Post gegen die Einsamkeit
Stuttgarterin hat „Brieftaubenaktion“gestartet – Mitstreiter gesucht
GSTUTTGART (epd) - Die Stuttgarterin Lena Haaf hat eine „Brieftaubenaktion“gestartet. Insgesamt bereits 400 Briefe hat sie mithilfe von ehrenamtlichen Briefeschreibern verschickt – an Menschen mit Behinderung und im Seniorenalter, die in sozialen Einrichtungen besonders unter den Kontaktbeschränkungen während der Corona-Zeit leiden.
Auf die Idee kam die 31-Jährige Anfang März, als sie erlebte, wie eine ältere Frau aus der Nachbarschaft, mit deren Hund sie ehrenamtlich Gassi ging, deutlich mehr Redebedarf hatte, weil sie kaum mehr ins Gespräch mit anderen Menschen kam. Dann erfuhr sie von den damaligen Besuchsverboten in Heimen und überlegte sich, was getan werden kann, damit diese Leute merken: „Wir sind nicht vergessen.“
Anfangs überlegte sich Haaf, ob sie über WhatsApp oder E-Mail einsame Menschen kontaktiert, doch dadurch wäre nur ein Bruchteil der Leute erreicht worden. „Einen Brief dagegen kann jeder bekommen.“Die Briefe erhalten Senioren- und Behinderteneinrichtungen sowie Flüchtlingsunterkünfte. So sind beispielsweise die Diakonie Stetten, die Caritas Stuttgart und auch Einrichtungen aus Bayern unter den Empfängern. Die freiwilligen Briefeschreiber können selbst entscheiden, wer ihren Brief erhalten soll – ob sie einen allgemeinen Gruß schreiben oder ihn an eine spezielle Gruppe adressieren. Wenn die Briefeschreiber ihren Absender angeben, erhalten sie auch eine Antwort.
Bilder sind ebenfalls willkommen, viele Grundschüler hätten ihr bereits Hoffnungsbilder gemalt, erzählt die junge Frau. Ob dement, oder ohne Deutschkenntnisse: „Diese Bilder sind für jeden verständlich, das ist der große Vorteil.“
Die Resonanz auf die Aktion beflügelt: Von Einrichtungen und Pflegestellenleitern hat Haaf erfahren, dass sich die Menschen sehr über die
Briefe freuen, sie herumzeigen, weitergeben oder aufhängen. Auch viele positive Antworten kamen bereits direkt zu ihr zurück. Mit einem Bewohner aus der Diakonie Stetten schreibt Haaf regelmäßig. „Die Menschen freuen sich über die Post. Ich bin mir sicher, das wird auch nach Besuchsbeschränkungen und der Pandemie so bleiben.“
Und deshalb soll die Brieftaubenaktion auch in Zukunft weitergehen. Derzeit ist Haaf, Leiterin eines Teams in einer Digitalagentur in Stuttgart, in Kurzarbeit. Sie hofft, dass sie auch weiterhin genug Zeit findet für die Brieftaubenaktion, die sie bisher aus eigener Tasche und mit kleineren Spenden finanziert.
Doch am wichtigsten ist, dass sie noch weitere ehrenamtliche Briefeschreiberinnen und Briefeschreiber findet, die sich über die Internetseite www.brieftaubenaktion.de melden können. Denn Einrichtungen hätten bereits Interesse an Hunderten weiteren Briefen angemeldet. „Wir wollen mit den Briefen ein Zeichen setzen, dass die Bewohner wichtig sind, und Menschen an sie denken“. Wenn dadurch dann feste Brieffreundschaften entstehen — umso besser: So könne dann auch langfristig Einsamkeit bekämpft werden.