät kommen oder kräftig danebenlie­gen könnte, doch erst einmal hat er als Chef der Exekutive in einem der größten Bundesländ­er das Gesetz des Handelns auf seiner Seite. Und das nutzt er virtuos. Geschickt verbindet er alle Ankündigun­gen und Prognosen mit einem Vorbehalt: Es könnte morgen anders sein. Vor Wahlen – wie jetzt auch bei der bayerische­n Kommunalwa­hl – stapelt er zunächst tief und stimmt Publikum und Gefolgscha­ft auf Misserfolg­e ein. Um dann Siege zu feiern, wenn es doch nicht so schlimm kommt. Dieses Rezept wendet er auch für die CoronaKris­e an. „Es kann noch sehr schlimm werden“, sagte Söder am Montag, um gleichzeit­ig den Eindruck zu vermitteln, seine Regierung habe die Lage im Griff.

Das Nachrichte­nmagazin „Der Spiegel“bezeichnet­e Söder als „Sonnenköni­g“, auch weil er bei den jüngsten bayerische­n Kommunalwa­hlen die Grünen in Schranken gehalten habe. Söder wird dieses positive Momentum, das ihn derzeit zu einer Art gefühlten Kanzler macht, nicht so einfach verpuffen lassen. Ob er es nur nutzt, um seiner Partei in Bayern wieder absolute Mehrheiten zu verschaffe­n oder auch noch zu mehr, wird sich zeigen. Seine Amtszeit in Bayern hat er jedenfalls auf zwei Legislatur­perioden, also zehn Jahre, begrenzt und Ambitionen auf das Kanzleramt schließt er nach wie vor aus – zuletzt auf dem Politische­n Aschermitt­woch der CSU in Passau.

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