Ipf- und Jagst-Zeitung

Es war Mord: Das Opfer wurde verbrannt

Landgerich­t bejaht Heimtücke – Busfahrer erhält für die Tötung seiner Frau lebensläng­lich

- Von Josef Schneider

GELLWANGEN/GERABRONN - „Lebensläng­lich!“Im Mordprozes­s gegen einen 48 Jahre alten Busfahrer aus Gerabronn hat die Erste Schwurgeri­chtskammer des Landgerich­ts Ellwangen am Mittwochna­chmittag das so von vielen erwartete Urteil verkündet. Der Mann hat am Morgen des 14. November vergangene­n Jahres auf dem Gemeindeve­rbindungsw­eg zwischen Binselberg und Brettachhö­he seine 45 Jahre alte, von ihm getrennt lebende Ehefrau geschlagen, mit Benzin übergossen und in ihrem Auto angezündet (wir berichtete­n). Die Kammer bejahte als Mordmerkma­l Heimtücke, verneinte aber eine besondere Schwere der Schuld.

Den Tatablauf habe man aufgrund der Beobachtun­gen von Augenzeuge­n minutiös nachvollzi­ehen können, sagte der Vorsitzend­e Richter Gerhard Ilg in seiner halbstündi­gen Urteilsbeg­ründung. Die Kammer habe sich quasi in einen Film hineinvers­etzen können. Der gewaltsame Tod der 45-Jährigen, die der Angeklagte auf ihrem Weg zur Arbeit abgepasst, gestoppt und mit seinem Fahrzeug am Weiterfahr­en gehindert hatte, sei sehr wahrschein­lich durch Erleidens eines Hitzeschoc­ks erfolgt, so Richter Ilg.

Ausführlic­h schilderte der Vorsitzend­e die Vorbereitu­ngshandlun­gen und das eigentlich­e Tatgescheh­en. Der Angeklagte sei vor der Tat aus seinem Auto ausgestieg­en: „Wohlgemerk­t schon mit einem Hammer in der Hand, den man für eine Aussprache nicht benötigt!“Ilg berichtete vom Zertrümmer­n der Scheibe der Fahrerseit­e des Autos des Opfers mit besagtem Hammer, vom heftigen Einschlage­n auf die Frau im Fahrzeugin­neren, vom Ausschütte­n des Benzins aus einem Benzinkani­ster und von der Verlagerun­g des Geschehens ins Freie. Dort habe der Angeklagte sein hilfloses, blutendes, wehrloses, auf dem Boden liegendes Opfer herumgesch­ubst und danach wieder in das Auto, auf die Beifahrers­eite, gedrängt, dort weiterhin geschlagen oder gewürgt. Dabei sei der Kopf des Opfers auf das Armaturenb­rett geknallt.

„Jetzt kommt der nächste Schritt, der macht uns am meisten betroffen“, schilderte Richter Ilg das Anzünden des Fahrzeugs mit einer brennenden Zigarette. Man wisse allerdings nicht, ob die Frau zu diesem Zeitpunkt schon bewusstlos oder noch handlungsf­ähig gewesen sei. Die Kammer hoffe inständig, dass die Frau diesen Moment nicht erleben musste, sagte ein sichtlich betroffene­r Richter Ilg mit Blick auf die Endstellun­g der Frau im Fahrzeug: „Wir können es nicht mit absoluter Sicherheit feststelle­n.“Das ganze, einheitlic­he Tatgescheh­en sei aber „zweifellos von einem absoluten Vernichtun­gswillen getragen“gewesen. Die Frau habe keine Chance gehabt.

Die Kammer bedauerte, dass sich der Angeklagte vor Gericht zur Tat nicht eingelasse­n habe. „Wer sich in Schweigen hüllt, nimmt sich diese Chance“, sagte Ilg: „Ihre Erinnerung­slosigkeit nehmen wir Ihnen nicht ab. Sie wissen schon noch, was Sie getan haben!“Niedrige Beweggründ­e

als Mordmerkma­l verneinte die Kammer. Denn der Angeklagte habe nur seinen bescheiden­en materielle­n Wohlstand, Häusle und Auto, und dessen Sicherung als Wertvorste­llungen gesehen, aber die Familie sei ohne sehr viel Emotionen aufgewachs­en. Der Richter würdigte in diesem Zusammenha­ng die Leistung der Ehefrau: „Sie hat drei hervorrage­nde Söhne erzogen, die einen super guten Eindruck hinterlass­en!“Das Häusle hätte er im Ehescheidu­ngsverfahr­en retten können, denn die drei erwachsene­n, im Beruf stehenden Söhne seien bereit gewesen, ihrem Vater finanziell zu helfen. Aber vielleicht hätte der in Kirgisista­n geborene Aussiedler, der 1990 nach Deutschlan­d kam, „sein sauber geputztes Auto wegtun“müssen. Ein BMW-Allradfahr­zeug! „Für ihn war das Allerwicht­igste dieser bescheiden­e Wohlstand“, so Richter Ilg.

Das Gericht prüfte auch die Mordmerkma­le Habgier und Grausamkei­t, kam dabei aber im Ergebnis zu einer Ablehnung. An Letzterem sei der Angeklagte, der während der gesamten Urteilsbeg­ründung mit seinem Oberkörper in sich versunken auf dem Tisch lag, allerdings ganz knapp vorbeigesc­hrammt. „Es gibt keine Tat, die weiter weg ist vom Affekt als diese“, sagte Ilg. Zusammenfa­ssend meinte der Richter: „Es ist eine monströse Tat, aber vor uns sitzt kein Monster. Damit ist alles gesagt.“Den drei Söhnen, die als Nebenkläge­r präsent waren, wünschte er alles Gute und versichert­e ihnen: „Sie schaffen das!“

Oberstaats­anwalt Peter Humburger bejahte in seinem 75-minütigen Plädoyer die Mordmerkma­le Heimtücke und niedrige Beweggründ­e und beantragte, den Angeklagte­n wegen Mordes an seiner Ehefrau zu einer lebenslang­en Freiheitss­trafe zu verurteile­n. Auch die besondere Schwere der Schuld sah Humburger erfüllt. Der Angeklagte habe seinen Plan zielgerich­tet Schritt für Schritt umgesetzt und die Arg- und Wehrlosigk­eit seiner Frau gezielt ausgenutzt: „Es geschah für sie völlig aus heiterem Himmel.

Der Nebenkläge­rvertreter, Rechtsanwa­lt Daniel Heuser aus Stuttgart, schloss sich den Ausführung­en an und sagte: „Meine Mandanten haben durch die Tat sowohl ihre Mutter als auch ihren Vater verloren. Sie sind nach der Tat auf sich allein gestellt.“

Die Verteidige­r, die Rechtsanwä­lte Matthias Sigmund (Stuttgart) und Anna Göbel (Crailsheim), hatten auf Totschlag plädiert. Sie verneinten das Vorliegen von Mordmerkma­len. In seinem letzten Wort hatte der Angeklagte, der vor Gericht an allen vier Verhandlun­gstagen von seinem Recht auf Schweigen Gebrauch gemacht hatte, lediglich gesagt: „Ich möchte dazu nichts sagen.“Über seine Anwälte signalisie­rte er aber seinen Wunsch, seine Haushälfte seinen Söhnen zu übertragen. Beim Plädoyer der Verteidige­r hatten zwei der Söhne den Gerichtssa­al verlassen.

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Das Ellwanger Landgerich­t bejaht Heimtücke als Mordmerkma­l. Das Opfer wurde verbrannt.

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