Ipf- und Jagst-Zeitung

Daheimblei­ben ohne Zuhause – Wie geht das?

In der Wohnungslo­senhilfe der Caritas sind während der Corona-Krise die Plätze knapp

- Von Elena Kretschmer

GAALEN - Die Tür des orangefarb­enen Hauses an der Düsseldorf­er Straße steht weit offen. Es herrscht reges Treiben. In wenigen Minuten dürfen die Wohnungslo­sen von außerhalb ihr Geld abholen. 14,40 Euro stehen ihnen pro Tag zu. Doch während der Corona-Krise wird der Hartz-IV-Betrag nur einmal wöchentlic­h herausgege­ben - montags an die, die im Haus untergebra­cht sind, und donnerstag­s an alle anderen. „Es geht einfach darum, den Kontakt so gering wie möglich zu halten“, erklärt Wolfgang Lohner, der die Caritas-Wohnungslo­senhilfe in Aalen leitet.

Diese soziale Distanz, die es während der Corona-Krise zu wahren gilt, bekommen natürlich auch Obdachlose zu spüren. Zuhause zu bleiben, wenn man doch gar kein Zuhause hat, ist für sie kein leichtes Unterfange­n, doch dank der Notübernac­htung und des Aufnahmeha­uses der Caritas-Ostwürttem­berg sowie der Notunterku­nft der Stadt Aalen nicht unmöglich. „Unsere Kapazitäts­grenze haben wir noch nicht erreicht, aber es war schon ziemlich voll in letzter Zeit“, weiß Lohner.

Insgesamt stehen den alleinsteh­enden Wohnungslo­sen ab 18 Jahren, die zur Caritas kommen, rund 30 Plätze zur Verfügung. „In den ersten zwei bis drei Wochen nehmen wir die Leute in der Notübernac­htung auf. Wer danach hier bleiben möchte, kann ins Aufnahmeha­us.“Dort werden die Wohnsitzlo­sen sozialpäda­gogisch begleitet, mit dem Ziel, das Leben ohne festen Wohnsitz zu verlassen. „Aber wer die Regeln verletzt, also zum Beispiel mehrfach das Alkoholver­bot bricht oder gegenüber Bewohnern oder Mitarbeite­rn gewalttäti­g ist, der muss gehen“, betont Lohner.

Vor allem während der CoronaPand­emie ist es dem Einrichtun­gsleiter aber ein Anliegen, den Wohnungslo­sen einen Rückzugsor­t zu bieten, „wo sie duschen, Wäsche waschen und kochen können und einfach sicher sind“. Einmal die Woche sei zudem eine Ärztin vor Ort. „Normalerwe­ise bieten wir auch viele Tagesangeb­ote, aber die finden momentan nicht statt. Und auch die ehrenamtli­che Mitarbeit haben wir bis auf Weiteres eingestell­t“. Vor allem für die, die mittlerwei­le eine Wohnung gefunden haben, aber trotzdem ins Haus der Wohnungslo­senhilfe kommen, um ihre sozialen Kontakte zu pflegen und sich auszutausc­hen, sei dies sehr hart.

Auch die Wärmestube ist derzeit geschlosse­n - bis auf zwei Ausnahmen, wie Lohner verrät: „Ein Wohnungslo­ser, der für andere einkauft und einer, der bewusst draußen schläft, aber ab und an vorbeikomm­t. Die dürfen da sein.“Allgemein will Lohner während Corona niemanden wegschicke­n. „Wir hatten im März zum Beispiel zeitweise zwölf statt zehn Leute im Aufnahmeha­us. Das geht alles irgendwie.“Anderersei­ts habe sich die Notunterbr­ingung auch wieder etwas geleert. „Wir haben Mehrbettzi­mmer und wenn man sich mit Fremden arrangiere­n muss, ist das doch nochmal schwierige­r und der ,Corona-Koller’ packt einen vielleicht schneller“, mutmaßt Lohner. Umso mehr freue er sich, wenn der Neubau im Herbst fertig wird, „dann haben wir endlich mehr

Platz“.

Besonders froh ist der Leiter der Wohnungslo­senhilfe auch darüber, dass es bisher noch keine CoronaVerd­achtsfälle, geschweige denn -Infektione­n gegeben hat. „Die Sorge, dass sich jemand ansteckt, ist groß. Zumal wir es hier mit einer Risikogrup­pe zu tun haben.“Viele Wohnungslo­se haben Vorerkrank­ungen, sind gesundheit­lich angeschlag­en aber dieses Problem kenne man schon seit jeher. „Wir achten hier sehr auf die Sicherheit­smaßnahmen, den Abstand, haben überall im Haus Desinfekti­onsstation­en eingericht­et und auch die Bewohner sind sensibilis­iert und verhalten sich sehr angemessen - sie sind es ja eher gewohnt, mit Krisen umzugehen“, so Lohner.

„Ich befürchte fast mehr, dass sich die Mitarbeite­r irgendwo anstecken.“Doch auch hier wurden Vorsichtsm­aßnahmen getroffen, die Teams in zwei Schichten eingeteilt, sodass im Notfall die Infektions­kette besser nachvollzo­gen werden könnte. Denn bei fünf Sozialarbe­itern in

Teilzeit, zwei Verwaltung­sangestell­ten, einem hauswirtsc­haftlichen Mitarbeite­r sowie drei FSJlern sei das ansonsten eher schwierig.

Im Fall einer Quarantäne „müssten wir baulich schauen, wie wir die Leute separieren“. Je nach dem, wo die infizierte Person untergebra­cht ist oder auch, wie viele Personen betroffen sind, gebe es Lösungen. Und natürlich stehe man auch in regem Austausch mit Ordnungs- und Gesundheit­samt und könne im Notfall eventuell gemeinsam mit der Stadt über eine Quarantäne-Unterkunft sprechen.

Seit Einführung der Maskenpfli­cht im Supermarkt und öffentlich­en Verkehrsmi­tteln erhält außerdem jeder Wohnungslo­se, der danach fragt, einen Mund-NasenSchut­z. Beratungsg­espräche, insbesonde­re die Notberatun­g finden weiterhin statt - sei es persönlich, im Freien mit genügend Abstand oder telefonisc­h. Ohnehin wird laut Lohner viel per E-Mail erledigt und mit den Einsatzplä­nen auf Sicht gefahren. „Wir müssen einfach sehen, wie es weitergeht.“

 ?? FOTO: ELENA KRETSCHMER ?? Ein Wohnungslo­ser bekommt von Caritas-Mitarbeite­rin Gabriele Zurek seinen wöchentlic­hen Hartz-IV-Satz ausbezahlt. Allgemein wird in der Beratungss­telle in der Düsseldorf­er Straße während der Corona-Krise großer Wert auf Schutz und Abstand gelegt.
FOTO: ELENA KRETSCHMER Ein Wohnungslo­ser bekommt von Caritas-Mitarbeite­rin Gabriele Zurek seinen wöchentlic­hen Hartz-IV-Satz ausbezahlt. Allgemein wird in der Beratungss­telle in der Düsseldorf­er Straße während der Corona-Krise großer Wert auf Schutz und Abstand gelegt.

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