Auf Mund-zu-Mund-Beatmung darf verzichtet werden
Erste Hilfe bietet immer Infektionsgefahren – Empfehlungen sollen Ersthelfer schützen
AALEN/STUTTGART - Erste Hilfe im Notfall ist auch in Zeiten der Corona-Pandemie ein Muss. Doch wie soll das gehen, ohne sich anzustecken? Die Johanniter-Unfall-Hilfe hat Empfehlungen ausgearbeitet, wie sich Ersthelfer in einem Notfall noch besser schützen können. Darüber und weitere Tipps zum Infektionsschutz bei der Ersten Hilfe hat Tobias Faißt mit dem Ausbildungsleiter des Johanniter-Landesverbands Baden-Württemberg Stefan Hager gesprochen.
Herr Hager, aktuell bestehen noch Kontaktbeschränkungen, um die Ausbreitung des Coronavirus weiter zu verhindern. Was bedeutet das für die Erste Hilfe?
Ängste, die es im Bereich Erste Hilfe bisher auch schon gab, werden durch die aktuelle Corona-Situation verstärkt. Es gab ja schon immer Bedenken, was die Infektionsgefahren angeht. Die waren aber bisher immer latent und man konnte sich immer gut schützen. Jetzt ist es so, dass diese Gefahr in allen Köpfen drin ist und sich viele Gedanken machen, ob sie helfen sollen oder wollen. Das ist der größte Unterschied.
Es ist ja eigentlich kein Sollen oder Wollen, sondern ein Müssen.
Ja, der Grundsatz besteht auch weiterhin. Das ist klar. Diese Pflicht, auch gesetzlich, beinhaltet ebenfalls, dass sich der Ersthelfer nicht selber gefährden muss. Das betrifft definitiv auch die Infektionsgefahren. Deshalb sagen wir in unserer Empfehlung, dass die Mund-zu-Mund-Beatmung, wo man dem Patienten extrem nahe kommt, im Zweifel hinten angestellt wird und dass man sich auf die Kompression konzentriert, was die Herz-LungenWiederbelebung angeht. Also dass sich die Ersthelfer auf das Drücken des Brustkorbs beschränken.
Das war bisher aber eigentlich auch schon so geregelt. Wenn der Helfer sich das nicht zutraut oder es einen anderen Grund gibt, wie beispielsweise eine Verletzung, kann auf die Beatmung verzichtet werden, zugunsten einer guten und kontinuierlichen Brustkorb-Massage bis weitere Hilfe kommt. Diese bestehende Regelung bekommt aufgrund der aktuellen Infektionsgefahr jetzt noch größeres Gewicht.
Bei der Ersten Hilfe ist es auch wichtig, sich zu vergewissern, ob der Patient noch atmet. Auch bei der Brustkorb-Massage sind verständlicherweise keine Mindestabstände möglich. Ist das mit Blick auf die Infektionsgefahr auch problematisch?
Durchaus schon. Wenn sich der Ersthelfer nur auf die Brustkorb-Massage konzentriert, empfehlen wir, Mund und Nase des Patienten zu bedecken. So soll verhindert werden, dass während der Wiederbelebung keine Tröpfchen in den Raum abgegeben werden. Klar, eine gewisse Nähe lässt sich in einem solchen Moment
nicht vermeiden, aber so soll zumindest die Gefahr einer Tröpfcheninfektion verringert werden.
Also Mund und Nase des Patienten abdecken und eine kontinuierliche Brustkorb-Massage, wird empfohlen, falls auf die Mund-zu-MundBeatmung verzichtet wird. Haben Sie noch weitere Tipps für Menschen, die Angst vor einer CoronaInfektion haben, weil sie eventuell zur Risiko-Gruppe gehören? Wenn mehrere potentielle Ersthelfer vor Ort sind, ist es sinnvoll, dass eine Auswahl getroffen wird. Es muss nicht unbedingt der Risiko-Patient Erste Hilfe leisten, wenn andere verfügbar sind. Das ist immer situationsabhängig. Zudem versucht man vor Ort die Hygienevorschriften so gut wie möglich umzusetzen. Nach dem Kontakt mit dem Patienten sollten Ersthelfer ohnehin gründlich die Hände waschen oder eben desinfizieren. Sofern entsprechende Mittel vorhanden sind. Generell gilt momentan: Wenn man andere Menschen berührt, hat man ein Übertragungsrisiko und sollte auf die persönliche Hygiene achten.
Können die Ersthelfer auf Desinfektionsmittel aus dem Rettungswagen hoffen?
Ich würde sagen, dass muss drin sein. Auch als kleines Dankeschön an die Ersthelfer. Ich komme selber aus der Notfallrettung und wenn Ersthelfer vor Ort sind, sind wir immer sehr dankbar, dass sie sich um den Patienten gekümmert haben und so geholfen haben.
Den Notruf muss man in jedem Fall absetzen. Und erst dann sollte Erste Hilfe geleistet werden, die die Profis übernehmen können, oder? Ganz genau. Den Notruf kann man ja noch mit dem geforderten Abstand wählen. Das ist nicht das Problem. In solchen Situationen ist es nicht nur wichtig, dass schnell geholfen wird, sondern eben auch, dass professionelle Hilfe so schnell wie möglich dazukommt. Daher ist ein frühzeitiger Notruf nach wie vor eine richtige und wichtige Maßnahme.