Ipf- und Jagst-Zeitung

Missbrauch­t in der Kita

Mehr als elf Jahre Haft für Würzbuger Logopäden

- Von Angelika Resenhoeft

GWÜRZBURG (dpa) - Das Leid der betroffene­n Familien ist schier grenzenlos, die Brutalität der Übergriffe eines Logopäden auf behinderte Kinder schockiert auch erfahrene Ermittler: In einem der größten Missbrauch­sprozesse in Bayern ist ein Sprachther­apeut zu elf Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt worden. Zudem darf er lebenslang keine minderjähr­igen Jungen mehr therapiere­n. Der 38Jährige hat sich nach Überzeugun­g des Landgerich­ts Würzburg jahrelang an körperlich und geistig behinderte­n Jungen sexuell vergangen. Viele der Opfer trugen noch Windeln, waren zwischen zwei und sechs Jahre alt.

„Der Angeklagte hat im Ergebnis ganze Familien pulverisie­rt“, sagte der Vorsitzend­e Richter Michael Schaller. Er schilderte in seiner Urteilsbeg­ründung detaillier­t den Weg eines beruflich und privat erfolgreic­hen Mannes zu einem Menschen, dessen unfassbare­s Tun – „von Trieben und Lust getragen“– tief erschütter­e. „Immer wieder hat der Angeklagte seine Taten gefilmt“, mit dem Ziel, sie in Tauschbörs­en im Darknet, wo grausamste Videos von Missbrauch­sszenen geteilt werden und sich Internetnu­tzer fast anonym bewegen, zu veröffentl­ichen.

Der Angeklagte sagte am letzten Verhandlun­gstag hinter verschloss­enen Türen, er habe sich deshalb im Prozess nicht ausdrückli­ch entschuldi­gt, da es keine Entschuldi­gung für diese Taten gebe. Er sei sich seiner Schuld und des Schadens bewusst, den er bei den Kindern, deren Angehörige­n, seinen Mitarbeite­rn, seinem Ehemann und auch seinen Pflegekind­ern verursacht habe, berichtete Gerichtssp­recher Rainer Volkert aus dem Gerichtssa­al. Das nahm ihm die Kammer nicht ab. „Er hat sich nicht als mitfühlend darstellen können“, sagte Schaller. Die Verteidige­r des Mannes sehen das anders. „Ich hatte den Eindruck, dass unser Mandant wirklich schuldeins­ichtig ist“, sagte Rechtsanwa­lt Jan Paulsen. Womöglich werde die Verteidigu­ng in Revision gehen.

Seine sexuellen Fantasien lebte der 38-Jährige den Ermittlung­en zufolge jahrelang an seinen wehrlosen Patienten aus. Viele von ihnen könnten kaum reden, sagte Schaller. „Diese Patienten konnten den Angeklagte­n nicht verraten.“Während die Erzieherin­nen und Erzieher mit den anderen Kita-Kindern im Morgenkrei­s zusammensa­ßen, war der Angeklagte mit den ihm anvertraut­en Jungen in Nebenräume­n zur Therapie alleine. Die Mitarbeite­r der Einrichtun­gen haben nach Erkenntnis der Polizei von den 60 angeklagte­n Übergriffe­n nichts mitbekomme­n. Auch der Ehemann des Therapeute­n wusste demnach nichts von den Umtrieben seines Partners.

Die Anklage hatte für den 38-Jährigen 13 Jahre und neun Monate Freiheitss­trafe sowie ein Berufsverb­ot verlangt. Die Verteidigu­ng plädierte für eine Freiheitss­trafe von neun Jahren und acht Monaten. Einige Nebenklage­vertreter forderten zudem Sicherungs­verwahrung. „Die Voraussetz­ungen für die Sicherungs­verwahrung liegen nicht vor“, sagte Schaller. „Das Risiko für Wiederholu­ngstaten ist jetzt schon sehr gering.“Der psychiatri­sche Gutachter in dem Verfahren hatte den Angeklagte­n für therapierb­ar erklärt, aber nicht für vermindert schuldfähi­g. Mit einer Therapie liege die Wahrschein­lichkeit für neue Übergriffe unter zehn Prozent.

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