Kirchen in Zeiten von Corona
Selbst Orte, wo Menschen Trost finden, müssen schließen - Konfirmationen abgesagt
G- „Es tut weh, gerade die Orte, nämlich Kirchen, schließen zu müssen, an die sich Menschen wenden, wenn sie in Not sind“, sagt der evangelische Dekan Ralf Drescher. Der katholische Pfarrer Wolfgang Sedlmeier spricht von einer irrealen, grausamen Situation und gesteht, dass er sich miserabel fühlt, wenn er Gottesdienste absagen muss und sieht, welche Bestürzung dies bei den Gläubigen auslöst. „Dafür bin ich nicht Priester geworden.“Ursache für das alles natürlich: Das Corona-Virus.
Während die Evangelische Landeskirche bereits Klarheit geschaffen und alle Gottesdienste abgesagt hat, sind die Katholiken im Dekanat Ostalb noch in einer Art Schwebezustand. Gottesdienste wurden am vergangenen Wochenende gehalten – noch. Denn am Montag warteten alle auf neue Entscheidungen des Ordinariats in Rottenburg, nachdem andere deutsche Diözesen bereits Gottesdienste abgesagt haben.
Am Nachmittag hat die Diözese dann entschieden: Alle öffentlichen Gottesdienste werden bis einschließlich 19. April abgesagt. Allerdings haben Kirchengemeinden im Dekanat Ostalb von sich aus bereits am vergangenen Wochenende auf öffentliche Gottesdienste verzichtet. Dekan Robert Kloker zum Beispiel hat am Sonntag kurzfristig eine große Messe im Gmünder Münster abgesagt.
Man merke auch, dass Menschen von sich aus den Gottesdiensten fern bleiben, berichtet der Dekan, und dafür habe er Verständnis. „Gesundheit geht vor!“Kloker sorgt sich aber auch, dass der Glaube nicht verloren geht. Menschen hätten spirituelle Bedürfnisse und die Pandemie sei hier eine Herausforderung für Christen. Der Dekan empfiehlt daher Hausgebete in der Familie. Außerdem gelte es, soziale Dienste aufzubauen, um älteren Menschen zu helfen. Es gebe aber auch die Tradition des eucharistischen Fastens, um durch Entsagung Gott zu ehren. „Vielleicht“, sinniert Kloker, „ist uns das als Chance auferlegt, um den Wert der Eucharistie neu zu entdecken.“
Dass weniger Gläubige zu den Gottesdiensten kommen, hat auch Pfarrer Wolfgang Sedlmeier beobachtet. Und die hätten sich schön verteilt, so dass der notwendige Abstand gewahrt geblieben sei. Er überlegt, mehr Wort-Gottesdienste anzubieten und damit auch auf die Handkommunion – die Mundkommunion ist momentan ohnehin tabu - zu verzichten. „Aber das ist kein rechter Ersatz.“Abgesagt sind alle Firmungen, die Erstkommunion nach Ostern noch nicht. Hochzeiten mit bis zu 50 Personen sind noch möglich, Beerdigungen nur im Freien.
Und was ist mit den Osterfeierlichkeiten, die der Vatikan für Rom bereits abgesagt hat? „Es täte mir in der Seele weh, auf diese schöne Liturgie verzichten zu müssen“, räumt Sedlmeier freimütig ein.
Um Worte ringt auch Dekan Ralf Drescher. „Es stimmt etwas nicht, wenn man Gottesdienste absagen muss“, bekennt er. „Denn wir müssen da sein, wenn die Menschen sich an uns wenden.“Als Ersatz habe man am Wochenende Andachten vor den Kirchen angeboten und die seien sehr dankbar angenommen worden.
Er habe die Pfarrerinnen und Pfarrer im Kirchenbezirk Aalen dringend gebeten, berichtet Drescher weiter, Präsenz zu zeigen, ihre Erreichbarkeit sicherzustellen und auch zu kommunizieren.
Sein Stellvertreter Nicolai Gießler aus Kirchheim ergänzt, er lade aktiv dazu ein, sich telefonisch bei ihm zu melden. Dreschers erster Stellvertreter, der Ellwanger Pfarrer Martin Schuster, sagt, selbstverständlich würde er lieber zum Gottesdienst einladen. Da dies im Moment nicht möglich ist, hat er darum gebeten, Menschen, die in Isolation leben müssen und aus irgendwelchen Gründen nicht heraus können, täglich anzurufen, um so Kontakte zu pflegen und der Einsamkeit entgegen zu wirken. Es gehe darum, eine menschliche, zugewandte Gesellschaft zu bleiben.
Im Kirchenbezirk sind bis Ende April alle Konfirmationen abgesagt. Dann soll neu entschieden werden. Taufen sind nach Auskunft des Dekans in der Regel Teil des Gottesdienstes und finden daher momentan auch nicht statt, ebenso wenig Trauungen. Beerdigungen sind überwiegend im Freien. „Die Leute haben viel Verständnis für die Maßnahmen“, berichtet Drescher und fügt hinzu: „Das hätte ich so nicht erwartet.“