Der Legionär von Sankt Wolfgang
Kriegsgefangene standen kurz vor der Heimreise, als die Spanische Grippe grassierte
ELLWANGEN - Eine eher ungewöhnliche Büste auf dem Ellwanger SanktWolfgangs-Friedhof erinnert an ein tragisches Ereignis von 1918. Der Erste Weltkrieg war bereits zu Ende, rund 600 italienische Kriegsgefangene, hauptsächlich Offiziere, standen kurz vor der Heimreise. Doch 20 von ihnen sahen die Heimat nie wieder. Ein steinerner Legionär erinnert noch heute an ihr Schicksal. Der Ellwanger Stadtsprecher und promovierte Kunsthistoriker Anselm Grupp skizziert im Gespräch mit Redakteur Michael Häußler die Geschehnisse.
Herr Grupp, welche Geschichte steckt hinter der Büste mit dem Helm eines Legionärs?
Sie ist Teil eines Denkmals, das an italienische Kriegsgefangene aus dem Jahr 1918 erinnert. Es war eine Tragödie, denn der Krieg war bereits zu Ende. Die Kriegsgefangenen, hauptsächlich Offiziere, sollten in die Heimat zurückfahren. Der Zug war eigentlich schon bereitgestellt. An zwei Tagen sind dann 20 von ihnen an der Spanischen Grippe verstorben.
Es war also keine gewöhnliche
Grippe.
Wahrscheinlich war es die sogenannte Spanische Grippe. Diese griff 1918 auf alle Schlachtfelder über. Sie wurde von amerikanischen Soldaten eingeschleppt und hat sich sternförmig in ganz Europa verteilt. Leider waren am Ende auch diese 20 italienischen Offiziere davon betroffen.
Wo waren die Gefangenen untergebracht?
In einem Kriegsgefangenenlager in Ellwangen, das sich unmittelbar vor der heutigen, mittlerweile ehemaligen, Kaserne befand. Es war kein kleines Lager, sondern hatte Platz für bis zu 800 Personen und wurde 1914, mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs, errichtet. Zunächst waren dort polnische Offiziere inhaftiert. 1917 wurden rund 650 französische Offiziere und Soldaten im Lager untergebracht. Dann kamen die rund 600 Italiener, die bis zum Kriegsende dort blieben.
Waren die Verhältnisse im Lager so miserabel, dass die Seuche dort ausgebrochen ist?
Man weiß über die Verhältnisse im Lager relativ wenig. Aber sie waren wohl ganz gut. Denn die italienischen Offiziere und Mannschaften waren in der Bevölkerung laut Quellen sehr beliebt. Der Krieg war zu Ende und die Männer hatten auch Freigang.
Woran ist die Beliebtheit der Italiener festzumachen?
Sie waren gern gesehene Gäste in der Stadt, vermutlich auch in den Gastwirtschaften. Vielleicht waren es ja auch ganz attraktive Männer, das weiß ich jetzt nicht, aber es könnte ja durchaus sein (lacht).
Weswegen haben die Ellwanger einen Gedenkstein für diese Toten aufgestellt?
Zunächst war es kein Gedenkstein, sondern ein Grabmal. Die 20 gestorbenen Offiziere waren ursprünglich von 1918 bis 1926 hier begraben. Dann wurden sie exhumiert und die sterblichen Überreste sind nach München in ein Sammelgrab für Soldaten verschiedener Nationalitäten überführt worden. Erst danach wurde es zu einem Denkmal erhoben.
Wer kümmert sich darum?
Die Stadt Ellwangen hat die Pflege und Obhut dieses Denkmals schon damals übernommen. Zuvor wurde das Grabmal von ehemaligen Mitgefangenen finanziert. 1920 ist es unter großer Anteilnahme von deutschen und italienischen Offizieren eingeweiht worden. Darüber gibt es ausführliche Quellen. Es muss eine sehr auf Frieden und Versöhnung bedachte Veranstaltung gewesen sein. Bis 1926 war es aber eben eine Grabstätte.
Hat der Zweite Weltkrieg etwas geändert?
Eigentlich nicht. 1937 wurde nochmals bekräftigt, dass die Stadt Ellwangen die Pflege und Obhut übernimmt. Zumal, und das steht auch in den Quellen, das Verhältnis zwischen Italien und Deutschland ein sehr gutes war – ich sage nur „Achsenmächte“. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt vom Kriegsgräberbund daran erinnert, die Pflege des Grabes beizubehalten. Das hat die Stadt getan und tut es bis heute.