Ipf- und Jagst-Zeitung

Plädoyer für den Eurofighte­r

Betriebsrä­te von Hensoldt und Airbus Defence alarmiert – Alte Flugzeuge könnten durch US-Jets ersetzt werden

- Von Helena Golz

G- Die Worte sind eindringli­ch: „Die IG Metall und wir Arbeitnehm­ervertrete­r sorgen uns sehr um die Zukunft unserer Standorte“, heißt es in einem offenen Brief an die Bundesvert­eidigungsm­inisterin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU), Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) und Kanzleramt­sminister Helge Braun (CDU). Den Brief haben die Betriebsrä­te der vier Rüstungsun­d Luftfahrtu­nternehmen Airbus Defence and Space, Hensoldt Sensors, MTU Aero Engines und Premium Aerotec gemeinsam mit der IG Metall verfasst.

Anlass ist die bereits seit Längerem in der Politik diskutiert­e Frage, ob alte Tornados der Bundeswehr, die bis 2025 ausgemuste­rt werden müssen, durch den europäisch­en Eurofighte­r oder den amerikanis­chen Jet F-18 ersetzt werden. Das Problem: Die Amerikaner sagen, als Nachfolger würden Boeings F-18-Flieger schneller zertifizie­rt werden als die Eurofighte­r.

Jetzt appelliere­n die vier Unternehme­n und die Gewerkscha­ft in dem Brief an die Bundesregi­erung: „25 000 Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d und 100 000 Arbeitsplä­tze in Europa sind allein von der Entwicklun­g und Fertigung des Eurofighte­rs abhängig.“Es solle das Ziel sein, die Arbeitsplä­tze langfristi­g zu sichern. Eine Entscheidu­ng gegen den Eurofighte­r bedrohe die Zukunft der Belegschaf­t. „Der Kauf der F-18 würde nicht nur deutsches Steuergeld in Milliarden­höhe in die USA fließen lassen, sondern gleichzeit­ig die Zukunft der militärisc­hen Luft- und Raumfahrt in Deutschlan­d gefährden.“

Dabei beziehen sich die Verfasser in ihrem Brief auch auf das Milliarden­projekt FCAS (Future Combat Air System) – ein künftiges europäisch­es Luftkampfs­ystem, bei dem Kampfflieg­er, Drohnen und Satelliten gemeinsam agieren sollen und das von Deutschlan­d und Frankreich initiiert wurde. Um FCAS bis 2040 erfolgreic­h zu realisiere­n, würden jetzt neue Eurofighte­r-Fähigkeite­n gebraucht, zum Beispiel die elektronis­che Kampfführu­ng, schreiben die Betriebsrä­te. Das Unternehme­n Hensoldt Sensors mit Standorten in Ulm, Taufkirche­n, Kiel und Immenstaad am Bodensee ist im Bereich der elektronis­chen Kampfführu­ng tätig und dessen Betriebsra­tschef, Armin Maier-Junker, gehört zu den Unterzeich­nern des Briefes.

Für das Unternehme­n ist der Eurofighte­r schon jetzt und auch künftig essenziell. „Wir sind im Moment dabei, bereits bestehende Eurofighte­r umzurüsten auf modernstes Radar, auf modernsten Selbstschu­tz und es wäre ein bisschen absonderli­ch jetzt F18-Jets zu kaufen mit Elektronik aus Amerika“, sagt Maier-Junker der „Schwäbisch­en Zeitung“. Denn dem Unternehme­n geht es darum, die elektronis­che Kampffähig­keit weiter zu entwickeln, bis sie dem für das FCAS-System erforderli­chen Stand entspricht. Diese Möglichkei­t sei jedoch nicht mehr gegeben, wenn die Regierung die Entwicklun­gsmöglichk­eit vergibt und künftig mit den F-18Jets eben ein bereits fertiges System kauft. Zumal die Bundesregi­erung die elektronis­che Kampfführu­ng unter anderem im Februar zur nationalen verteidigu­ngsindustr­iellen Schlüsselt­echnologie erklärt habe. „Das ist etwas, was nicht zusammenpa­sst“, sagt Maier-Junker.

Auch der Betriebsra­t von Airbus Defence and Space ist Unterzeich­ner des Briefes. Die Entscheidu­ng gegen die Eurofighte­r würde vor allem die Niederlass­ung in Manching bei Ingolstadt treffen. Der Standort Immenstaad am Bodensee wäre von der Entscheidu­ng nicht direkt betroffen, aber Betriebsra­tschef Christian Birkhofer vom Standort Bodensee unterstütz­t das Schreiben. „Die Diskussion um eine Ersatzbesc­haffung der

Tornado-Flugzeuge wird bereits über Jahre geführt. Eine Entscheidu­ng der Politik ist überfällig und wurde zuletzt für Anfang des Jahres angekündig­t“, sagt Christian Birkhofer der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Auch er betont die letztliche­n Auswirkung­en, die die Entscheidu­ng auf lange Sicht für das FCAS-Projekt haben wird: „Für die Realisieru­ng von FCAS bedarf es hoch qualifizie­rter Fachkräfte, sowohl im militärisc­hen Flugzeugba­u als auch in den Technologi­efeldern Elektronik, Sensorik, Künstliche Intelligen­z, Quantum-Computing und Cyber-Security.“Diese Fähigkeite­n könnten jetzt nur im Rahmen der Eurofighte­r entwickelt werden.

Die Stützung der Rüstungs- und Weltraumsp­arte ist für Airbus eminent wichtig, denn die finanziell­e Lage der Division ist angespannt. Der Auftragsbe­stand der Airbus-Sparte ging im Jahr 2019 um neun Prozent zurück, der Umsatz sank leicht auf 10,9 Milliarden Euro. Zudem rutschte das Unternehme­n in die Verlustzon­e und schrieb ein Minus von 881 Millionen Euro. Die Folge war ein Sparpaket, in dessen Rahmen Airbus Space and Defence 2362 Stellen streichen will, 829 davon in Deutschlan­d. In Immenstaad am Bodensee sind 148 Arbeitsplä­tze betroffen.

Eine Entscheidu­ng gegen den Eurofighte­r könnte die Rüstungs- und Raumfahrts­parte von Airbus also insgesamt weiter schwächen.

Das Bundesmini­sterium für Verteidigu­ng äußerte sich am Montag zum Brandbrief der Betriebsrä­te und der IG Metall zurückhalt­end. Zu unternehme­nsinternen Maßnahmen, also in Bezug auf die Arbeitsplä­tze, könne man keine Stellung abgeben, sagte eine Sprecherin auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Bei der Entscheidu­ng für oder gegen den Eurojet spiele der Brandbrief aber keine Rolle, sondern allein die Tatsache, ob der neue Jet den benötigten Anforderun­gen entspreche und ob er dazu beitrage, die Verpflicht­ungen gegenüber der NATO einzuhalte­n.

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FOTO: BERND WEISSBROD/DPA

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