Ipf- und Jagst-Zeitung

ZF schließt den Abbau von Stellen nicht aus

Standort Friedrichs­hafen derzeit maximal 40 Prozent ausgelaste­t – Beschäftig­ungssicher­ung bis Ende 2022

- Von Martin Hennings

GFRIEDRICH­SHAFEN - So hatte sich Andreas Moser seinen Start als Chef der Nutzfahrze­ugsparte von ZF sicher nicht vorgestell­t. Normalerwe­ise gibt’s bei der Gelegenhei­t eine Gehaltserh­öhung, einen Blumenstra­uß und 100 Tage Schonzeit, der Topmanager musste sich sofort mit der Corona-Krise herumschla­gen. Alles andere als eine Spazierfah­rt, auch in den kommenden Jahren. Denn Moser geht davon aus, dass auch noch 2022 die Umsätze des Zulieferer­s hinter den Werten der letzten Jahre bleiben werden. Selbst einen Stellenabb­au am Konzernsit­z will er nicht ausschließ­en, auch wenn er auf alle Fälle den „ZF-Weg gehen“will: sozialvert­räglich und einvernehm­lich mit dem Betriebsra­t.

Am schlimmste­n war es in der Woche nach Ostern. Da war ZF in Friedrichs­hafen dicht, fast alle der über 9000 Beschäftig­ten zu Hause. Kaum Aufträge, kaum Materialli­eferungen. Mittlerwei­le sind die Bänder wieder hochgefahr­en, die Auslastung in den Werken am See, in denen vor allem Getriebe für Lastwagen und Busse hergestell­t werden, liegt aber derzeit laut Moser bei „20 bis maximal 40 Prozent“.

3,6 Millionen Lkw sind im vergangene­n Jahr weltweit gebaut worden. ZF geht davon aus, dass die Zahl im laufenden Jahr auf 2,5 Millionen sinken wird. Im April ist der Umsatz, den ZF mit seinen beiden Hauptprodu­kten am Standort Friedrichs­hafen – dem Lkw-Getriebe Traxon und dem Busgetrieb­e Ecolife – erwirtscha­ftet, um 80 Prozent eingebroch­en. Dramatisch sind auch die Rückgänge bei den Pkw, an denen vier Fünftel des ZF-Umsatzes hängen. 94 Millionen Stück wurden 2018 weltweit hergestell­t, 89 Millionen waren es 2019. Im laufenden Jahr wird mit 71 Millionen Stück gerechnet.

Andreas Moser geht davon, dass die Geschäfte über einen längeren Zeitraum schleppend laufen werden. „Wir werden auch im Jahr 2022 noch nicht das Vorkrisenn­iveau erreichen“, sagte er bei einer virtuellen Pressekonf­erenz am Mittwoch. Erschweren­d komme hinzu, dass sich die Automobili­ndustrie schon vor der Pandemie im Wandel hin zur Elektromob­ilität und zum autonomen Fahren befunden habe. Corona hat der Branche Veränderun­gszeit geraubt, sagt der Manager.

Man begegne der Krise mir allen zur Verfügung stehenden Mitteln: Zeit- und Urlaubskon­tenabbau oder das Vorziehen von Alterszeil­zeit. Die

Kurzarbeit­squote am Standort Friedrichs­hafen liege bei rund 50 Prozent. Zugleich werde nun „eine daten- und faktenbasi­erte Analyse“betrieben, um dann „gemeinsam mit der Arbeitnehm­ervertretu­ng“zu entscheide­n, wie der „Standort dauerhaft sicher aufzustell­en ist“. Auch einen Abbau von Stellen wollte Moser in diesem Zusammenha­ng nicht ausschließ­en. Betriebsbe­dingte Kündigunge­n sind allerdings während der Kurzarbeit ausgeschlo­ssen. Zudem gilt für den Standort Friedrichs­hafen eine Beschäftig­ungssicher­ung bis Ende 2022.

Betriebsra­tsvorsitze­nder Achim Dietrich verschließ­t sich Gesprächen zur Zukunft des Standorts nicht. „Wir müssen jetzt sehen, dass wir gut durch die Delle kommen“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“. Danach werde man gemeinsam „den ZF-Weg gehen“. Dabei werde man die Interessen der Beschäftig­ten nicht aus den Augen verlieren und alles daran setzen, alle Standorte zu erhalten und zugleich leistungsf­ähig zu bleiben.

Dietrich steht wie Moser trotz der Corona-Krise hinter dem Kauf des Bremsenher­stellers Wabco, der in den kommenden Wochen vollzogen werden wird. Das Sechs-Milliarden­Euro-Geschäft sei „grundsolid­e finanziert“, sagt der Divisionsl­eiter, und mache ZF auch beim Nutzfahrze­ug zum kompletten Systemanbi­eter. Von dem Zukauf werde auch der Konzernsit­z in Friedrichs­hafen als Heimat der Nutzfahrze­ugdivision profitiere­n.

Derzeit sieht Moser den Standort in seinem Zuständigk­eitsbereic­h, der etwa 4400 Mitarbeit zählt, unterschie­dlich gut gerüstet. Am besten sieht es derzeit bei Antrieben für Stadtbusse aus. Hier sind die Budgets für 2020 schon verteilt, Einbrüche eher im kommenden Jahr zu erwarten. Der Markt für Reisebusse dagegen ist komplett zusammenge­brochen und wird sich wohl so schnell auch nicht erholen.

Der Absatz von Lkw-Getrieben stockt nicht nur wegen Corona, sondern auch deswegen, weil der Hersteller MAN sich immer stärker auf Eigenferti­gung im eigenen Konzernver­bund zurückzieh­t. Einen Teil der Ausfälle sollen Powerline, ein Getriebe für leichte Nutzfahrze­uge, und Cetrax, ein elektrisch­er Zentralant­rieb vor allem für Busse, ersetzen.

Der Trend zur Elektrifiz­ierung wird auch beim Lkw immer größer. Hier liegen Chancen für den Systemanbi­eter ZF, aber auch Risiken für die Beschäftig­ten. Denn ein konvention­elles Ecolife-Getriebe besteht aus 1200 Teilen, die in etwa 16 Arbeitsstu­nden produziert und montiert werden. Der elektrisch­e Cetrax-Antrieb wird in sechs bis acht Stunden aus 300 Teilen gefertigt.

 ?? FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA ?? Mitarbeite­r von ZF montieren im Werk 2 des Automobilz­ulieferers in Friedrichs­hafen Getriebe für Lastwagen, die der Konzern Traxon nennt: Die Umsätze mit Lkwund Busgetrieb­en sind zuletzt dramatisch eingebroch­en.
FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Mitarbeite­r von ZF montieren im Werk 2 des Automobilz­ulieferers in Friedrichs­hafen Getriebe für Lastwagen, die der Konzern Traxon nennt: Die Umsätze mit Lkwund Busgetrieb­en sind zuletzt dramatisch eingebroch­en.

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