Ipf- und Jagst-Zeitung

Gewichtige Hinterlass­enschaft von Pablo Escobar

Kolumbien diskutiert den richtigen Umgang mit den 80 Flusspferd­en des Drogenbaro­ns

- Von Klaus Ehringfeld

G- Es ist ein dickes Problem, an dem Kolumbiens Umweltund Tierschütz­er bereits seit geraumer Zeit rumdoktern. Es wiegt rund 4000 Kilo, ist äußerst gefräßig, expansiv, zerstöreri­sch, aber irgendwie auch putzig. Und es ist ein Erbe des legendären Drogenköni­gs Pablo Escobar, der im Dezember vor 27 Jahren von einem Spezialkom­mando erschossen wurde. An den Flusspferd­en, die Escobar einst auf dem Höhepunkt seiner Macht und seines Reichtums auf seinem Landsitz „Hacienda Nápoles“nahe Medellín gemeinsam mit Giraffen, Tigern und Elefanten ansiedelte, scheiden sich bei Bevölkerun­g und Experten in dem südamerika­nischen Land die Geister.

Die drolligen Dickhäuter, drei Weibchen und ein Männchen, wurden übersehen, als die Behörden nach Escobars Tod die rund 7000 Fußballfel­der große Hacienda räumten. Die Tiere lebten lange Zeit unbehellig­t in den Seen und Teichen der Ranch vor sich hin. Dabei vermehrten sie sich fleißig.

Experten schätzen, dass mittlerwei­le rund 80 Hippos die zum Themenpark umgewandel­te ehemalige Drogenranc­h und den nahe gelegenen Magdalena-Fluss bevölkern. In zehn Jahren könnten es aber schon doppelt so viele sein und in 30 Jahren gar bis zu 400, sagt der Biologe und Flusspferd-Experte Germán Jiménez. Denn die eigentlich in Afrika beheimatet­en Tiere haben in Kolumbien keine natürliche­n Feinde, dafür aber ideale klimatisch­e Bedingunge­n für ein entspannte­s Fortpflanz­en. In der Regel gebären Flusspferd-Weibchen ein Junges pro Jahr.

Doch die Tiere schaden Flora und Fauna am Río Magdalena, der Lebensader der Menschen im Nordwesten Kolumbiens. Oder sie verändern sie zumindest nachhaltig. Denn die Hippos fressen bis zu 80 Kilo Gräser am Tag, scheiden die Reste in den Fluss aus und bringen so das Ökosystem aus dem Gleichgewi­cht. Außerdem verdrängen sie in ihrer expansiven Art die heimischen Spezies wie Seekühe, Schildkröt­en und

Otter. Ganz zu schweigen von den Menschen, die entlang des Magdalena-Flusses leben und es mit der Angst zu tun bekommen, wenn sie mit ihren schmalen Fischerboo­ten an einer Herde Hippos vorbeimüss­en oder die Dickhäuter sich zum Abendspazi­ergang in die Dörfer aufmachen. Schließlic­h sind Flusspferd­e

nicht gerade friedliebe­nde Zeitgenoss­en. Und sie rennen schneller als Menschen.

Nun ist guter Rat teuer. Was also ist zu tun: Abschießen? Kastrieren, Einzäunen, auf Zoos verteilen oder nach Afrika zurückbrin­gen? Alles haben die Experten schon in Betracht gezogen. Nichts konnte wirklich überzeugen. Der Abschuss der Tiere ist seit 2009 ausgeschlo­ssen. Damals brachten Jäger nach tagelanger Jagd Pepe zur Strecke, das einzige Männchen, das Escobar nach Kolumbien geholt hatte. Pepe war zuvor von der Hacienda ausgebüxt. Und um zu vermeiden, dass er in der Umgebung Anpflanzun­gen platttramp­elt und

Menschen gefährdet, wurde er zum Abschuss freigegebe­n.

Es folgte ein öffentlich­er Aufschrei, der Rücktritt des Umweltmini­sters wurde gefordert. Weitere Jagdpläne wurden nicht nur umgehend gestoppt, es wurde sogar ein Gesetz durchs Parlament gebracht, das den Abschuss von „Hipopótamo­s“in Kolumbien verbietet.

David Echeverri, Biologe bei der staatliche­n Umweltorga­nisation Cornare und so etwas wie der kolumbiani­sche Hippo-Beauftragt­e, wägt die verschiede­nen Alternativ­en ab und sagt: „Entweder sind sie schwer umsetzbar oder nicht bezahlbar“. Die Kolosse einfangen und in Reservaten wieder auswildern, das sei aufwendig und komplizier­t, da die Hippos nicht wirklich handzahm sind. Und es löst das Problem der Vermehrung nicht. Eine andere Möglichkei­t ist die Unterbring­ung in Zoos. Aber wer nimmt schon 80 Flusspferd­e?

„Entweder sind sie schwer umsetzbar oder nicht bezahlbar.“

2018 wurde ein junges Flusspferd in einen Tierpark gebracht. Die Aktion kostete umgerechne­t 4000 Euro.

Das Mittel der Wahl soll also nun die Unfruchtba­rmachung der Schwergewi­chte sein. Aber auch das ist ja nicht gerade einfach. Man muss die Tiere einfangen, narkotisie­ren und sie dann kastrieren oder die Weibchen sterilisie­ren. Auch hier gilt: kostspieli­g und gefährlich. In Australien hat auch die Ökologin Arian Wallach von der University of Technology in Sydney von den Dickhäuter­n in Kolumbien gehört. Sie findet es einen „Segen“, dass die vom Aussterben bedrohten Flusspferd­e außerhalb Afrikas eine Zuflucht gefunden haben. Die Tatsache, dass es wilde Hippos in Südamerika gebe, sei „eine wunderbare Geschichte von Überlebens­wille, Handlungsf­ähigkeit und Pioniergei­st“.

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FOTO: IMAGO IMAGES

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