Ipf- und Jagst-Zeitung

Durchzug zum Hauptgang

Restaurant­s dürfen langsam wieder öffnen – Dabei kommt es laut Wissenscha­ftlern auf die richtige Lüftung an

- Von Marco Krefting

GBERLIN/MANNHEIM (dpa) - Im Biergarten weht den Besuchern eh ein laues Lüftchen um die Nase. Aber auch in Restaurant­s könnte der vielen unliebsame Durchzug bald notwendig werden – wegen Corona. Denn das neuartige Virus verbreitet sich vor allem durch die Luft. Und hier sehen Wissenscha­ftler – vom Virologen über Mediziner bis zum Physiker – Folgen für das wieder startende Gastgewerb­e.

Nach Wochen coronabedi­ngter Einschränk­ungen des öffentlich­en Lebens lockern die Bundesländ­er seit Tagen ihre Anti-Pandemie-Maßnahmen. Die Wiedereröf­fnung in der Gastronomi­e ist dabei ein wesentlich­er Aspekt. Als bundesweit­er Vorreiter hat Mecklenbur­g-Vorpommern Restaurant­s schon seit Samstag den Betrieb wieder erlaubt. Nordrhein-Westfalen folgte am Montag, am Mittwoch dann Hamburg und Rheinland-Pfalz. In BadenWürrt­emberg dürfen Restaurant­s ab Montag wieder Gäste bewirten. In Bayern startet das Geschäft am kommenden Montag zunächst nur im Außenberei­ch. Erst eine Woche später soll es im Innenberei­ch losgehen.

Das klingt plausibel, folgt man dem Virologen Christian Drosten von der Berliner Charité. Der Außenberei­ch sei als relativ sicher einzustufe­n, sagte er am Dienstag im

NDR-Podcast. „Im Außenberei­ch ist ein Zwei-Meter-Abstand wahrschein­lich gar nicht notwendig.“Der Wind wehe das Virus weg. In Innenberei­chen sollte man genau für diesen Durchzug-Effekt Fenster aufreißen. In Räumen seien wegen der Infektions­gefahr auch Abstandsre­geln wichtiger, so Drosten.

Klar ist: Wie viele Viren, verbreitet sich auch Sars-CoV-2 durch die Luft. Als Tröpfcheni­nfektion, aber auch in Form sogenannte­r AerosolPar­tikel. Das sind kleinste Schwebetei­lchen. Inzwischen gibt es mehrere

Studien, die nahelegen, dass auch über diese Aerosole eine Ansteckung­sgefahr mit dem neuartigen Virus besteht. Drosten schätzt das Risiko von Tröpfchen- und AerosolInf­ektion nach derzeitige­m Stand in etwa gleich hoch ein. Schmierinf­ektionen machten wohl nur etwa zehn Prozent aus.

Der Physiker Roland Netz von der Freien Universitä­t Berlin hat sich mit der Lebensdaue­r von virenhalti­gen Tropfen beschäftig­t. Etwa ein Prozent der Spucke seien gelöste Stoffe wie Viren, sagt er. Wenn der Wasserante­il

in den Tropfen verdunstet, werden sie kleiner und die übrig bleibenden Teilchen können länger in der Luft umherschwi­rren. Daher sei es sinnvoll, die sogenannte­n Community-Masken zu tragen. So könne eine weite Verteilung der Tropfen eingedämmt werden.

Netz empfiehlt außerdem beispielsw­eise mit Blick auf Restaurant­s: „Wichtig ist die relative Luftfeucht­igkeit.“Diese sollte, wenn sie reguliert werden kann, nicht zu niedrig werden. Dann schrumpfte­n die Tropfen nicht so schnell, und schwerere Tropfen sinken eher zu Boden. „Außerdem trocknen sonst die Schleimhäu­te aus und werden anfälliger für Viren.“Klimaanlag­en könnten die Luft zudem verwirbeln, gut ausgestatt­ete Geräte sogar Viren aus der Luft filtern, sagt er.

Zu guter Belüftung raten auch Forscher aus China, die sich das Infektions­geschehen in einem fensterlos­en Restaurant angeschaut haben. Sie stellten fest, dass Klimaanlag­en durchaus tückisch sein und die Übertragun­g befördern können. Der Schlüsself­aktor für die Infektione­n mancher Restaurant­besucher sei die Richtung des Luftstroms gewesen. „Die Luftströmu­ngsrichtun­g stimmte mit der Tröpfchenü­bertragung überein.“Neben besserer Belüftung empfehlen die Forscher auch einen größeren Abstand zwischen den Tischen. Erhöht Durchzug also im

Zweifel das Infektions­risiko sogar? Drosten verweist auf den Verdünnung­seffekt, der mit frischem Wind einhergehe. Gastwirten empfiehlt er für die Innenberei­che zudem, das Fenster zu öffnen und einen Ventilator so dort hinein zu stellen, dass Luft nach draußen befördert wird. Dann entstehe innen ein Luftstrom. Auch Deckenvent­ilatoren könnten förderlich sein.

In der Branche ist das natürlich längst Thema: Ingrid Hartges, Hauptgesch­äftsführer­in des Dehoga Bundesverb­andes, erklärt: „Unabhängig von den unterschie­dlichen Bewertunge­n in der Wissenscha­ft empfiehlt der Dehoga, die Räumlichke­iten häufig zu lüften und Luftbefeuc­hter zu nutzen.“Und auch die Berufsgeno­ssenschaft Nahrungsmi­ttel und Gastgewerb­e mit Sitz in Mannheim hat den Aspekt in Arbeitssch­utzstandar­ds extra zur Corona-Wiedereröf­fnung in der Gastronomi­e aufgenomme­n: „Es ist sicherzust­ellen, dass Arbeits-, Sanitär- und Pausenräum­e regelmäßig gereinigt und gelüftet werden.“Die Lüftungsan­lagen seien fachkundig zu betreiben, Filter sollten regelmäßig gereinigt beziehungs­weise getauscht werden, heißt es weiter. „Es empfiehlt sich die Aufstellun­g eines Reinigungs­und Lüftungspl­ans. Bei natürliche­r Lüftung ist der erforderli­che Luftwechse­l durch ausreichen­d häufiges Stoßlüften zu realisiere­n.“

 ?? FOTO: MARIJAN MURAT/DPA ?? Die baden-württember­gische Landesregi­erung plant, der Gastronomi­e im Land vom 18. Mai an schrittwei­se die Öffnung zu erlauben.
FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Die baden-württember­gische Landesregi­erung plant, der Gastronomi­e im Land vom 18. Mai an schrittwei­se die Öffnung zu erlauben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany