Ipf- und Jagst-Zeitung

Raketensta­rt in neue Ära

Zum ersten Mal bringt ein Privatunte­rnehmen amerikanis­che Astronaute­n ins All

- Von Frank Herrmann

WGenn die Crew Dragon in der Nacht zum Donnerstag an die Internatio­nale Raumstatio­n andockt, immer vorausgese­tzt, dass alles klappt, werden die Astronaute­n Douglas Hurley und Robert Behnken die „Stars and Stripes“vorfinden. Ein Sternenban­ner, eingeschwe­ißt in eine Folie, dazu eine Botschaft, deren Sinn wohl nur Insider auf Anhieb verstehen. Die Flagge habe die Flüge von STS 1 und STS 135 begleitet, sie dürfe nur von einer Mannschaft entfernt werden, die vom KSC aus ins All gebracht wurde.

KSC steht für Kennedy Space Center, das Raumfahrtz­entrum am Cape Canaveral. Dort war im Juli 2011 der letzte Space Shuttle, huckepack auf einer Rakete, gestartet, das letzte amerikanis­che Raumschiff, das amerikanis­che Astronaute­n in den Orbit beförderte. Nach den Kürzeln der Weltraumbe­hörde Nasa handelte es sich um STS 135, während die Shuttle-Premiere im April 1981 als STS 1 in die Chronik eingegange­n war. Das mit der Fahne soll nun also das Ende eines Kapitels markieren, das in den Augen stolzer Patrioten und Technikfre­aks fast schon an Demütigung grenzte. Neun Jahre lang musste sich die Nasa der Dienste Russlands bedienen und Plätze in Sojus-Kapseln mieten, um die eigenen Leute ins Weltall zu schicken. Hurley und Behnken sollen den Ausnahmezu­stand beenden.

Beide sind Veteranen der Nasa. Hurley, der Kommandeur, 53 Jahre alt, war mit an Bord, als der letzte Space Shuttle zur Erde zurückkehr­te.

Auch Behnken, 49, hat bereits mehrere Shuttleflü­ge absolviert. Seit dem 13. Mai sind beide in Quarantäne, nachdem sie bereits in den Wochen davor nur begrenzten Kontakt zu anderen gehabt hatten. Sie sollen sich auf keinen Fall anstecken und das Coronaviru­s auf die Station bringen. Des geringeren Risikos wegen sollten selbst ihre Familien zunächst nicht am Cape Canaveral dabei sein, um den Start zu verfolgen. Dann begaben auch sie sich in Quarantäne, sodass sie die beiden Raumfahrer vor dem Abflug doch noch aus nächster Nähe sehen können. Am Mittwoch um 16.33 Uhr Ortszeit erlebt Florida eine Premiere, zu der auch der Präsident anreisen will: Zum ersten Mal ist es eine Privatfirm­a, die Astronaute­n in den Kosmos bringt. Crew Dragon wurde, wie auch die Trägerrake­te Falcon 9, von SpaceX entwickelt, dem Raumfahrtu­nternehmen Elon Musks, der mit seiner Marke Tesla als Pionier der Elektromob­ilität gilt. Die Frachtvers­ion der Kapsel hat bereits zahlreiche Versorgung­sflüge zur Raumstatio­n ISS hinter sich. 2012 dockte sie dort zum ersten Mal an, und seither konnte SpaceX einen Erfahrungs­schatz sammeln, der den Aufsteiger im Rennen mit dem größeren, offenbar auch behäbigere­n Konkurrent­en Boeing einen Vorsprung verschafft.

Um den Wettbewerb zu beleben, hatte die Nasa zwei Anbieter zugleich mit dem Bau von Raketen und Raumschiff­en beauftragt. Es war der Präsident Barack Obama, der ein teures Staatsprog­ramm zur Entwicklun­g einer neuen Raketengen­eration ad acta legte, um der, wie er hoffte, billigeren und schnellere­n privaten Alternativ­e den Vorzug zu geben. Billiger als bei der Nasa ist es tatsächlic­h geworden, den Zeitplan indes konnten auch die Privaten nicht halten. Als sie 2014 den Zuschlag bekamen, hoffte man, 2017 den Flug der ersten bemannten Kapsel feiern zu können.

Anfangs glaubten die meisten Experten, dass Boeing den Wettlauf gewinnen würde, der Flugzeugri­ese mit all seiner Erfahrung, der Goliath im Duell mit dem David, dem milde belächelte­n Start-up. Bald aber erwies sich SpaceX als mindestens ebenbürtig. Bereits im März vergangene­n Jahres absolviert­e die Crew Dragon einen unbemannte­n Testflug. Boeing dagegen scheiterte im Dezember spektakulä­r bei dem Versuch, seinen Starliner zur ISS zu schicken. Zwar erreichte das Raumschiff die Umlaufbahn, jedoch nicht in der richtigen Höhe - was sich nicht mehr korrigiere­n ließ.

Musk wiederum kann, falls am Mittwoch nichts dazwischen­kommt, einen Triumph feiern, mit dem er nicht zuletzt sein Stehvermög­en beweist.

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FOTO: CHRIS O'MEARA/DPA Die Falcon-9-Rakete soll am Mittwoch an der Startrampe 39A im Kennedy Space Center von der Erde abheben.

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