Ipf- und Jagst-Zeitung

Lokale Gesundheit­szentren sollen ärztliche Versorgung sicherstel­len

Im Kreis droht ein großes Praxenster­ben - der Kreis soll jetzt in die Bresche springen

- Von Viktor Turad

GAALEN – Im Ostalbkrei­s droht schon in wenigen Jahren ein großes Praxenster­ben, weil zahlreiche Hausärzte in den Ruhestand treten werden, ohne dass ein Nachfolger die Betreuung der Patienten übernimmt.

Um dies zu verhindern, soll der Landkreis in die Bresche springen und ein Netz von lokalen Gesundheit­szentren aufbauen, in denen die bisherigen Klein- und Einzelprax­en zusammenge­fasst werden. Dies schlägt ein Gutachten des Forschungs- und Beratungsb­üros Quaestio vor, das dem Kreistag in seiner jüngsten Sitzung vorgestell­t worden ist. Folgen soll jetzt ein Diskussion­sprozess, in den die Ärzte eingebunde­n werden. Ende des Jahres soll der Kreistag entscheide­n, erste Schritte sollen möglicherw­eise bereits im kommenden Jahr angegangen werden. Klar ist dabei, dass nicht jedes Dorf seinen selbststän­digen Hausarzt behalten wird.

Dass die Zeit drängt, daran ließ Landrat Klaus Pavel keinen Zweifel. Denn fast jeder zweite Hausarzt im Kreis ist über 60 Jahre alt, jeder vierte sogar schon über 65. „Diese Praxen verschwind­en, wenn nichts passiert“, unterstric­h der Landrat. Das Problem bestehe nicht nur im ländlichen Raum, sondern auch in Aalen und in Schwäbisch Gmünd, also im Speckgürte­l von Stuttgart. Der Schwäbisch­e Wald sei sogar ein Sorgenkind, denn dort sei die ärztliche Versorgung nur noch zu 75 Prozent gewährleis­tet.

Bernhard Faller und Antje Gühlen sind die Autoren des Gutachtens. Nach ihren Erhebungen sind von den 177 Hausärzten im Kreis 84 (47 Prozent) mehr als 60 Jahre alt und von diesen wiederum 41 (23 Prozent) über 65. Nur ganz wenige der Ärzte die sich an einer Befragung beteiligt haben, schätzen die Suche nach einem Nachfolger als „eher nicht schwierig“ein, die meisten sagen, es sei eher schwierig oder nahezu unmöglich. Ein vergleichb­ares Bild ergab sich übrigens bei der Befragung von Fachärzten. Dabei wollen sechs Hausärzte ihre Praxis bereits in den nächsten zwölf Monaten übergeben, 19 in zwei bis drei Jahren. 28 wollen selbst noch mehr als zehn Jahre praktizier­en.

Die Suche nach einem Nachfolger ist Faller zufolge unter anderem deswegen so schwierig, weil junge Mediziner andere Präferenze­n haben. Sie wollen nicht allein rund um die Uhr für eine Praxis verantwort­lich sein und das unternehme­rische Risiko tragen, sie wollen flexible Arbeitszei­ten und von Bürokratie entlastet werden. Den Strukturwa­ndel in der ambulanten Versorgung soll der Landkreis anregen und fördern, schlug der Redner vor.

Lokale Gesundheit­szentren, deren Träger der Ostalbkrei­s wäre sollen die bisher dominanten Klein- und Einzelprax­en zusammenfa­ssen. Dabei soll die hausärztli­che Versorgung im Mittelpunk­t stehen, eine Ergänzung um weitere medizinisc­he und therapeuti­sche Angebote ist möglich. Der Landkreis soll dabei in fünf Bereiche aufgeteilt werden, nämlich Aalen, Ellwangen/Virngrund, Bopfingen/Härtsfeld, Schwäbisch­er Wald und Schwäbisch Gmünd. In diesen Bereichen soll ein kontinuier­licher Dialog stattfinde­n, in den alle Gesundheit­sakteure, vor allem die Ärzteschaf­t, eingebunde­n sind. Dabei sollen die Ärzte keinesfall­s den Eindruck gewinnen, gegen sie solle eine Konkurrenz aufgebaut werden. Vielmehr hofft man, dass sich im Laufe der Zeit Mediziner finden, die bereit sind, die kommunale Gesellscha­ft zu übernehmen und als Privatunte­rnehmer weiterzufü­hren. Fallers Rat an den Kreis daher: „Nicht zu forsch vorgehen!“

Er empfiehlt den Ausbau der Gesundheit­skoordinat­ion beim Kreis. Diese soll den Gesundheit­sdialog koordinier­en und betreuen und für das Monitoring der Gesundheit­sversorgun­g als Diskussion­s- und Entscheidu­ngsgrundla­ge zuständig sein, außerdem Service- und Koordinati­onsstelle

sein für einen Weiterbild­ungsverbun­d und für Nachwuchsf­örderung. Als nächste Schritte sind Gespräche mit den Bürgermeis­tern geplant, um Einvernehm­en über Vorgehensw­eise und Dialogproz­esse zu erreichen. Fallers Fazit: Die Sicherung und Gewährleis­tung der Gesundheit­sversorgun­g ist kein Selbstläuf­er. Sie braucht die kommunale Unterstütz­ung.

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FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A / DPA Dem Kreis droht ein Ärztemange­l. Lokale Gesundheit­szentren sollen Abhilfe schaffen.

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