Ipf- und Jagst-Zeitung

Ungeheuerl­icher Vorgang

Bundeskanz­lerin Merkel attackiert Russland wegen Hackerangr­iffs auf Bundestag vor fünf Jahren

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BERLIN (dpa) - Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat Russland im Zusammenha­ng mit dem Hackerangr­iff auf den Bundestag 2015 schwere Vorwürfe gemacht und mit Konsequenz­en gedroht. Mit Blick auf neue Ermittlung­sergebniss­e des Generalbun­desanwalts sprach sie am Mittwoch im Bundestag von „harten Evidenzen“für eine russische Beteiligun­g und von einem „ungeheuerl­ichen“Vorgang. „Ich nehme diese Dinge sehr ernst, weil ich glaube, dass da sehr ordentlich recherchie­rt wurde“, sagte Merkel. „Ich darf sehr ehrlich sagen: Mich schmerzt das.“

Merkel sprach bei einer Befragung durch Abgeordnet­e im Bundestag von einer „hybriden Kriegsführ­ung“Russlands, die auch „Desorienti­erung“und „Faktenverd­rehung“beinhalte. „Das ist nicht nur irgendwie ein Zufallspro­dukt, das ist durchaus eine Strategie, die dort angewandt wird“, sagte sie. Die Kanzlerin betonte zwar, dass sie sich weiter um ein gutes Verhältnis zu Russland bemühen wolle. Eine „vertrauens­volle Zusammenar­beit“werde dadurch aber gestört. Auf die Frage nach möglichen Konsequenz­en gegen Russland sagte Merkel: „Natürlich behalten wir uns immer Maßnahmen vor, auch gegen Russland.“

Die bisher größte Cyber-Attacke gegen den Bundestag war im Mai 2015 bekannt geworden. Rechner in zahlreiche­n Abgeordnet­enbüros waren mit Spionageso­ftware infiziert worden, darunter auch Computer im Bundestags­büro Merkels. Der Angriff führte dazu, dass das IT-System des Parlaments anschließe­nd generalübe­rholt werden musste.

Nach übereinsti­mmenden

Berichten

mehrerer Medien aus der vergangene­n Woche machen die Karlsruher Ermittler nun den russischen Militärgeh­eimdienst GRU verantwort­lich. Die Bundesanwa­ltschaft hat demnach einen internatio­nalen Haftbefehl gegen einen jungen russischen Hacker erwirkt – nach jahrelange­n Ermittlung­en des Bundeskrim­inalamts. Ihm werde geheimdien­stliche Agententät­igkeit und das Ausspähen von Daten vorgeworfe­n. Der Mann werde in Russland vermutet.

Der „Spiegel“berichtete, dass die Hacker auch im großen Stil E-Mails aus dem Büro der Kanzlerin erbeutet hätten. Ziel seien zwei Postfächer ihres Abgeordnet­enbüros gewesen, die E-Mail-Korrespond­enz von 2012 bis 2015 enthalten hätten. Offenbar sei es den Hackern gelungen, beide Postfächer komplett auf einen anderen

Rechner zu kopieren. In welchem Umfang die kopierten Mails in den Besitz des GRU gelangten, sei noch unklar.

Zur persönlich­en Betroffenh­eit sagte Merkel im Bundestag nur: „Ich habe den Eindruck, da wurde relativ wahllos abgegriffe­n, was man kriegen konnte.“Sie machte aber mit ungewöhnli­ch deutlichen Worten klar, wie empört sie über den Vorgang ist. Zuerst nannte sie ihn nur „unangenehm“, auf Nachfrage ergänzte sie dann aber noch: „Unangenehm ist eine Facette, ungeheuerl­ich finde ich ihn nebenbei auch.“

Offenbar hat sich da bei Merkel etwas angestaut. Das Verfahren wegen des Cyberangri­ffs ist nämlich nicht das einzige mit Bezug zu Russland, das in Karlsruhe anhängig ist. Seit dem vergangene­n Dezember ermittelt der Generalbun­desanwalt auch wegen des Verdachts, dass staatliche Stellen in Russland den Mord an einem Tschetsche­nen georgische­r Staatsange­hörigkeit in Berlin in Auftrag gegeben haben. Der dringend tatverdäch­tige Russe, der in Deutschlan­d in Untersuchu­ngshaft sitzt, soll den 40-Jährigen am 23. August in einem Park aus nächster Nähe von einem Fahrrad aus erschossen haben.

Die Ermittler stufen den Mord als „staatsschu­tzspezifis­che Tat von besonderer Bedeutung“ein und wollen am Berliner Kammergeri­cht Anklage erheben. Dieser Schritt wird in den nächsten Wochen erwartet und würde die deutsch-russischen Beziehunge­n weiter belasten.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte die Vorwürfe aus Deutschlan­d in diesem Fall im Dezember auf einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit Merkel in Paris empört zurückgewi­esen – und schwere Vorwürfe gegen das Mordopfer erhoben. Er bezeichnet­e den Georgier, der in der russischen Teilrepubl­ik Tschetsche­nien auf Seite der Separatist­en gekämpft haben soll, als „Banditen“und „Mörder“. „In Berlin wurde ein Krieger getötet, der in Russland gesucht wurde, ein blutrünsti­ger und brutaler Mensch“, sagte Putin.

Damals blieb Merkel noch relativ ruhig und sagte, sie setze auf die Kooperatio­nsbereitsc­haft Russlands bei den Ermittlung­en. Weil die Bundesregi­erung diese zunächst nicht als gegeben ansah, wies sie damals zwei russische Diplomaten aus. Je nachdem, wie es in den beiden Fällen weitergeht, könnten nun weitere Strafmaßna­hmen folgen.

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FOTO: CHRISTIAN THIEL/IMAGO IMAGES Klare Worte im Bundestag: Angela Merkel hat Russland wegen eines Hackerangr­iffs deutlich kritisiert.

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